In der Politik und der Öffentlichkeitsarbeit kommt es immer wieder zum Phänomen der “Nonpology”.
Darunter versteht man eine Entschuldigung ohne echte Reue. Das Ziel: Vergebung ohne Schuldanerkenntnis.

Dieses Statement zu #DieletzteInstanz ist ein schönes Beispiel dafür. 1/15
Hallaschka wendet sich nicht auf übliche Art an die “lieben Zuschauer und Zuschauerinnen”, sondern startet mit einem distanzierten “Hallo Internet!”
Die Botschaft: Ich spreche hier nicht zu meinem TV-Publikum, sondern zu den Anonymen, dort draußen in der Onlinewelt. 2/15
Er wolle sich zu seiner “vieldiskutierten” Talkshow zu Wort melden. Damit macht sich Hallaschka zunächst selbst ein Kompliment: Diskussionen auszulösen ist schließlich der Wunsch jedes Talkmasters.
(Zutreffender wäre wohl “vielkritisierten” gewesen.) 3/15
Das ist ganz der Sound der Selbst-Viktimisierung. ER empfindet Schmerz. ER ist bestürzt. ER verachtet doch so sehr… Eigentlich ist er das Opfer, mindestens das Opfer der Umstände. 4/15
Seine “schmerzliche Erkenntnis” bezieht sich nicht darauf, dass es “massiv verletzend und rassistisch diskriminierende” Aussagen gab, sondern darauf, dass viele Menschen diese Aussagen so ERLEBT hätten. Die Schmerzen beziehen sich also auf die subjektive Wahrnehmung Dritter. 5/15
Es “trifft ihn hart”... Der Focus liegt ganz bei ihm und nicht bei den Opfern. Seine Entschuldigung kommt hier nicht „aufrichtig“ rüber, denn sie gilt nur denen, die die Sendung als verletzend EMPFUNDEN haben. Er selbst empfindet die Sendung eben nicht als verletzend. 6/15
Der Satz “Mein Einschreiten war nicht immer entschlossen genug” ist ein kleiner sprachlicher Trick. Entweder tritt man entschlossen auf oder eben nicht.
Er verwendet “nicht entschlossen GENUG” und dreht das Ganze damit Richtung Eigenlob. 7/15
Hmm, richtig logisch klingt das nicht: Er hat keine offen beleidigende Absicht erkennen können, hat aber trotzdem interveniert, nur nicht entschlossen genug? Und er versteht, dass "viele des Alltagsrassismus überdrüssig sind". Ist er nicht des Alltagsrassismus überdrüssig? 8/15
Die bittere Lektion betrifft dann auch nicht ihn, sondern uns (bzw. "wir").

Mit derselben Masche wollen uns andere weismachen, "wir alle haben Corona unterschätzt". Wer ist denn "wir"? 9/15
Es klingt schon ein wenig gönnerhaft, im Rahmen dieser Erklärung die Bereitschaft zu erklären, "in einen konstruktiven Austausch zu gehen". Ist das nicht selbstverständlich?
Weiter geht es mit einem rhetorischen Mittel, das oft zur Abwehr berechtigter Anliegen verwendet wird...
...dem sogenannten “Tone Policing”. Dabei wird nicht das Argument angegriffen, sondern der emotionale Ton, in dem es vorgetragen wird. Ein klassisches Ablenkungsmanöver. 11/15
Okay Steffen, aber ihr sitzt nicht in ner Kneipe oder privater Runde, sondern im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. 12/15
Einerseits im TV zum Nachdenken über Themen anregen wollen, andererseits die Sendung als belanglosen Kneipen-Schwatz abschwächen...
Das ist der Wunsch nach größtmöglicher Wirkung bei kleinstmöglicher Verantwortung. 13/15
Nur zu Protokoll: Die unsensible und bunt zusammengewürfelte Promi-Gästeauswahl ist Teil des Sendungskonzepts, das Gespräche über ernsthafte Themen auf Stammtisch-Niveau vorsieht.

Fazit: Wenn etwas zu hinterfragen ist, dann ist es genau dieses Sendungskonzept. 14/15
Kleiner Lösungsvorschlag zum Schluss: Auf den Sendeplatz eine Sendereihe packen, die Vielfalt fördert - durch die Auswahl der Gäste, der Themen und des Moderators oder der Moderatorin. 15/15

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