Ein Thread wie die verabreichte Dosis für ein Arzneimittel/Impfstoff ermittelt wird und warum bei limitierter Verfügbarkeit der Impfstoffe eine Reduktion der verabreichten Dosis für gesunde <65jährige sinnvoll ist.
Wie bestimmt man die Menge eines Wirkstoffes (Dosis)?...1/n
den ungefähren Bereich kann man von ähnlichen Wirkstoffen abschätzen. Mit diesem Wissen geht man in sogenannte 'dose finding auch genannt dose ranging' Studien, entweder in Gesunden (Phase I) bei Impfstoffen oder in Erkrankten (Phase II) bei den meisten Arzneimittel...2/n
bei zbsp dem Pfizer Impstoff hat man das in einer Phase I Studie gemacht. Man hat also verschiedene Mengen an mRNA gesunden Probanden verabreicht um zu studieren wie diese Personen auf den Impfstoff 'reagieren'...3/n
Jetzt kann man natürlich nicht für jede Dosis eine große klinische Phase III Studie machen um die tatsächliche klinische Wirksamkeit zu studieren, das dauert ja Monate bis Jahre. Man muß sich also zu diesem Zeitpunkt einen sogenannten Pharmacokinetik (PD) Marker aussuchen...4/n
PD ist das was das Arzneimittel/Impfstoff im Körper bewirkt, also im Falle eines Impfstoffes die Reaktion des Immunsystems (nennt man Immunogenicity), das geht schneller, viel schneller als die klinische Wirksamkeit zu studieren (Wochen vs Monate/Jahre)...5/n
also hat Pfizer 4 verschiedene Dosen (1, 10, 20, 30ug) den verschiedenen Probanden gespritzt und die Reaktion des Immunsystems beobachtet. In der Abbildung unten ist dargestellt, wie der Antikörper Titer gegen das Spike Protein im Laufe der Zeit ansteigt. Nach 2-3 Wochen...6/n
tauchen diese schützenden Antikörper auf. Mit 1ug tut sich nicht sehr viel, mit 10ug schaut das schon ganz anders aus. Der durchschnittliche (das wird noch wichtig!) Titer liegt nach 29-50 Tagen zwischen 169 und 148, mit 30 ug liegt er zwischen 312 und 133...7/n
das heißt: bereits mit 10ug ist die Reaktion des Immunsystems in der Sättigung (dose response), statistisch ergibt eine höhere Dosis keinen Vorteil mehr, auch nicht bei der T Zellen Antwort ...8/n
Ja warum wird dann 30ug verimpft und nicht 10ug?Weil man sich immer an den sogenannten Low Respondern richtet, dh man möchte sicherstellen, dass auch Personen einen Schutz aufbauen deren Immunsystem nur träge auch den Impfstoff reagiert (ältere Menschen, immunkomprimierte...9/n
Personen). Das ist übrigens nicht nur so bei der Dosiswahl für Impfstoffe sondern auch bei anderen Arzneimitteln, sogar bei den täglichen Aufnahmeempfehlungen für Nährstoffe (RDA). Die Empfehlung richtet sich immer an die Personengruppe die am meisten braucht...10/n
Das heißt, 2x 30ug für exponiertes Personal, die ältere Bevölkerung und immunkomprimierte Personen sind notwendig. Für die gesunde Bevölkerung <65 Jahre wäre eine Reduktion der Dosis unter der derzeitigen limitierten Verfügbarkeit der Impfdosen aus wissenschaftlicher Sicht...11/n
absolut vertretbar. Aber lässt sich die Wirksamkeit des Impfstoffes aus dem Titer (dem PD Marker) ableiten? Ja, mit guter Vorhersagekraft. Es gibt eine sehr gute Korrelation zwischen dem Titer der neutralisierenden Antikörper nach Impfung/Infektion und der Wirksamkeit...12/n
beobachtet in großen klinischen Studien. Wie diskutiert, mit 10ug liegt der Pfizer mRNA Impfstoff sehr wahrscheinlich bereits in der Sättigung, mehr mRNA bringt wenig. Und selbst wenn der Titer um 50% abfällt wenn man nur 10ug verimpft, dann liegt die prognostizierte...13/n
Wirksamkeit bei >80%. Eine Wirksamkeit von 80% hat sich auch in einer kürzlichen publizierten Studie nach lediglich einmaliger Impfung mit 30ug gezeigt. cdc.gov/mmwr/volumes/7…
Wir könnten also mit der verfügbaren Menge an Impfdosen 2-3 mal so viele Elternteile impfen und...14/n
denen einen Schutz von 80% bieten. Oder wir impfen eben nur die Hälfte bzw ein Drittel dieses Szenarios und bieten den glücklich geimpften dann 90% Schutz.
Ein paar Nachträge zum Thread
-dies ist KEIN Aufruf unvollständige Dosen zu verimpfen, sondern eine wissenschaftliche Diskussion. Ein solches Vorgehen braucht selbstverständlich das ok der Gesundheitsbehörden/Impfkommissionen...
Nachtrag1/n
-PD = Pharmacodynamik nicht-kinetik (ein Beispiel dafür, dass Multitasking nicht funktioniert)
-Aber die Mutationen? Mutationen werden uns wahrscheinlich länger begleiten. Aktuell ist es eine Frage der Geschwindigkeit einen Schutz vor allem vor B117...Nachtrag2/n
zu bieten. Ein lediglicher Teilschutz könnte natürlich einen Selektionsvorteil für neue, kritische Varianten (VOCs) darstellen, die der aufgebauten Immunabwehr entgehen könnten (escape Varianten)...Nachtrag3/n
Dieses Thema wird kontroversiell diskutiert, ein Beispiel das sich für dose sparing (entweder Priorisierung der Erstdosis mit verlängertem Intervall, oder Dosisreduktion) ist hier angeführt nature.com/articles/s4157… ...Nachtrag4/n
Das Argument des Teilschutzes ist jedenfalls nur bedingt gültig, da wir vom AstraZeneca Impfstoff bereits wissen, dass er gegen bestimmte Varianten nicht bzw. nicht gut wirksam ist. Wir müssten also auch die Impfung mit AZ stoppen wenn das eine große Sorge ist
Ein weiterer Anhang zum Thema Impfschema und Dosisreduktion

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5 Apr
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