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15 Apr, 23 tweets, 8 min read
Zum Vorwurf, der #Mietendeckel sei „ideologisch“, (s. Screenshots): Er ist eigentlich das Gegenteil davon.

Das Ideologieargument wird von den Verwaltern des Stillstands immer dann gebraucht, wenn der (von ihnen geschaffene) Status Quo angegriffen wird; so auch hier. Thread.
Ich habe dazu mal einen Thread geschrieben; im Endeffekt läuft es immer gleich: Offensichtliche Probleme werden ignoriert (Frauen in Führungspositionen) und / oder geleugnet (Klimawandel) & diejenigen, die sich daran machen wollen, etwas zu verbessern, werden attackiert.
Natürlich kann man sich z.B bei der Frauenquote darüber streiten, ob sie das IDEALE Werkzeug ist, aber Fakt ist: Sie ist ein FUNKTIONIERENDES Werkzeug, das den bestehenden Missstand real verbessert. Und damit tut sie mehr, als alle „Absichtsbekundungen“ zusammengenommen.
Beim Mietendeckel ist das ähnlich: Man kann darüber streiten, aber er tat, was er versprach: Horrende Wuchermieten senken.*
(* Das Argument „Aber er hat nicht mehr Wohnraum geschaffen“ ist ein Strohmann, bitte nicht darauf reinfallen. Man beschwert sich auch nicht, dass eine Bratpfanne nicht faxen kann. Der Mietendeckel sollte die bestehenden, VIEL ZU HOHEN Mieten senken.)
Dass es dabei Ausnahmen gab und z.B sowohl Neubauten als auch neu ausgebaute Dachböden überhaupt nicht vom Mietendeckel betroffen waren, er also somit gar kein Argument gegen Neubau war, interessiert die Kritiker*innen natürlich nicht.
Es geht ihnen nämlich, anders als gerade behauptet, überhaupt nicht um die armen Mieter*innen. Die sind, genau wie z.B. einkommensschwache Haushalte beim Thema Klimaschutz, wie so oft nur ein Feigenblatt dafür, dass alles bleiben soll, wie es ist.
Das Scheinargument „NICHT MIETEN DECKELN, SONDERN BAUEN“ ist übrigens der nächste Witz. Es ist natürlich kein Entweder-Oder. Und: ALLE wollen bauen. Dazu stimmt es einfach nicht, dass nicht gebaut wird:
@derjochen erklärt hier, warum das nicht immer einfach ist und nicht immer schnell geht:
Dazu kommt: Niemand glaubt wirklich, dass durch mehr Neubauten automatisch die Mietpreise signifikant sinken werden. Wohnen wird quasi stetig teurer.

Das ist der Wohnungsmietindex der letzten 20 Jahre:
Der springende Punkt: FDP + Union haben gar kein Interesse daran, dass Mieten sinken. Weil diejenigen, die darauf angewiesen sind, sie ohnehin nicht wählen. So tun diese Parteien, was nachvollziehbar, aber darum nicht weniger verwerflich ist: Sie machen Politik für ihre Klientel.
(Bundestagswahl 2017, Quelle: spiegel.de/wirtschaft/soz…

Die Menschen mit den geringsten Einkommen sind übrigens zum großen Teil Nichtwähler*innen)
Wenn sich (Teile von) Parteien also als parlamentarischer Arm der Immobilienlobby* begreifen, und alles Menschenmögliche tun, um die bestehenden Verhältnisse zu zementieren, müssen auch alle Register gezogen werden. @Antje_Kapek fasst es treffend zusammen:
*Wer diese Bezeichnung übertrieben findet, Nummer 1:
Nochmal: Ja, der Mietendeckel ist kein unerheblicher Schritt, aber er ist absolut nötig, denn das Leid ist real und es ist weit verbreitet.

@lisapaus bringt es auf den Punkt:
Man wird, auch mit Mietendeckel, weiter am Vermieten verdienen können. Alles andere ist Angstmacherei.

Ich kenne selbst ein paar Vermieter*innen, keine*r davon ist in eine finanzielle Notlage geraten oder nagt am Hungertuch.

Davon ab: Wohnen ist ein Grundrecht.
Zuletzt: Die Häme aus FDP und Union ist entlarvend: „Haha, RRG ist auf die Nase gefallen, Sozialismus verhindert, Freiheit olé olé.“ Sie glauben gar nicht, was das für ein Knieschuss wird. Der Mietendeckel und das Thema allgemein entfalten jetzt erst seine volle politische Kraft:
Denn die Menschen sehen zwei Dinge:

1. Es ist möglich, dem vermeintlich übermächtigen Immobilienmarkt politisch etwas entgegenzusetzen und

2. Welche Parteien tun das (und welche nicht).
Marco Buschmann et al. wollen es natürlich jetzt gerne herbeischreiben, aber das BVerfG hat nicht geurteilt, dass Mieten nicht gedeckelt werden dürfen, sondern nur, dass das Land Berlin das nicht darf. Vom Bund ist keine Rede.
Der Mietendeckel ist also weder verfassungsrechtlich noch politisch tot, er ist gerade neu geboren worden.

In diesem Thema ist so viel Musik, jetzt wird erst angefangen zu tanzen. 💃💃💃

/Ende

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26 Mar
Sehr geehrte Bundesregierung, sehr geehrte Ministerpräsident*innen,

hier ein Versuch, Ihnen zu erklären, warum die Geduld der Menschen mit Ihnen am absoluten Nullpunkt angelangt ist. Ich versuche, das so wenig polemisch wie es mir gerade möglich ist zu formulieren - Thread.
(Mache mir natürlich keine Illusionen darüber, dass das irgendjemand liest, aber an irgendeine Adresse muss der Frust geschrieben werden und als direkte Anrede fiel es am leichtesten)
Zu Beginn dieser Pandemie bekamen Sie von den Menschen in diesem Land einen kolossalen Vertrauensvorschuss - Grundrechte wurden massiv eingeschränkt, das Konzept des Lockdowns eingeführt und unser aller (Privat)Leben befindet seitdem in einem alles zermürbenden Standby Modus.
Read 45 tweets
21 Mar
Dieser Auszug aus dem Tagesspiegel Interview mit Alexander #Dobrindt ist selbst für CSU-Verhältnisse eine Frechheit; er kann als praktisches Beispiel für den Begriff „gaslighting“ dienen. Thread

presseportal.de/pm/amp/2790/48…
(„Nein René, heute ist Sonntag, nicht aufregen, guck mal da ist ein Eichhörnchen, willst du nicht lieber noch einen Kaffee“ hat leider nicht geklappt, Minus Zen Master)
Die Titelzeile sorgt direkt für Bluthochdruck:

„Generalverdacht“ ist die Lieblingsfloskel von CSUlern, wenn sie ein offensichtlich strukturelles Problem leugnen wollen - sei das bei Rechtsradikalen in den Sicherheitsbehörden oder bei ihren eigenen korrupten Abgeordneten.
Read 17 tweets
18 Mar
Unionsabgeordnete treten unschuldig zurück, ein Thread:
Tobias Zech: „Um jede potenzielle Vorverurteilung (sic!) auszuschließen, habe ich mich aus freien Stücken entschieden, mein politisches Mandat im Bundestag sowie meine Parteiämter sofort niederzulegen“
Georg Nüßlein: Das Ermittlungsverfahren stelle für seine Familie und seine Partei eine ganz erhebliche Belastung dar, weshalb er sich nun zum Rückzug entschieden habe. Sein Mandat wolle er aber bis zur Bundestagswahl behalten. (Sitzt weiterhin im Bundestag)
Read 4 tweets
16 Mar
Ob der Impfstopp von #AstraZeneca richtig war oder nicht kann ich nicht beurteilen (vermutlich ja).

Was ich aber beurteilen kann: Die DESASTRÖSE Krisenkommunikation von Jens Spahn, dem BMG und der Bundesregierung insgesamt.

Nach dem Dreiklang: Planlos, instinktlos, lustlos.
Was dieses dilettantische Agieren schon an Vertrauen in jegliche Richtung zerstört hat und wie sie einfach jeden Tag weitermachen.

So ein Schritt wie dieser Impfstopp muss (besonders nach der ohnehin schon schlechten Reputation von AZ) von einem MASSIVEN PR-Push begleitet sein.
Spahn und sämtliche andere, die dazu potentiell befragt werden, sofort auf Sendung und geschlossen diesen Schritt ERKLÄREN (nicht nur verkünden und dann zugucken, wie alles in Flammen aufgeht):

WAS machen wir
WARUM
WANN geht es weiter
WIE beeinflusst das die Leute

usw.
Read 8 tweets
8 Mar
Zum Ende des #Frauentag|s hier eine unvollständige Liste von Twitteraccounts von brillanten Frauen, von denen man das ganze Jahr nächste etwas lernen kann.

Gerne ergänzen!
@fraumalonda schreibt gut verständlich messerscharfe Analysen und macht obendrauf noch fabelhaft Musik. Bitte folgen!
@fraufrasl habe ich unerklärlicherweise erst heute entdeckt. Höre gerade ihren Podcast @shepersistedpod und freue mich, noch 43 Folgen vor mir zu haben.
Read 25 tweets
7 Mar
Der #Maskenskandal ist in der Chefetage der Union angekommen. Markus Söder hat soeben diese Stellungnahme getwittert, es würde mich sehr wundern, wenn Armin Laschet lange auf sich warten lässt.

Kurzer Thread zum jüngsten Kapitel #SchwarzerFilz Image
Nachdem gestern die Generalsekretäre der Unionsschwestern rausgeschickt wurden, um die immer größer werdende Affäre einzufangen (s. Thread), muss heute der Parteivorsitzende ran.

Das bedeutet: Die Lage ist ernst und die Union weiß das.
Die Sprachregelungen, die die Stellungnahmen von Ziemiak und Blume kennzeichneten, lassen sich auch klar bei Söder erkennen:

Es sei “nicht zu tolerieren, wenn Volksvertreter die Krise zum Geschäft machen” - auch Söder vermeidet es, von Unionspolitikern zu sprechen.
Read 9 tweets

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