Ich musste lesen, dass @JanJosefLiefers seine Geschichte zur Medienkritik erzählen durfte. Wie er vor Weihnachten beschloss nichts mehr über SarsCoV2, die Pandemie, das Leid und die Toten lesen zu wollen und es ihm damit besser ging.
Ich möchte da kurz an was erinnern.

#Thread
Wir, die MitarbeiterInnen im Gesundheitswesen, können nicht einfach die Augen zu machen, weil wir es leid sind die Realität zu sehen. Wir können nicht einfach sagen, ich bestelle mal die Tageszeitung ab und lasse den Fernseher aus, dann wirds schon besser werden.
Die Welt bleibt nicht stehen, wenn man nur lange genug die Augen zu macht. Die Realität wird nicht fluffiger, weil man sie nicht mehr sehen mag. Es passiert dennoch. Nur schaut man eben nicht mehr hin. Besser wirds dadurch im Allgemeinen nicht. Für einen selbst vielleicht.
@JanJosefLiefers möchte gerne eine Schicht auf der Intensivstation machen. Das ist ganz gut. Ich empfehle einen Maximalversorger und eine Covid-ITS. Denn das ist die Realität, die er zuhause abbestellt hat, die ihn belastet, die wir aber täglich aushalten müssen.
Wenn Sie dort sind Herr @JanJosefLiefers . Bitte schließen sie mal Ihre Augen. Stellen Sie sich hin und lassen sie die Szenerie blind wirken. Hören Sie genau hin.

Hören Sie das Husten der Menschen?
Hören Sie die Atemnot?
Hören Sie das laute Rauschen eines HighFlow-O2-Gerätes?
Hören Sie wie Beatmungsgeräte unter Volllast arbeiten?
Hören Sie die Monitoralarme?
Hören Sie Spritzenpumpen alarmieren?
Hören Sie wie die ECMO arbeitet?
Dieses leise Surren der Rotationspumpe jenes Gerätes, das für viele die allerletzte Chance aufs Überleben darstellt?
Spüren Sie die Realität?
Spüren Sie mit welcher Demut die MitarbeiterInnen im Gesundheitswesen diesem Virus, dieser Erkrankung begegnen?
Spüren Sie das Leid der Menschen?
Spüren Sie wie sich schwere Atemnot anfühlen muss?
Spüren Sie den Tod?
Spüren Sie die Verzweiflung dieser Menschen?
Spüren Sie ihre Angst?
Spüren Sie, wie sie sich nicht einfach befreien können?
Sie ausharren müssen in dieser Geräuschkulisse?
Einer Kulisse, die ihr Leben retten soll.
Einer Kulisse, die ihre letzte Chance auf Leben ist?
Können Sie sich vorstellen, dass wir diese Dinge täglich sehen und aushalten müssen?
Wir können sie nicht einfach abbestellen, sie einfach aus machen. Können nicht einfach die Augen schließen.

Wir nehmen diese Eindrücke sogar mit nach Hause.
In Gedanken.
In unseren Köpfen.
Wir sehen Menschen um ihr Leben kämpfen und können ihnen dennoch nur vage Hoffnung geben.

Wir verlieren Menschen. Hundertfach am Tag. Für Sie nur eine deprimierende Zahl, derer Sie sich durch Abschalten entziehen können. Für uns haben diese Zahlen Gesichter, Namen, Geschichten.
Die Geschichten der Covid-Toten enden alle mit einem Geräusch.
Dem Geräusch vom Schließen des Reißverschlusses am Leichensack.

Das wars dann.

Es ist bedrückend einen Menschen so gehen zu lassen. Aber vielleicht merken Sie dann, dass Realität nunmal nicht abbestellbar ist.

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17 Apr
Ich will Euch mal was zeigen.
Das Bild ist aus meinem Fotoprojekt "Backstage ICU" und kommt ohne Worte aus.

Dennoch frage ich:
Wieviel Leid seht Ihr auf dem Bild?

Warum fragt er so blöd?
Ich möchte versuchen es Euch im Verlauf zu erklären.

Ein Gedanken-#Thread.
Auf Laien wirkt dieses Bild surreal. Es wirkt wie ein Stillleben. Irgendwie aufgeräumt und steril. Eine Momentaufnahme. Kurz vor der Übergabe.

Dabei ist es alles andere als still. Dieses Bild ist vorrangig eine Katastrophe. Zum Aufnahmezeitpunkt damals, wie auch heute.
Auf dem Foto sind zwei Menschen erahnbar.
Sie kämpften um ihr Leben.
Sie verloren diesen Kampf. Beide.
Sie benötigten das Gerät, welches zur Zeit in aller Munde ist - die ECMO. Ausgeschrieben: ExtraCorporeal Membrane Oxygenation - eine künstliche Lunge, außerhalb des Körpers.
Read 12 tweets
13 Apr
Auf der #COVID19-ITS liegen 27 PatientInnen.
Es herrscht massiver Personalmangel. Einige Mitarbeiter haben gekündigt, wieder andere sind krank. Die verbleibenden MA reichen nicht aus um diese 27 schwer kranken Menschen 24/7 zu betreuen.

Ein #Einblick.
Covid-ITS-PatientInnen sind hochkomplex und aufwändig. Je nach Schwere der Erkrankung müssen sie in ein maximalversorgendes Zentrum verlegt werden. Die Probleme dabei schildert der Kollege @narkosedoc sehr eindringlich und eindrucksvoll.

Nicht nur ÄrztInnen müssen Erfahrung mit solch hochkomplexen Krankheitsbildern haben, auch die #Pflege muss gut geschult und erfahren sein.
Die Maximalversorger nehmen PatientInnen auf, die woanders alle vorh. Therapieoptionen ausgereizt haben und man nicht mehr weiter kommt.
Read 14 tweets
11 Apr
Ich muss jetzt mal was loswerden, was mich persönlich ärgert und auch nachdenklich machte.

Nun hab ich in den letzten Tagen 2 Tweets verfasst, die jenseits der 5000 Likes lagen. Es waren eigentlich ganz verzweifelte Tweets, deren Sprengkraft mich überfordert haben.

Ein #Thread.
Ich bin fassungslos, wie uns in den Kliniken die Hände gebunden sind, wir nichts, aber auch gar nichts tun können, was diese riesige Scheiße auch nur im Ansatz mildert oder verhindert. Wir laufen hinterher. Schöpfen Wasser aus dem Boot, während woanders neue Löcher entstehen.
Wir tun das seit Monaten. Wir wissen nicht, wie lange wir das noch durchhalten. Wir saufen ab.

Der Krankenstand im Pflegebereich ist nahezu explodiert. Das tut er, weil unsere Körper keine Maschinen und wir Menschen sind. Wir sind nicht unendlich belastbar. Keiner ist das.
Read 14 tweets
3 Apr
Ich schaue mir dieses Treiben bei #s0304 gar nicht groß an. Mich deprimiert das. Und JA, es macht mir Angst.

Seit einiger Zeit rufen diese militanten #Querdenker dazu auf Regeln zu missachten und sich zu widersetzen. Es wird gezielt angeregt in Altenheime und Kliniken zu gehen.
Man solle doch seine Lieben besuchen und sich nicht aufhalten lassen.
Die Heime und Kliniken sind dem fast schutzlos ausgeliefert. Sollte das je passieren, wird das in einer Katastrophe enden.

Man lässt diese Deppen Woche um Woche gewähren. Lässt ihnen immer mehr durchgeehen.
Man merkt, wie sie sich Woche um Woche mehr radikalisieren, gewalttätiger werden. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, dass man zum Sturm auf eine Klinik oder ein Heim bläst.

Sagt dann nicht, dass es keiner ahnen konnte. Doch, konnte man!
Und das sogar recht regelmäßig.
Read 5 tweets
1 Apr
Wie wichtig @jensspahn die Arbeitsbedingungen in der Pflege sind und wie intensiv er mit Pflegeverbänden berät, sieht man daran, dass die PPR 2.0 seit über einem Jahr in seiner Süßigkeitenschublade neben den Duplos vergammelt.
Sieht man daran, dass er eh schon grottige Personaluntergrenzen 2020 ausgesetzt und zugelassen hat, dass Pflegefachleute 12h-Schichten buckeln müssen.

Sieht man daran, dass mittlerweile 17 Kliniken in Eigenregie und mit Hilfe @_verdi einen Entlastungstarifvertrag erkämpften.
Sieht man daran, dass er sich dafür einsetzte den Flächentarifvertrag in der Altenpflege scheitern zu lassen.

Sieht man an solchen Erklärungen, die lieblos dahingerotzt werden, in der Hoffnung irgendwer nimmt das noch ernst und fühlt sich verstanden.
Read 5 tweets
31 Mar
Wo jetzt #AstraZenaca in aller Munde ist und man sich das Maul über deren Vakzin zerreißt.
Kennt Ihr die Story von Viagra? DEM Synonym für Erektionssteigerung? Der Pille, die Pfizer allein im Jahr 2012 über 2 Mrd. Euro Umsatz bescherte und 2017 immer noch gut 1,7 Mrd.
#Sildenafil (Viagra) wurde Anfang der 90er Jahre von Pfizer als Herzmedikament entwickelt. Es sollte gegen Herzschwäche und Bluthochdruck wirken. Tat es aber nicht. Es versagte auf ganzer Linie.
Es trat stattdessen eine andere Wirkung, eine Nebenwirkung, in den Vordergrund.
Viagra verbesserte die Erektion. Es verlängerte sie und sie traten häufiger auf. Aus dem gescheiterten Herzmedikament wurde nun ein Potenzmittel, ein Verkaufskracher, und mit ihm entstand eine neue Generation Medikamente - die PDE-5-Hemmer. 1998 wurde Viagra zugelassen.
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