Vor 2 Jahren verhandelte man einen Entlastungstarifvertrag (#TVE). Darin, ein Instrument zur Belastungssteuerung. Es war recht simpel. Jede (!) Station legte Pi-mal-Daumen fest, wie viele Pflegefachleute man braucht um die Pat. bedarfsgerecht zu versorgen.
Interessant dabei war, dass die ausgegebene Nurse-Patient-Ratio ohne Personalbemessungsinstrument zustande kam. Das gibt es am Klinikum nicht. NICHT! Die Pflegepersonalstellen berechnet man anders. Wie? Ist Betriebsgeheimnis. Das verrät man nicht mal der Landesregierung,...
...die im Rahmen einer Kleinen Anfrage dazu Stellung nehmen musste.
Interessant zudem, dass die unter Pi-mal-Daumen zusammengeschusterte Ratio annähernd an das herankommt, was in den OECD-Staaten als Durchschnitt gilt. Die #Pflegefachpersonen berücksichtigten sogar...
den unterschiedlichen Aufwand in Früh-, Spät-, und Nachtdienst, passten den Ratio-Vorschlag dementsprechend an, so dass unterschiedliche Ratio entstanden.
Im Intensivbereich hätte man gerne eine ECHTE Personalbemessung eingeführt, die sich am Pflegeaufwand orientiert.
Dieser Vorschlag wurde abgelehnt. Sei zu kompliziert (Haha). Stattdessen führte man (ohne große Diskussion) eine Ratio von 1:2 ein. Eine Pflegefachperson, 2 PatientInnen. Im IMC-Bereich wurde eine 1:4-Betreuung für ausreichend empfunden. Pauschal, aber besser als Nichts.
Das war nun die Theorie.
Was jetzt passierte, ist ein Paradebeispiel für den Umgang mit #Pflegefachpersonen und das Verständnis für bedarfsgerechte #Pflege in Deutschland.
Triggerwarnung! Es wird peinlich.
Einen #TVE wollte das Klinikum nicht. Man "versteckte" sich gar...
bei der Übergabe der Forderung in einem kleinen Konferenzraum (really!) und nahm nur widerwillig hin, was da so passierte. Man versuchte es auszusitzen. So wie man alles ausgesessen hat in den letzten Jahren. Blöd nur: Man ließ nicht locker. Und das sollte zum Problem werden.
Nach Abschluss des #TVE, in zähen Verhandlungen, wies das Klinikum darauf hin, dass die Nurse-Patient-Ratio kein Personalbemessungsinstrument sei und schon gar keine Mindestbesetzung der Stationen. Heißt: Man kann sich dran halten, muss es aber nicht. Wenn nicht gibt's einen...
Belastungsausgleich in Form von sammelbaren Punkten, die in Frei oder Geld umgewandelt werden.
In der Stellenanzeige liest sich das dann so:
"Feste Personalschlüssel für jede Station."
"Belastungsausgleich, wenn es mal nicht so läuft wie geplant."
Werbung, so schön!
Das Klinikum installierte ein System, das die Belastungspunkte automatisch berechnete. Es wurde so dermaßen verkompliziert, dass niemand mehr nachvollziehen konnte, wann Punkte anfielen und wann nicht. An der Personalbesetzung änderte sich...nichts!
Die Intensivstationen arbeiteten weiter wie bisher: 1:2 als Ausnahme, meist 1:3. Die IMC traf es noch härter. 1:4 nur selten, meist 1:5 oder 1:6. Dazu kam, dass man eigentlich ITS-pflichtige PatientInnen als IMC-PatientInnen laufen ließ, weil hier die #PpUGV nicht greift.
Es wurde viel Zeit dafür aufgewandt, wie man Schlupflöcher ausnutzen und Belastungspunkte vermeiden konnte. Die Pflegedirektion, allen voran die Pflegeleitungen, wurden da ziemlich kreativ. Mitunter so kreativ, dass man Dinge einfach ignorierte und so tat als sei alles gut.
Der #TVE legte schonungslos offen, was man jahrelang nicht greifen oder gar beweisen konnte, da auf dem Papier immer alles gut war.
Es gab zu wenig Personal für zu viele PatientInnen. Bedarfsgerechte Pflege ist und war oft nicht möglich. Nicht mal im Ansatz.
Kritik wurde abgebügelt. Pflegefachpersonen wurden gegängelt, teils sogar bedroht. Viele gingen und gehen. Der Intensivbereich erodiert gerade zusehends.
Statt auf Innovationen und einen absoluten Turn zu setzen, befasst man sich mit Lippenbekenntnissen und alten Zöpfen.
Die schneidet man nicht ab. Man frisiert sie neu und flechtet sie anderweitig wieder ein. #ToxischeHierarchie. Ideenlosigkeit regiert.
Aushalten müssen es die PatientInnen, die mitunter unterversorgt und nur mit Glück ihren Aufenthalt überstehen. Sie haben meist keine Wahl.
Wir, die #Pflegefachpersonen, weisen seit vielen Jahren, gar Jahrzehnten, auf diese Versorgungskatastrophe hin. Niemand hört zu. Weder die Politik, noch die Bevölkerung. Es scheint allen egal, dass sie selbst irgendwann Leidtragende dieses Systems sein werden.
Die #Pflege war lange laut.
So langsam wird sie zunehmend leiser.
Leiser wird man, weil man müde geworden ist.
Leiser wird man, weil man "stirbt".
Um den Nachlass werden sich Andere kümmern.
Es werden Dieselben sein, die zugesehen haben, wie die #professionellePflege starb.
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Ich musste lesen, dass @JanJosefLiefers seine Geschichte zur Medienkritik erzählen durfte. Wie er vor Weihnachten beschloss nichts mehr über SarsCoV2, die Pandemie, das Leid und die Toten lesen zu wollen und es ihm damit besser ging.
Ich möchte da kurz an was erinnern.
Wir, die MitarbeiterInnen im Gesundheitswesen, können nicht einfach die Augen zu machen, weil wir es leid sind die Realität zu sehen. Wir können nicht einfach sagen, ich bestelle mal die Tageszeitung ab und lasse den Fernseher aus, dann wirds schon besser werden.
Die Welt bleibt nicht stehen, wenn man nur lange genug die Augen zu macht. Die Realität wird nicht fluffiger, weil man sie nicht mehr sehen mag. Es passiert dennoch. Nur schaut man eben nicht mehr hin. Besser wirds dadurch im Allgemeinen nicht. Für einen selbst vielleicht.
Auf Laien wirkt dieses Bild surreal. Es wirkt wie ein Stillleben. Irgendwie aufgeräumt und steril. Eine Momentaufnahme. Kurz vor der Übergabe.
Dabei ist es alles andere als still. Dieses Bild ist vorrangig eine Katastrophe. Zum Aufnahmezeitpunkt damals, wie auch heute.
Auf dem Foto sind zwei Menschen erahnbar.
Sie kämpften um ihr Leben.
Sie verloren diesen Kampf. Beide.
Sie benötigten das Gerät, welches zur Zeit in aller Munde ist - die ECMO. Ausgeschrieben: ExtraCorporeal Membrane Oxygenation - eine künstliche Lunge, außerhalb des Körpers.
Auf der #COVID19-ITS liegen 27 PatientInnen.
Es herrscht massiver Personalmangel. Einige Mitarbeiter haben gekündigt, wieder andere sind krank. Die verbleibenden MA reichen nicht aus um diese 27 schwer kranken Menschen 24/7 zu betreuen.
Covid-ITS-PatientInnen sind hochkomplex und aufwändig. Je nach Schwere der Erkrankung müssen sie in ein maximalversorgendes Zentrum verlegt werden. Die Probleme dabei schildert der Kollege @narkosedoc sehr eindringlich und eindrucksvoll.
Nicht nur ÄrztInnen müssen Erfahrung mit solch hochkomplexen Krankheitsbildern haben, auch die #Pflege muss gut geschult und erfahren sein.
Die Maximalversorger nehmen PatientInnen auf, die woanders alle vorh. Therapieoptionen ausgereizt haben und man nicht mehr weiter kommt.
Ich muss jetzt mal was loswerden, was mich persönlich ärgert und auch nachdenklich machte.
Nun hab ich in den letzten Tagen 2 Tweets verfasst, die jenseits der 5000 Likes lagen. Es waren eigentlich ganz verzweifelte Tweets, deren Sprengkraft mich überfordert haben.
Ich bin fassungslos, wie uns in den Kliniken die Hände gebunden sind, wir nichts, aber auch gar nichts tun können, was diese riesige Scheiße auch nur im Ansatz mildert oder verhindert. Wir laufen hinterher. Schöpfen Wasser aus dem Boot, während woanders neue Löcher entstehen.
Wir tun das seit Monaten. Wir wissen nicht, wie lange wir das noch durchhalten. Wir saufen ab.
Der Krankenstand im Pflegebereich ist nahezu explodiert. Das tut er, weil unsere Körper keine Maschinen und wir Menschen sind. Wir sind nicht unendlich belastbar. Keiner ist das.
Ich schaue mir dieses Treiben bei #s0304 gar nicht groß an. Mich deprimiert das. Und JA, es macht mir Angst.
Seit einiger Zeit rufen diese militanten #Querdenker dazu auf Regeln zu missachten und sich zu widersetzen. Es wird gezielt angeregt in Altenheime und Kliniken zu gehen.
Man solle doch seine Lieben besuchen und sich nicht aufhalten lassen.
Die Heime und Kliniken sind dem fast schutzlos ausgeliefert. Sollte das je passieren, wird das in einer Katastrophe enden.
Man lässt diese Deppen Woche um Woche gewähren. Lässt ihnen immer mehr durchgeehen.
Man merkt, wie sie sich Woche um Woche mehr radikalisieren, gewalttätiger werden. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, dass man zum Sturm auf eine Klinik oder ein Heim bläst.
Sagt dann nicht, dass es keiner ahnen konnte. Doch, konnte man!
Und das sogar recht regelmäßig.
Wie wichtig @jensspahn die Arbeitsbedingungen in der Pflege sind und wie intensiv er mit Pflegeverbänden berät, sieht man daran, dass die PPR 2.0 seit über einem Jahr in seiner Süßigkeitenschublade neben den Duplos vergammelt.