Es ist kein originäres Verkehrsthema, aber ich möchte trotzdem aus raumplanerischer Sicht etwas zu den Starkregenereignissen schreiben. In der Raumplanung spielen Regenwassermanagement und Hochwasser- bzw überflutungsschutz eine wichtige Rolle. Ich habe zwar nur theoretisches...
...Wissen, aber vielleicht können Menschen aus diesem Planungsbereich oder den Wasserwirtschaftsverbänden ja etwas ergänzen.

Die aktuelle öffentliche Diskussion dreht sich (zurecht) sehr um den Klimaschutz und die konkrete Katastrophenabwehr. Das Dazwischen geht dabei leider...
...etwas unter: die Vorsorge und die Klimawandelanpassung.

Was viele kennen und gut funktioniert, ist das Management von #Hochwasser v. a. an großen Flüssen nach der Schneeschmelze. Dafür haben wir Deiche, Fluttore, mobile Schutzwände, etc.

Der andere Part sind Überflutungen...
...insbesondere durch Starkregenereignisse. Diese können überall auftreten, sind jedoch meistens lokal begrenzt. Es wird erwartet, dass die Zahl und Heftigkeit von Starkregenereignissen durch den #Klimawandel zunehmen wird. In der Bevölkerung wird diese Gefahr weniger stark...
...wahrgenommen und die Vorsorge, die betrieben wird, ist mitunter ausbaufähig.

Überflutungen von Siedlungsbereichen haben vereinfacht zwei Komponenten bzw. Ursachen: 1.) Überlastung der Regenwassersysteme (Abführung des Niederschlags in die Gewässer) und 2.) der Gewässer selber
Beide Ursachen werden in Vorsorge und Handling des Wassers unterschiedlich adressiert:

Vorsorge für Problem 1: Entsiegelung von Flächen und Vermeidung weiterer Versiegelung (Schottergärten sehr kontraproduktiv), dezentrales Regenwassermanagement mit Gründächern & Mulden-Rigolen
Ziel ist es, Niederschlag lokal zu halten,etwas zwischenzupuffern und zu versickern. Die Kanalisation ist nicht für sehr hohe Niederschläge ausgelegt (Bemessung: Überlastung alle 5 Jahre), Umbau extrem teuer und wieso soll sauberes Regenwasser in die Kläranlage? Man versucht also
...Niederschlag lokal zu speichern und ihn dann über mehrere Tage versickern zu lassen. Bringt auch Zusatznutzen wie Kühleffekte für überhitzte Siedlungsbereiche.

Dezentral werden auch noch Regenrückhalteeinrichtungen gebaut. Alle Überflutungen durch Starkregen wird man aber...
...nicht verhindern können. Es hilft aber, dass nicht so oft Abwässer ungeklärt in Gewässer abgeschlagen werden müssen, etc.

Wir müssen also mehr entsiegeln und mit Regenwasser anders umgehen.

Problem 2: überlastete Gewässer.

In den vergangenen Jahrzehnten wurden sehr viele...
auch kleine Flüsse und Bäche begradigt und verrohrt. Das Gewässer hat also keinen Platz und steigt. Hier helfen eine Renaturierung, die Freilegung mit Poldern, Schaffung von Außenbereichen und Hochwasserrückhalteeinrichtungen.

Desweiteren geht es auch hier um Entsiegelung nicht
...nur von bebauten Flächen, sondern auch von landwirtschaftlichen Flächen. Durch die Bestellung mit sehr schweren Landmaschinen wird der Boden stark verdichtet und die Versickerung behindert. Häufig spült die Wassermenge diesen wertvollen Boden als Schlamm in die Siedlungen.
Planerisch wird das Thema von einigen Kommunen sehr proaktiv angegangen. Sie lassen hydraulische Modelle erstellen und nutzen das Bauplanungsrecht zur Vorsorge.

In vielen Kommunen fehlen aber die Sensibilisierung für das Thema (war bei uns noch nie ein Problem) oder die Mittel.
Insbesondere kleinere Gemeinden sind vom Thema personell wie finanziell überfordert. Zwar gibt es Fördermittel, aber die sind häufig in der Beantragung komplex oder decken die Planungskosten nicht mit ab.

Zu den Problemen von Kommunen empfehle ich folgende BR-Dokumentation.
2016 hat eine Sturzflut die Gemeinden Markt Triftern und Simbach am Inn sowie weitere Anrainergemeinden getroffen. Der Umgang mit dem Thema und die Anpassungen nach der Katastrophe sind wirklich sehr interessant:
In Deutschland muss dieses Thema stärker in die Köpfe der Menschen. Leider wird es auch nach Katastrophen wieder schnell vergessen und man verliert sich im. Klein Klein. Als gutes Beispiel können die Wildbachgenossenschaften aus Österreich dienen, die Prävention auch an...
... kleinen Bächen und Flüssen. umsetzen. Und zwar in einer hohen Geschwindigkeit und in Kooperation mit den Anrainern.

Neben Klimaschutzmaßnahmen muss auch mehr Klimawandelanpassung passieren. Das ist mehr als die Aufstockung von Deichen. Wenn Interesse vorhanden ist, kann...
... ich auch mal etwas mehr über Klimawandelanpassung und Verkehrsinfrastruktur schreiben.
Weil ich derzeit viele Kommentare lese / höre: "das so etwas bei uns möglich ist, hätte ich nicht gedacht".

Doch, ist es. Von Starkregen verursachte Sturzfluten sind sogar in weitaus trockeneren Gegenden der Welt möglich. Hier zum Beispiel im Oman:
Wer sich über Aktivitäten der deutschen Kommunen im Bereich Klimawandelanpassung informieren möchte, sollte mal in die Ergebnisse der "Umfrage Wirkung der Deutschen Anpassungsstrategie (DAS) für die Kommunen" schauen: umweltbundesamt.de/publikationen/… Man merkt recht schnell, wo es hakt.
Vier von fünf der befragten Kommunen waren bereits von Extremwetter und Klimawandelfolgen betroffen. Die meisten im Bereich Niederschläge (Sturzfluten, Starkregen) und Stürme. Gehandelt wird häufig nach Betroffenheit von Extremwetterereignissen, Prävention hängt von Einzelnen ab.
Nur in einem Drittel der Kommunen sind Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel bereits in der Umsetzung. Der Großteil plant diese noch (für irgendwann) oder ist komplett außen vor. Wenigstens gibt es politische Beschlüsse, aber auch hier große Umsetzungsschwächen.
Größter Flaschenhals: Personal

Mindestens die Hälfte der befragten Kommunen haben für das Thema Klimaanpassung nicht einmal eine (!) Vollzeitstelle. Danach fehlt das Geld für die Umsetzung.

Ein wichtiges Zukunftsthema, nahezu komplett unter dem Radar.
Wie sich Kommunen bemühen und welche Probleme insbesondere kleinere Gemeinden im Bereich der Starkregenvorsorge haben, zeigt diese Doku des NDR: Macht nicht unbedingt gute Laune (v. a. Minute 28:45-30:10 🤨😩🤦🏻‍♂️), die Doku lohnt sich aber trotzdem sehr.

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