Nach meinen Kalkül haben Grüne und FDP #Legalisierung seit langem im Programm, und für die SPD dürfte eine Verhinderung jetzt kein Herzensanliegen sein, aber wer weiß. Ich fürchte nur, dass wir die Umsetzung mit deutscher Regulierungswut schlimmer verkacken könnten als Kanada.
Das Problem ist, dass in dem Moment, wo klar ist, dass es eine Legalisierung geben wird, das Chaos losbricht, weil damit die Verfolgung von Cannabisbesitz - und handel praktisch unmöglich wird, und zwar, bevor es ein Gesetz gibt.
Wer dennoch "erwischt" wird, kann davon ausgehen, dass bis er rechtskräftig verurteilt ist, eine neue Rechtlage existiert und er nach dem milderen Gesetz behandelt werden wird, auch wenn die Tat vor Inkrafttreten erfolgt ist.
Diesen Effekt konnte man gut in verschiedenen Ländern beobachten, die legalisiert haben oder es versuchen wie Luxemburg, wo es trotz erklärter Absicht und "Umsetzung bis 2023" nicht voran zu gehen scheint.
Eine Legalisierung in Deutschland würde auch den Druck von Luxemburg nehmen, das Angst hat, zu einem zweiten Amsterdam zu werden, und die Holländer hätten auch weniger Last mit Cannabis-Touristen.
Das Problem mit der Legalisierung in Kanada ist, dass der staatlich monopolisierte Handel im Wettbewerb mit dem Schwarzmarkt nicht bestehen kann, weil die Ware in den Staatsläden schlechter und teuerer ist und es begrenzte Öffnungszeiten gibt, während die ...
...Schwarzhändler rund um die Uhr mit einem Bauchladen vorbeikommen und auch die gerade im Trend liegenden Züchtungen und Spezialitäten führen, die auf Instagram gehyped werden.
Im Ergebnis hat das dazu geführt, dass das Ziel, den Großteil des Cannabis-Handels legal und über staatliche Abgabestellen abzuwickeln, nicht erreicht wurde und derzeit nicht erreichbar scheint, und die Pandemie hat dem legalen Handel bestimmt nicht geholfen.
Die Lehre daraus ist: Möchte man den Handel legal und kontrolliert abwickeln, muss man auch mindestens die gleiche oder bessere Produktqualität und -vielfalt bieten und muss die Preise halbwegs marktgerecht gestalten.
Und in diesem Markt wird für hohe Qualität auch viel gezahlt, oft ein Vielfaches des Preises von Standardqualität. Weltweit sind auch Milliarden in der Cannabisbranche investiert worden, vor allem von Tabak- und Brauereikonzernen, aber die hohen Erwartungen ...
...von Cannabisinvestoren haben sich bisher nicht erfüllt, was wohl am regulativen Umfeld und bestehenden Handlesbeschränkungen liegt, das zu örtlichen Überangeboten und einbrechenden Preisen geführt hat, plus Unterbietung durch den Schwarzmarkt.
Wie man sieht, kann man ziemlich viel falsch machen bei der Legalisierung und Regulierung, aber man möchte oder muss auf ein Cannabis-Urteil des Bundesverfassungsgerichts Rücksicht nehmen, in dem sinngemäß ausgeführt ist, dass man eigentlich ...
...Alkohol und Tabak verbieten müsste statt Cannabis zu legalisieren. Aus Sicht eines Staates ist es durchaus berechtigt, seine Einwohner an der Einnahme bewusstseinsverändernder, toxischer Substanzen mit Suchtpotential zu hindern zu wollen.
Blöd für einen Staat ist nur, wenn ein sehr großer Teil der Bevölkerung bewusstseinsverändernde, toxische Substanzen mit Suchtpotential konsumiert und die meisten davon es auch weiter tun wollen, ein Teil davon, weil sie süchtig sind.
Ein völliges Alkoholverbot wurde ja in den USA ausprobiert, mit so unschönen Folgen, auch gesundheitlichen, dass man es wieder gelassen hat. Staatliche Behörden haben damals u.a. zur Abschreckung Alkohol mit Methanol vergällt, was zu zahlreichen Toten und Erblindeten geführt hat.
Was also tun? Ich glaube, dass der Staat den Konsum von Substanzen am besten einschränken kann, wenn sie uncool werden. Der Alkoholkonsum in Deutschland ist bis 2010 gesunken und seitdem stabil. Die Zahl der Raucher geht seit langem zurück, und wird wohl weiter sinken.
Der Cannabiskonsum in Deutschland scheint dagegen zu steigen; jedenfalls tut es die Zahl der einschlägigen Ermittlungsverfahren. Ist es vielleicht schwieriger, etwas "uncool" zu machen, wenn man es verbietet?
Ich meine, so lange Cannabis verboten ist, ist der Joint ein Symbol von Rebellion. Kiffen die einfachste Form, Widerstand gegen Autorität auszudrücken und sich dabei zu berauschen, und der Akt, gemeinsam das Gesetz zu brechen, verbindet ungemein.
Dieser ganze Nimbus ginge bei einer Legalisierung wohl verloren, zumindest für Volljährige. Erfahrungen aus den Niederlanden zeigen, dass dort mehr Jugendliche kiffen als anderswo, aber unter dem Strich es weniger Leute jemals im Leben ausprobieren als in Prohibitionsländern.
Allgemein zeigt sich ein Muster, dass Länder, die auf Strafverfolgung von Drogendelikten eher verzichten und stattdessen auf andere Maßnahmen setzten, weniger Konsumenten und Süchtige haben.
Es wird alles andere als sonniger Spaziergang werden, diese Legalisierung, aber wenn es der Staat ernst meint mit dem Ziel einer gesünderen Bevölkerung, muss er dem Cannabis das coole Revoluzzer-Image nehmen, und das geht nicht ohne Legalisierung.
Und ja, Cannabis kann auch Medizin sein, aber wir reden hier ja klar von "Recreational", also Wirkungskiffen mit dem Hauptzweck, sich zu berauschen und zu entspannen. Sich gut zu fühlen, indem man sein Belohnungssystem hackt.
Ja, das ist nicht ungefährlich, wenn man mit Substanzen seine Wahrnehmungen und Empfindungen manipuliert, aber nicht unbedingt gefährlicher als so manches Glaubenssystem und so manche Lebens- oder Ernährungsweise, die dasselbe vermögen.
Die Grundfrage ist eigentlich: Wie viel von meinem Körper gehört mir, und inwieweit soll oder darf der Staat über meinen Körper verfügen und mit den Mitteln des Strafrechts die Substanzen verbieten, die ich ihm zuführen möchte?
Ich denke, der Staat bewegt sich da ethisch auf dünnem Eis, insbesondere, was Cannabis betrifft, aber auch grundsätzlich, und auch oder gerade, wenn man das Ziel einer möglichst gesunden Gesellschaft verfolgt. Es ist überfällig, aber es wird nicht unfallfrei laufen, fürchte ich.

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