Hot-Take für #MilTwitter (und alle anderen auch) zur Zukunft der #Bundeswehr.

Das grundsätzliche Problem: Wir müssen die (in Teilen nicht funktionierende) Bundeswehr der Gegenwart betreiben und gleichzeitig die Bundeswehr der Zukunft aufbauen – mit dem Personal, das wir haben.
Sehr viele Kommentare wirken auf mich so, als ob es reichte, die aktuellen Defizite zu beseitigen, um die Bundeswehr der Zukunft zu schaffen. Darin sehe ich auch eine Ursache für die Fixierung auf die Personalstärke. Das halte ich für einen fundamentalen Fehler.
Eine informierte Diskussion müsste auf plausiblen Projektionen in einem wirklich strategischen Zeitraum aufbauen (mindestens 10 Jahre). Ich sehe derzeit nicht, dass die Bundeswehr oder die deutsche Politik die dafür nötigen intellektuellen Ressourcen aufwendet.
Und: Eine solche Diskussion müsste nicht nur Einsatzszenarien, Ausrüstung und Personalstärke umfassen, sondern ganz wesentlich auch die Kultur der Streitkräfte. Hier sehe ich die Gefahr, dass wir in einen massiven Konflikt hineinlaufen. Was meine ich konkret?
Führungskräfte, die heute in die Bundeswehr starten, werden zukünftig Menschen führen müssen, deren Leben in unterschiedlicher Intensität von den Einsätzen in Afghanistan und Mali geprägt ist. Gleichzeitig haben sie keine Möglichkeit, vergleichbare Erfahrungen zu machen.
Während also in der aktuellen Bundeswehr die Truppe von den Mannschaften bis zu den Offizieren „einsatzsozialisiert“ wurde – und bereits hier gibt es massive Konflikte je nach Verwendung –, werden künftig einsatzunerfahrene Menschen einsatzerfahrene führen müssen und sie …
… dabei auf Szenarien vorbereiten müssen (LV/BV), mit denen niemand Erfahrung hat. Die Transformation der Automobilindustrie von Verbrennungsmotoren zu E-Antrieben ist verglichen damit ein Kinderspiel.

Was folgt daraus?
Die geplanten Evaluationen der Einsätze inkl. Enquete müssen zwingend auch immer mehrdimensional in die Zukunft blicken. Eine Zukunft, über die wir noch nicht einmal ansatzweise genug nachgedacht haben, und die weit über die kommende Legislaturperiode hinausgeht.
Das bedeutet auch, entsprechende intellektuelle Ressourcen zu identifizieren, aufzubauen, zu bündeln und finanziell angemessen auszustatten. Ob in Form einer Innovationsagentur oder durch massive Investitionen in bestehende Think Tanks ist zu entscheiden. Was sicher ist:
Eine weitere Kommission wird nicht reichen. Wer wirklich die Zukunft der Bundeswehr gestalten will, muss vor allem in das Nachdenken über diese Zukunft investieren.

• • •

Missing some Tweet in this thread? You can try to force a refresh
 

Keep Current with Sascha „jeton paraşütle düşüyor“ Stoltenow

Sascha „jeton paraşütle düşüyor“ Stoltenow Profile picture

Stay in touch and get notified when new unrolls are available from this author!

Read all threads

This Thread may be Removed Anytime!

PDF

Twitter may remove this content at anytime! Save it as PDF for later use!

Try unrolling a thread yourself!

how to unroll video
  1. Follow @ThreadReaderApp to mention us!

  2. From a Twitter thread mention us with a keyword "unroll"
@threadreaderapp unroll

Practice here first or read more on our help page!

More from @BendlerBlogger

17 Aug
Thread: Hot take zum Einsatz der #Bundeswehr im Rahmen der laufenden Evakuierungsoperation in #Afghanistan aus Kommunikationssicht.

Vorweg: Ich habe keinen Zweifel daran, dass alle eingesetzten Soldat*innen alles in ihren Kräften stehende tun, um Menschen zu retten.
1/x
Was ich bewerte, ist das Kommunikationsverhalten der verantwortlichen Politiker*innen sowie der Organisation Bundeswehr.

Das prägende Muster: Quasi alle kommunizieren zu spät, zu wenig und ohne sich auf den Kontext zu beziehen.

2/x
Das zeigt sich unter anderem daran, dass Erklärungen für bestimmte Entwicklungen immer nur nachgeschoben werden. Entscheidend wäre in dieser Situation, auch kommunikativ "vor die Lage" zu kommen. Das ist schwer, wenn man operativ hinterherhinkt. Möglich ist es aber dennoch.

3/x
Read 17 tweets
20 Jun
Gestern Morgen, kurz nach Sieben. Wir rollen auf den Rädern nebeneinander durch die leere Stadt. Ein Kleinwagen überholt uns – und hupt. Die Ampel kurz danach ist rot. Das Auto steht auf der für Räder vorgesehenen Fläche. Wir halten neben dem Wagen.
Die Fahrerin ist eine ältere Frau, neben ihr sitzt eine Jüngere. Ich frage: „Sie wissen schon, dass Sie auf der für Fahrräder vorgesehenen Fläche stehen?“ Keine Reaktion. Beide starren geradeaus. Das Hupen war wohl doch kein Kommunikationsangebot. Ich frage dennoch nach.
Bin ein bisschen belehrend: „Übrigens, beim Überholen müssen Sie 1,50 Meter Abstand halten.“ Der Vorsatz, nicht zu kommunizieren, scheitert. Watzlawick regelt. Die Ältere reagiert, reckt ihre Hand, die Altersflecken deutlich sichtbar, und fährt den Mittelfinger aus.
Read 5 tweets
19 Jun
@rezomusik und @TiloJung liefern selbst den eigentlichen Grund, warum die Absage von @ArminLaschet richtig war. Auch professionelle Gespräche brauchen Vertrauen und Verbindlichkeit. Dazu gehört auch, mit einer Absage klarzukommen und sie nicht zum Teil der Inszenierung zu machen.
Die Abwertung durch @georgstreiter wiederum ist ebenso unangemessen. Jede*r darf sich Journalist*in nennen (PR-Berater*in übrigens auch). Und den Begriff „Zerstörung“ will er absichtlich immer noch nicht verstehen. Das ist Teil seiner Inszenierung.
Alle Beteiligten an #LaschetKneift sind damit Brüder und Schwestern im Geiste, Darsteller*innen, denn die Welt ist eine Bühne. Sie spielen halt nur jede*r für ihr eigenes Publikum. Das ist der Weg in die weitere Spaltung. Die lässt sich wiederum hervorragend monetarisieren.
Read 4 tweets
13 Mar
Ich habe mal mit mir selbst geredet und die Frage diskutiert, warum ich Institutionen, Behörden und deren Vertreter:innen so scharf kritisiere. Meine vorläufige Antwort: weil ich mich damit auch immer selbst kritisiere.
Konkret wird das bei mir derzeit in der Auseinandersetzung darum, ein Kind vom Präsenzunterricht zu befreien. Hier steht meine Risikobewertung im fundamentalen Gegensatz zu dem der @RegHessen. Es ist nicht so, dass ich die grundsätzliche Entscheidung, die Schulen zu öffnen, ...
... nicht verstehe. Für viele Eltern und Kinder ist es genau das, was sie brauchen und sie sind bereit, das damit verbundene Risiko einzugehen. Wir nicht. Von kluger Politik erwarte ich deshalb in einer Ausnahmesituation, dass sie Entscheidungsfreiheit ermöglicht.
Read 14 tweets
11 Mar
So, zum Abend ein kleiner Thread für alle #Corona-Logik-Freund:innen. Wir setzen uns ja gerade mit der Schule auseinander, unter welchen Bedingungen ein Kind vom Präsenzunterricht befreit werden kann. Auf unsere erste Erklärung, dass uns das Risiko zu hoch ist, weil ...
... in einer Pandemie mit steigendem Infektionsgeschehen und Virusmutationen, nicht ausreichend verfügbare Schutzmöglichkeiten genutzt werden, konkret:
- verpflichtende medizinische Masken
- Lüftungsanlagen
- Schnelltests
Auf diese Argumente reagierte die Schule autoritär unter Verweis auf das Schulamt und informierte uns, dass die Abwesenheit als unentschuldigte Fehlstunden eingetragend werden müssten. Dahinter steckt eine Eskalationslogik, die bis zu Bußgeldern und Strafverfahren führen kann.
Read 10 tweets
7 Mar
In diesen Tagen jährt sich mein positiver #Corona-Test. Bereits als ich wusste, Kontaktperson 1. Grades zu sein, habe ich u.a. dank der Hilfe von @csommer den Weg für uns als Familie in die Quarantäne geplant, meine Kontakte informiert und über die 116117 einen Test anberaumt.
Der Prozess, den ich dann erlebte, war eine Begegnung mit Dilettantismus und Überforderung, den ich in Deutschland nicht für möglich hielt. Angefangen bei einer Ärztin im Bereitschaftsdienst, die mich zunächst nicht testen wollte, weil ich ja keine klaren Symptome hätte, über ...
... ein Gesundheitsamt, das nach dem Test zunächst sagte, keine Daten zu mir zu haben, um mich dann acht Tage später über einen positiven Test zu informieren, der schon eine Woche zurücklag, bis zu einem anderen Gesundheitsamt, deren Mitarbeiterin ich erst erklären musste, ...
Read 14 tweets

Did Thread Reader help you today?

Support us! We are indie developers!


This site is made by just two indie developers on a laptop doing marketing, support and development! Read more about the story.

Become a Premium Member ($3/month or $30/year) and get exclusive features!

Become Premium

Too expensive? Make a small donation by buying us coffee ($5) or help with server cost ($10)

Donate via Paypal Become our Patreon

Thank you for your support!

Follow Us on Twitter!

:(