Ihr trefft mich in einer sehr seltsamen Zeit in meinem Leben. Ich bin seit drei Jahren im Ausnahmezustand.
(Thread von mir gelesen: traffic.libsyn.com/forcedn/expidf…)
Aber von vorn: Ich bin Dennis Eckmeier.
Wer diesem Account schon eine Weile folgt, der kennt mich vielleicht schon. Ich war nämlich schon zwei Mal hier! Das letzte Mal vor drei Jahren.
Ich bin Diplombiologe. Die Biologie hat mich immer sehr fasziniert, weil sie so ein großes, komplexes System ist. Alles ist vernetzt.
Von den biochemischen Prozessen in der Zelle, über den Bauplan eines Lebewesens, dem Verhalten des einzelnen Tiers, und seiner Rolle innerhalb seiner Spezies und im Ökosystem, bis zur Entwicklung des Lebens selbst – der Evolution.
Das ist eine intellektuelle Herausforderung, an der ich mir gerne die Zähne ausbeiße.
Mein Hauptfach war Tierphysiologie. Am Zoologischen Institut der Uni Köln hieß das vor allem: Neurobiologie. Ich wollte lernen, was die elektrischen Signale im Gehirn bedeuten und wie aus Sinneswahrnehmungen Verhalten wird.
Auf intellektueller Ebene gefällt mir die Vorstellung von Menschen und Tieren als ‚kybernetische Systeme‘, die Informationen über die Umwelt aufnehmen, verarbeiten und sich entsprechend verhalten.
Nicht, dass ich nicht auch ganz oberflächlich und emotional, die Wunder der Tierwelt bestaune. Aber es steckt halt auch so viel unter der Oberfläche, was es zu entdecken gibt.
Tiere können vieles, was wir nicht können. Zumindest nicht ohne technischen Aufwand. Deshalb wollte ich ganz konkret Tiere erforschen, und diese nicht als „Modell für den Menschen“ betrachten. Das können andere tun.
Aber natürlich stimmen die Forschungswünsche und die Forschungsrealität nicht 100% überein. Weder waren die Fähigkeiten der Tiere immer spektakulär, noch konnte ich ganz auf das Framing als "Modell" verzichten.
In der Diplomarbeit habe ich daran geforscht, wie Männchen der Chinesischen Rotbauchunke ihre Rufe koordinieren.
Für meine Doktorarbeit in Bielefeld habe ich daran geforscht, wie Zebrafinken ihre visuelle Wahrnehmung stabilisieren und Tiefe sehen. Die Doktorarbeit war eine tolle Zeit, in der ich unglaublich viel gelernt habe.
Als Postdoc habe ich an Mäusen geforscht. In Cold Spring Harbor Laboratory, USA, ging es um Geruchserinnerungen. Das ist für Säuger wichtig für die soziale Bindung. Und am Champalimaud Research Institut in Lissabon habe ich an der Bewegungskoordination beim Laufen geforscht.
Immer ging es um die Aktivität von Nervenzellen in den zuständigen Hirngebieten und auch um das Verhalten an sich.
Das waren alles sehr zeitaufwendige Projekte. Es gab für diese Art Forschung keine Standardlösungen zu kaufen. Die Aufbauten musste ich erst einmal konzipieren, planen, bestellen, bauen und die Steuerung und Datenaufnahme programmieren.
So habe ich viele technische Methoden gelernt: für das Messen und Auswerten von Tierverhalten mittels Video- oder Audioaufnahmen, oder das Messen und Auswerten von neuronaler Aktivität. Meistens mit Elektroden. Und, wenn möglich, alles gleichzeitig. Spannend, aber zeitaufwendig.
Wegen dieses Aufwands, und weil man mich daran hinderte, nebenher andere Projekte zu machen, habe ich nicht viele Veröffentlichungen in der Zeit zusammenbekommen.

Das war ein Problem für Fördermittelanträge.
Ich bekam hohe Punktzahlen für meine geplanten Projekte, die Ausstattung des Instituts, die Wahl der Mentoren, und auch meine Erfahrung sei super; aber ich hätte nicht genug Artikel veröffentlicht. Ich sei also "nicht produktiv".
Nach 7 Jahren Postdoc - ich war 39 – konnte ich mir ausrechnen, dass sich mindestens 5 Jahre lang meine Situation komplett hätte wenden müssen, um auch nur eine kleine Chance auf eine Führungsposition zu haben.
Keine Führungsposition bedeutet fast immer auch keine unbefristete Anstellung mit Kündigungsschutz.

Eine Verbesserung war nicht wirklich in Aussicht.

Ich zog die Reißleine.

(Fortsetzung folgt)

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6 Nov
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Mein Ziel mit dem Podcast ist es, anhand spannender Forschungsarbeiten, das Berufsleben und Arbeiten von Wissenschaftler*Innen zu vermitteln. Also, ein realistisches Bild von der Wissenschaft zu zeichnen.
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(Thread von mir gelesen: traffic.libsyn.com/forcedn/expidf…)
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30 Oct
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Abgesehen davon, dass Elmers in einem Nebensatz behauptet, „Millionen von illegalen Einwanderern“ würden sich nie kulturell einleben und seien „rechtlich wie auch politisch Fremde“ (a lot to unpack even here), formuliert er den Kern des Christlichen Nationalismus ganz deutlich:
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