Ich habe ja im letzten Thread geschrieben, wie wichtig ich Vertrauen in die Wissenschaftskommunikation und -kommunikatoren finde. Das wirkt sich natürlich auf meinen Podcast aus.
Mein Ziel mit dem Podcast ist es, anhand spannender Forschungsarbeiten, das Berufsleben und Arbeiten von Wissenschaftler*Innen zu vermitteln. Also, ein realistisches Bild von der Wissenschaft zu zeichnen.
Wenn ich ein potentielles Thema für den Podcast aussuche, schaue ich zuerst die Pressemitteilungen nach Themen durch, die mich auch interessieren und mit denen ich mich schon einmal etwas beschäftigt habe.
Die Pressemitteilung suche ich erst einmal nach Teilen ab, die mir komisch vorkommen. Wo ich zum Beispiel das Gefühl habe, da wurde vielleicht etwas viel versprochen.
Wenn ich so eine Stelle finde, dann schaue ich auch in die Originalpublikation. Da ist es natürlich am besten, wenn der Artikel Open Access publiziert ist. Ansonsten schreibe ich die Autoren an und bitte um das Paper, bzw. um Klärung von Fragen.
Mit diesem Wissen mache ich dann erst einmal ein Kurzvideo zu der Meldung. Das für die heute veröffentlichte Folge sieht zum Beispiel so aus:
Die Resonanz in den sozialen Medien, aber natürlich auch meine eigenen Vorstellungen, gehen dann in die Entscheidung ein, ob daraus eine vollständige Podcastfolge werden soll.
Wenn von Seite der Forschenden Interesse besteht – und das ist meistens der Fall - machen wir ein Interview, das dann auch gleich aufgenommen wird.
Um die Gäste vorstellen zu können, frage ich dann zunächst nach deren Werdegang. Warum sind sie in der Wissenschaft? Was ist deren Vorerfahrung? Warum haben sie diese Forschung ausgewählt? Das hilft dem Publikum, die Forschenden als Menschen einordnen zu können.
Auch das halte ich für wichtig, weil in der Öffentlichkeit viele Stereotype von Wissenschaftler*Innen vorherrschen. Darunter auch oft – in meinen Augen skurrile – Vorstellungen von deren Intentionen.
Zu einer guten „Story“ gehört natürlich auch, welche Hürden sie überwinden mussten, um die Forschung durchführen zu können. Oft wird Forschung als geradlinige Geschichte dargestellt. Das ist sie aber natürlich nicht.
Außerdem gehören Hürden zu einer guten Geschichte dazu. Ich frage auch nach Anekdoten zu verschiedenen, einschneidenden Momenten. Das zeigt die Forschenden in einem authentischen Licht.
Die Forschenden mit mir über ihre Arbeit wie in einem Gespräch mit einem Kollegen. Je nach Situation bitte ich die Interviewten dann um einfachere Erklärungen, oder ich notiere, wenn ich selbst die Erklärung schreiben möchte.
Überrascht sind sie manchmal, wenn ich bei den Methoden etwas nachhake. Über die wird in den meisten Wisskomm-Beiträgen praktisch gar nicht gesprochen. In der Wissenschaft sind die Methoden aber extrem wichtig, um eine Arbeit einschätzen zu können.
Und schließlich möchte ich wissen, was die Arbeit bedeutet – im wissenschaftlichen Kontext, aber auch im gesellschaftlichen. So habe ich meinen Gast diesmal auch nach seiner Meinung zur Ethik von Forschung an Affen befragt.
Auch, wie es für die Forschenden nach der Arbeit weitergehen wird ist ein wichtiger Bestandteil einer vollständigen Geschichte.
Für das Skript gehe ich dann erst einmal das Interview durch und schneide mir Clips von Sprechbeiträgen der Gäste zusammen. Die sortiere ich dann so, dass sie in ein klassisches Storytelling-Schema passen.
Meist muss man da gar nicht viel sortieren, weil ganz reale Forschungsgeschichten ganz hervorragend in das klassische 3-Akt-Schema passen. Aber in einem natürlichen Interview springt man eben manchmal vor und zurück.
Storytelling wird oft mit fiktionalen Geschichten assoziiert. Aber auch reale Geschichten haben die Elemente, die eine Geschichte ausmachen. Es gibt immer einen Kontext und eine Vorgeschichte, die den ersten Akt ausmachen.
Auch die erste Erwähnung von Mentoren, Mitarbeitern und Kooperationspartnern kommen in diesem Teil vor – ebenfalls Elemente, die man im Storytelling findet und in der Forschungsrealität halt meist auch so stattfinden.
Die Erzählung von den Forschungsarbeiten ist der 2. Akt, indem Schritt für Schritt Experimente („Hürden“) und deren Ergebnisse vorgestellt werden, bis man zum Endergebnis kommt. Da muss man überhaupt nichts verdrehen, so geht Wissenschaft.
Und schließlich, im Akt 3, geht es darum, wie sich die wissenschaftliche Erkenntnis und die Forschenden durch diese Arbeit verändert haben. Wie denken die Forschenden über ihre Ergebnisse? Was kommt nach dieser Arbeit?
Dann überlege ich mir, wo man verkürzen kann. Dabei gehe ich genauso vor, wie beim Schreiben eines Fachartikels. Bei jedem Punkt frage ich mich: muss man diese Details wissen und verstehen, um dem weiteren Verlauf folgen zu können.
Dabei geht es gar nicht einmal darum, Dinge zu „verdummen“, sondern es geht darum, das Publikum nicht in die Irre zu führen. Wie gesagt, das macht man auch, wenn man Fachartikel schreibt.
Dafür gehe ich dann an manchen Stellen extra in die Tiefe. Es gibt in jeder Folge ein oder zwei Stellen, wo wir Fachbegriffe und – wie schon erwähnt – Methoden erklären. Da erklären wir auch Dinge, die man einem Fachpublikum nicht erklären muss.
Selbst wenn der oder die ein oder andere Hörer*In an diesen Stellen nicht folgen kann, glaube ich, dass man grundsätzlich dem Publikum auch etwas zutrauen muss. Sie ernst nehmen. Schließlich sind sie hier, um etwas zu lernen.
Das Skript besteht dann aus diesen Erklärungen und aus Kommentaren und Übergangserzählungen, die die Clips miteinander verbinden. So entsteht die Geschichte.
Auch bringen @BartGeurten und ich uns selbst ein. Bevor es los geht gibt es in jeder Folge einen Teil, in dem ich uns vorstelle und unsere Ziele mit dem Podcast erkläre. Und ein bisschen Smalltalk zum kennen lernen.
Am Ende der Folge kommentieren wir dann noch einmal die ganze Geschichte aus unserer Sicht, was hoffentlich auch das Publikum zum weiteren Nachdenken über das Gehörte animiert.
Gleich kommt die neue Folge raus. Und wie immer frage ich mich dabei: Habe ich mein Ziel erreicht?

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