Die juristische Aufarbeitung der NS-Verbrechen in Deutschland war von 2 großen Lebenslügen geprägt. 1.: Im KZ habe es auch unschuldige Tätigkeiten gegeben. Nicht jeder Wachmann sei am Verbrechen beteiligt gewesen. Mit dieser Begründung…
…haben deutsche Strafgerichte jahrzehntelang darauf bestanden, dass einem KZ-Wachmann erst einmal individuell eine bestimmte Gewalttat nachgewiesen musste. Sonst könne es ja sein, dass er gar nichts Verbrecherisches getan habe.
Diese Sichtweise hat die Justiz erst 2011 hinter sich gelassen, in dem Münchner Urteil gegen den einstigen KZ-Wachmann im Vernichtungslager Sobibor, John Demjanjuk. Da war es freilich schon zu spät, um noch relevant zu sein für viele Tausend deutsche KZ-Wachleute.
2. Lebenslüge: Es seien bloß die großen Männer dort oben gewesen. Hitler, Himmler, Heydrich. Die kleinen Leute dagegen hätten bloß mitgemordet, ohne mit dem Herzen dabei zu sein. Ohne es wirklich zu wollen. Dieser Stammtischmythos…
..wurde auch an hohen Gerichten gepflegt. Sie setzten ihn juristisch wie folgt um: Menschen, die in KZs Dienst taten, wurden in der Regel nicht wegen Mordes angeklagt – sondern nur wegen „Beihilfe“ zum Mord. Das ist ein riesiger Unterschied.
Anstatt lebenslanger Freiheitsstrafe konnten die Gerichte so recht flexibel auch geringe Strafen festsetzen. Drei, vier Jahre Gefängnis… Und so tun sie es bis heute. Diese 2. Lebenslüge ist bis heute nicht aufgegeben worden.
Im @rbbKultur habe ich eine Stunde lang mit dem Juristen Thomas Walther diskutiert, der vor ein paar Jahren als Störenfried in der Justiz großen Anteil daran hatte, Lebenslüge Nr.1 zu beenden. Ein Kämpfer für Aufklärung. Heute vertritt er als Anwalt Nebenkläger in NS-Prozessen.
Aber wir sind uns in einigen Punkten auch nicht einig gewesen. Ich finde, es hat etwas Obszönes, dass wir bei dem Mord an einer einzelnen Person heute davon ausgehen, da kommt „lebenslang“ bei raus. Aber …
…bei dem Mord an Tausenden oder Zehntausenden KZ-Opfern gewöhnen wir uns schon fast daran, dass am Ende zwei, drei Jahre, teils auf Bewährung, herauskommen. Hier geht’s zum Gespräch mit Thomas Walther: rbb-online.de/rbbkultur/radi…
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Es ist beunruhigend für Jurist*innen, bei einem Besuch im Haus der Wannsee-Konferenz die Lebensläufe der Männer zu lesen, die dort einst bei einem Arbeitsfrühstück die Ermordung der europäischen Juden besiegelten. „Ordentliche“ Juristenlebensläufe. 1/4
Auch die Sprache, die sie in ihrem Schriftverkehr pflegten, ist heutigen Jurist*innen unheimlich vertraut. Wer sich diese Zeit nimmt, der sieht seine eigene juristische Profession danach mit anderen Augen. Es ist beunruhigend, aber es ist eine gute Beunruhigung. 2/4
Die Legende, wonach Juristen im NS im Großen und Ganzen neutral geblieben seien, als nüchtern-ideologieferne Techniker des Rechts, ist noch sehr lange gepflegt worden. Die deutsche Juristenschaft hat es sich hinter dieser Verdrehung der Tatsachen gemütlich gemacht. 3/4
Richterin am Amtsgericht Lena Dammann (Amtsgericht Hamburg-St. Georg), Oberstaatsanwalt Andreas Franck (Generalstaatsanwaltschaft München), Generalstaatsanwalt a.D. Helmut Fünfsinn (Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main),
Richter am Landgericht Christoph Gerken (LG Hamburg), Oberamtsanwältin Julia Grothues-Spork (Amtsanwaltschaft Berlin), Richter am Sozialgericht Claudius Hübbe (Hamburg), Richterin am Landgericht Lisa Jani (Landgericht Berlin),
Viele Jazzclubs in Berlin in den 1920ern wurden von Arabern geführt. Sie waren auch ein Schutzraum für jüdische Musiker. Kleiner Thread
Auf einer Fläche von 5000 Quadratmetern westlich der Gedächtniskirche am Ku’damm drängelten sich ein gutes Dutzend Bars: die Königin-, Roxy-, Uhu-, Kakadu-, Rosita- und Patria-Bar, mittendrin das Orient-Restaurant Schark („Osten“ auf Arabisch) in der Uhlandstraße.
Livrierte Portiers scheuchten alle außer den sehr elegant und vornehm wirkenden Besuchern davon, wodurch – wie M.H.Kater in „Gewagtes Spiel. Jazz im NS“ (1995) zeigt - auch die verhassten Spione der Reichsmusikkammer ferngehalten wurden, die sich stets schäbig kleideten.
Von 1. Februar an sollen #Facebook, #Twitter und Co. strafbare Äußerungen nicht nur blocken, sondern beim @bka anzeigen. Beschlossen wurde das schon 2020, Herzstück des Groko-„Maßnahmenpakets gg Rechtsextremismus und Hasskriminalität“.
Nun ist klar: Nope. Wird so nicht kommen.
Denn Facebook und Google protestieren mit „Eilanträgen“ gegen diese #Anzeigepflicht - ein Novum in Deutschland- beim Verwaltungsgericht Köln. Diese „Eilanträge“ (von Juli 2021) ziehen sich ewig lang hin, ohne dass entschieden würde.
Diese beiden Verfahren haben zwar überhaupt keine „aufschiebende Wirkung“. Aber das @bmj_bund hat im August von sich aus zugesicherrt: Wir verzichten vorerst freiwillig auf die Durchsetzung der Anzeigepflicht.
Heute & gestern sind in #Berlin 21 Menschen aus dem Gefängnis spaziert. Sie hatten nur wegen #Schwarzfahren|s eingesessen - 12 Männer (JVA Plötzensee), 9 Frauen (JVA Lichtenberg).
Spender/innen haben sie freigekauft.
Thread👇
„Beförderungserschleichung“, 265a StGB, ist ein Straftatbestand, an dessen Sinn auch viele Politiker/innen zweifeln, zuletzt NRW-Justizminister Biesenbach (CDU). Es geht bei jeder individuellen Tat bloß um Kleingeld. Die Verkehrsbetriebe missbrauchen die Justiz als Inkassobüro.
Gleichzeitig ist bei keiner anderen Straftat das Risiko so hoch, dass der/die Verurteile zahlungsunfähig ist. Die Folge: Die Geldstrafe muss in Haft abgesessen werden. So kommen jedes Jahr 7000 Menschen in Deutschland wegen bloßen Schwarzfahrens in „Ersatzfreiheitsstrafe“.
Okay ich will‘s verraten - die letzten 2 Jahre habe ich an einer großen Recherche gearbeitet, und jetzt ist es soweit:
Wie eklatant die Justiz Arme und Reiche ungleich behandelt
Kann man jetzt vorbestellen + unterstützen. Hier kleiner Thread👇
Ich war in Gerichtssälen, habe Urteile und Studien ausgewertet zu Punkten wie diesen:
Anders als in vielen EU-Staaten bekommen mittellose Angeklagte in Deutschland nur selten eine/n Verteidiger/in gestellt. Meist hängt es von ihrem Geldbeutel ab.
Wenn sich Menschen doch einen Anwalt leisten können, dann macht die Kaufkraft einen enormen Unterschied: Statistische Untersuchungen zeigen, dass teure Privatverteidiger sehr viel mehr Freisprüche erstreiten.