Diese Chronologie einer epischen Fehleinschätzungslawine zu Lasten der Kinder in Deutschland muss man bis zum Ende lesen. Und sacken lassen.

Der Text arbeitet ohne Wertung, ausschließlich mit Zitaten und kurzen Berichten, ob die Auswahl gebiased ist,

sueddeutsche.de/projekte/artik…
mag jeder für sich selbst einschätzen.

Mehr als das ist mE. aber auch nicht nötig, um zu Erkennen, dass ein Muster von Fehleinschätzungen Weniger, verbunden mit der Nicht-Kommunikation von Unsicherheit und der kollektiven Leichtgläubigkeit Vieler, die junge Generation unnötig
& entgegen dessen was an Daten zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbar war, ihres altersgerechten Alltages entzogen hat. Es zeigt auch, wie sich, trotz zunehmender Informationen Narrative von der Wissenschaft entkoppelt und politisch selbstständig gemacht haben. Zu welchen Folgen das
führt, zeigt aktuell die Debatte um Wechselunterricht in Zeiten, in denen sich jedes Kind ab Schuleingang zusätzlich mit Impfungen schützen kann.
Der Text zeichnet nach, wie das zu Beginn richtige Handeln (Handeln, so lange wir nicht wissen womit wir es zu tun haben) in eine Schockstarre übergegangen ist (Handeln so lange wir nicht ausschließen können, dass wir nicht alles wissen), die weder wissenschaftlich zu erklären,
noch politisch zu rechtfertigen ist.

Es zeigt die Rolle des @derspiegel, der immer & immer wieder sehr selektiv Studien heraus greift, die den Narrativ der Bedrohung unterstützen, der Daten falsch wieder gibt oder mit reißerischen Überschriften hinter einer Paywall versteckt,
der wissenschaftliche Konjunktive als Tatsachen formuliert und immer wieder als Grundlage für politische Entscheidungen zitiert wurde.

Allen mit einem fassungslos machenden manipulativen Duktus vorneweg, @bredow, die zwar mit einem Biologiestudium gesegnet ist, aber nie
wissenschaftlich tätig war und leider daher keinerlei Gefühl für die - zu berücksichtigenden - Feinheiten wissenschaftlicher Kommunikation entwickelt zu haben scheint.

Der Artikel zeigt, wie immer und immer wieder über den Daumen gepeilte Zahlen von WissenschaftlerInnen und
ÄrztInnen, ohne Prüfung der Validität, zu Wegweisern politischer Entscheidungen wurden. Die Wirkung jeder einzelnen Fehleinschätzung kann somit kaum übererfasst werden.

Die Rolle der Maßnahmen für die soziale und psychische Entwicklung wurde mehrfach hervor gehoben, die Warnrufe
verhallten jedoch weitestgehend in reinen Willensbekundungen. Appelle der Menschenrechtskommissarin des Europarats und UNICEFS im Sommer 2021 wurden medial kaum aufgegriffen. Statt dessen berichtet der Spiegel über die psychischen Folgen der Angst vor Infektion, schreibt die
Kinderwelle los und darüber und ob Boris Palmer seine Kinder impfen lässt oder nicht.
Das verstehe ich nicht unter dem Informationsauftrag von Journalismus und sollte dringend intern aufgearbeitet werden!
Der Artikel zeichnet nach, dass @c_drosten , entgegen seiner Behauptung, nicht politisch zu agieren, sehr wohl politisch agiert hat. Was grundsätzlich kein Problem gewesen wäre, so lange er das kenntlich gemacht hätte, ebenso wie die signifikante Unsicherheit, mit der seine
Empfehlungen anfangs belegt waren. Und das liegt ja in der Natur der Sache, niemand hätte ohne Daten belegbarer argumentieren können, andere Schlüsse wären aber stellenweise durchaus möglich gewesen. Die Nicht-Kommunikation der Unsicherheit hat in der Politik aber eine Sicherheit
vermittelt, die es nie gab.
Das interpretatorische Zurechtbiegen seiner Viruslaststudie (möglicherweise seien die Tupfer schuld - ergo: wir haben eine Studie gemacht, aber vermuten einen systematischen Fehler weshalb wir unseren Ergebnissen nicht vertrauen; man höre und staune -
eine solche Aussage kommt in Science unter!) zeigt mE. dass es hier durchaus nicht nur um reine Wissenschaft geht, sondern eben auch um die damit verbundenen politischen Konsequenzen - Es wäre wissenschaftlich jedenfalls kein Beinbruch gewesen, die kritikwürdige Statistik des
ersten Preprints abzuhaken und die durch zusätzliche Daten massiv aufgewertete (und wichtige!) Studie in ihrer Schlussfolgerung schlichtweg neu zu bewerten.

Ingesamt ist man aber hinterher immer schlauer und es ist leicht, retrospektiv zu kritisieren. Daher ist das alles
irgendwie zu nachvollziehbar und menschlich, ich wünschte aber er würde heute mit seiner politischen Rolle rückblickend ehrlicher umgehen.

Eine deutlich ausgeprägtere toxische Rolle auf das Geschehen hatte aus meiner Sicht @Karl_Lauterbach .
Sein Alarmismus zieht sich durch
die gesamte Schließungs- und Maßnahmendebatte der letzten zwei Jahre, er zweifelt aber sonstige Schäden durch Lockdown und Co an.
Dass jemand, der so oft seine persönliche Interpretation unsicherer Daten als absolute Wahrheit verkauft hat, um am Ende doch mehr daneben als richtig
zu liegen, jetzt Bundesminister für Gesundheit ist, ist der jüngste Schildbürgerstreich einer Bundesrepublik, die bei der Auswahl ihrer Entscheidungsträger mittlerweile Erfahrung darin hat, die schlechteste mögliche Wahl zu treffen.
Als Kirsche kommt nur noch on top, dass Lauterbach schon in den Nuller Jahren maßgeblich an der politisch-wirtschaftliche Degeneration des Gesundheitswesens in das neokapitalistisches Fliesbandsystem mitgewirkt hat, das heute die Verknappung von Intensivbetten belohnt.
Ich für meinen Teil muss den Artikel erstmal sacken lassen.

Ich warte auf den Tag, an dem wir alle miteinander wieder in der Lage sein werden, Fehler und tragische Verläufe anzuerkennen und daraus zu lernen. Was hier passiert ist, ist nicht „Follow the Science“ - es war
„follow selektiv einem Narrativ“, einem, das einmal gesetzt, hartnäckig bis heute immer wieder verbreitet und gehuldigt wird.

Es geht nicht darum, sinnvolle Infektionsschutzmassnahmen im jeweiligen zeitlichen Kontext (und die verschiedenen Phasen der Pandemie hatten zT. völlig
unterschiedliche Grundvoraussetzungen (von „wir wissen nicht womit wir es zu tun haben“ bis zu „jede/r SuS kann sich impfen lassen“) zu hinterfragen.
Es geht um die Frage, wie sich in einem dynamischen Kontext die Debatte immer wieder um die härteste aller Optionen,
Schulteil- und vollschliessungen, drehen konnte und wie sich ein früher Versuch, die Situation zu bewerten in ein narratives Schreckgespenst verwandeln konnte, das selbst jetzt, mit Impfung und viel mehr Wissen über die Verbreitungswege, immer noch - weitestgehend zu Unrecht -
die soziale und politische Debatte im Kontext Pandemiebekämpfung bei Kindern dominiert.
Nachtrag:
Ich habe die Kommentarfunktion (noch) nicht gesperrt. Bitte haltet ein Minimum an Umgangston ein.

Ich formuliere oft hart, aber es gibt eine Gürtellinie - halte ich Lauterbachs Studieninterpretationen für kompetent? Nein. Glaube ich dass er der Richtige für sein Amt
ist? Auch nein.
Würde ich mir persönliche Spekulationen über sein Privatleben oder seinen Geisteszustand anmaßen? Nein! Und das gehört sich auch nicht.
Bitte achtet die Grenzen, sonst mache ich hier wieder zu.
Und leider habe ich eingangs vergessen, die Autoren von @m_grill, Georg Mascolo, @paulemunz und @TobiasZick zu taggen. Danke für diesen Artikel.

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jamanetwork.com/journals/jaman…

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