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Feb 11 23 tweets 7 min read
Alles richtig gemacht? Der Mord an Walter #Lübcke wurde weder verhindert noch vollständig aufgeklärt! Beim Lübcke-Untersuchungsausschuss konnte sich heute ein eigenes Bild von den Behörden-Behauptungen gemacht werden. Es zeigt sich: Die Ermittlungen haben große Lücken. Thread👇
Der erste Zeuge des Tages war Oberstaatsanwalt Dieter Killmer, der die Ermittlungen beim GBA nach dem Mord an Walter #Lübcke leitete. Er vertrat den GBA auch im Prozess zum Mord an Lübcke und zum Angriff auf Ahmed I., der vor einem Jahr endete.
Zur Erinnerung: Der Prozess zum Mord an Walter #Lübcke und zum Angriff auf Ahmed I. endete mit einem Quasi-Freispruch für Markus Hartmann wegen Beihilfe zum Lübcke-Mord und einem Freispruch für Stephan Ernst wegen des Angriffs auf Ahmed I.
Die Befragung Killmers hatte heute als Schwerpunkt die Waffen im #Lübcke-Komplex. Er betonte zunächst allgemein, es habe keine Ermittlungsfehler beim LKA Hessen gegeben. Die Zusammenarbeit mit den LfV Hessen sei so transparent und gut gelaufen, wie er es noch nie erlebt habe.
Killmer berichtete, es habe im Mittelpunkt gestanden, woher die Waffen kamen, denn dies hätte evtl. zu weiteren Tätern führen können. Nur bei der Tatwaffe habe es dazu ein Ergebnis gegeben. Der mutm. Waffenhändler wurde allerdings kürzlich freigesprochen.
Die Ermittlungen hätten sich außerdem um Schießübungen von Ernst und Hartmann in Schützenvereinen und im Wald gedreht. Die Schießbücher der Vereine seien allerdings nicht vollständig und im Wald konnte nur eine mögliche Stelle gefunden werden.
Stephan Ernst hatte angegeben, dass Markus Hartmann Waffen in Erddepots im Reinhardswald vergraben habe. Killmer: Diese zu finden, wäre sehr wichtig gewesen. Er musste auf Nachfragen allerdings einräumen, dass man im Wald selbst nicht danach gesucht habe, da dieser zu groß sei.
Gefragt nach Sprengstoff sagte der Zeuge, man habe bei Ernst Anleitungen zur Nutzung von Sprengstoff in Zusammenhang mit Feindeslisten gefunden. Das LfV hat 2013 nach einer Überprüfung angegeben, Ernst sei in der Lage, eine Rohrbombe herzustellen und einen Anschlag herbeizuführen
Killmer fügte hinzu, dass es auch bei den Ermittlungen zu Hartmann um Sprengstoff und entsprechende Chemikalien gegangen sei.

Insgesamt seien viele Waffen und viel Munition gefunden worden. Ernst besaß nur illegal Waffen, Hartmann hatte eine Waffenbesitzkarte. Wie
Killmer sagte zum Angriff auf Ahmed I., er sei der Überzeugung, dass Ernst diesen begangen habe, daher habe er auch Revision gegen das Urteil eingelegt. I. war am 06.01.2016 niedergestochen worden. Die mögliche Tatwaffe wurde aber erst nach dem #Lübcke-Mord bei Ernst gefunden.
Der These, dass Walter #Lübcke noch leben könnte, wenn nach dem Angriff auf Ahmed I. richtig ermittelt worden wäre, folge er aber nicht, so Killmer. Ernst wurde 2016 befragt, es habe keine Grundlage für eine Durchsuchung gegeben.
Zur Erinnerung: Nach dem Angriff auf Ahmed I. wurde insbesondere in seinem Umfeld ermittelt. Bei zwei Verdächtigen fanden Durchsuchungen statt. Hintergründe: zeit.de/gesellschaft/z…
Der zweite Zeuge war der ehem. Pressesprecher des Regierungspräsidium Kassel, Michael Conrad. Er arbeitete zehn Jahre mit Walter #Lübcke zusammen. Sie hätten jeden Tag gefrühstückt, Lübcke mochte keinen formalen Besprechungen. Zu runden Geburtstagen luden sie sich gegenseitig ein
Conrad wurde zur Bürgerversammlung in Lohfelden 2015 und den Drohungen danach befragt: #Lübcke informierte über eine Geflüchtetenunterkunft, wurde dabei koordiniert von Kagida-Anhänger*innen provoziert. Seine Reaktion wurde von Hartmann gefilmt und gekürzt ins Netz gestellt.
Conrad berichtete, schon am nächsten Tag seien viele Drohmails eingetroffen. Ihn habe besonders geärgert, dass die Äußerungen Lübckes auch in der medialen Berichterstattung verkürzt dargestellt wurden. Das änderte sich erst nach einer Pressemitteilung des Regierungspräsidums .
Conrad war selbst bei der Bürgerversammlung, habe die Welle der Empörung nach der Entgegnung Lübckes erlebt. Er sei stolz auf seinen Chef gewesen, hätte ihn danach am liebsten umarmt. Er sei der Meinung, #Lübcke habe nichts, wofür er sich entschuldigen müsse.
#Lübcke bekam Polizeischutz, damit sei die Sache für ihn, Conrad, erledigt gewesen. Er habe 2019 das erneute Aufflammen der Hetze - u.a. durch Erika Steinbach - gegen seinen Chef nicht mitbekommen. 2015 hatte er das Gefühl, dass Lübcke die Bedrohung gegen ihn heruntergespielte.
Michael Conrad verlor am 1. Juni 2019 mit dem Mord an Walter #Lübcke seinen Chef und offensichtlich auch einen Freund. Dennoch bekundeten weder der Ausschuss-Vorsitzende noch die Abgeordneten in der öffentlichen Sitzung ihr Beileid.
Der dritte Zeuge war von 2015 bis Anfang 2018 Leiter des Staatsschutz-Kommissariats Nordkassel. Er beantwortete die Fragen des Untersuchungsausschusses knapp und konnte zu einem Beweisthema, der Teilnahme von Ernst und Hartmann an rechten Veranstaltungen, nichts sagen.
Der Zeuge gab an, man habe 2015 das Video der Lohfelden-Bürgerversammlung gesichert, habe aber nicht versucht zu ermitteln, wer das Video erstellt habe. Es seien ständig Videos von Veranstaltungen im Netz, da geschehe das auch nicht, es sei keine Straftat zu erkennen gewesen.
Walter #Lübcke wurde aufgrund des Videos massiv bedroht und unter Polizeischutz gestellt. Der Zeuge selbst beriet ihn damals. Das Video habe er aber nie gesehen gab der Zeuge an, das sei beim Arbeitsaufwand als Kommissariats-Leiter nicht möglich gewesen.
Der Zeuge sagte, sie hätten Kagida als Staatsschutz stets begleitet, Ernst und Hartmann seien dort aber nicht festgestellt worden. Auf Nachfrage sagte er, sie hätten nie Videos gesehen, angefertigt oder angefordert. Beide hätten während seiner Dienstzeit keine Rolle gespielt.
Zur ganzen Situation 2015 sagte der Zeuge: "Es ist ja nur so eskaliert, wegen der Äußerungen von Herrn #Lübcke, sonst hätte es diesen Aufruhr nie gegeben."

Unser ausführlicher Bericht der heutigen Sitzung folgt.

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