Thread by @buon_anni

Guten Morgen vom Landgericht Bonn! Ich beobachte heute den 2. Verhandlungstag im Prozess gegen #CumEx-Schlüsselfigur Hanno Berger. Bislang ist Bonn vom Sturmtief Nasim verschont geblieben, Mal sehen ob’s drinnen stürmischer wird. Bericht später hier👇

Heute steht die Zeugenvernehmung zweier Finanzbeamter auf dem Plan. Was dröge klingt, war in früheren #CumEx-Prozessen teils spektakulär, angesichts der erschreckenden Einblicke darin, wie achtlos Milliardensummen an Steuern erstattet wurden…

Meinen Bericht zum Prozessauftakt gibt es hier zu lesen: tagesschau.de/wirtschaft/fin…

Der Umzugskarton mit Bergers Unterlagen steht bereits parat. Am 1. Verhandlungstag musste das Stück mit Bergers 9 Akten noch mühsam im Gebäude gesucht werden, bevor es losgehen konnte.

Verhandlungstag beginnt mit einer Überraschung: Hanno Berger präsentiert einen Wahlverteidiger Dr. Richard Beyer Vor Beginn redet Berger auf seine Verteidiger ein. Seine Stimme schwirrt durch den Raum. Deutlich ist das Wort „gelogen“ zu hören

„Mr #CumEx“ ergreift zum 1. Mal das Wort selbst. Berger beschwert sich über die Haftsituation in Köln-Ossendorf: „Ich bin einiges gewohnt, bin auch kein Querulant. Ich möchte keinen Ärger in der Jva, aber ich glaube, es ist nicht unbedingt menschenwürdig, wenn

man in einem Raum untergebracht ist, der verpilzt ist, verdreckt ist. Es ist Realität, es gibt nur Wasserhahn, keinen Wasserkocher, nicht mal einen Tee. Es gab nur ungetoastetes Toastbrot mit einer Schablette Käse, eine wässrige Suppe. Später, als mein Anwalt da war...

stand das Essen auf dem Zimmer, zusammengebackener Reis mit etwas Soße drauf und das wars. Das ist nicht Etwas, was man noch hinnehmen kann. Ich erlebe eine dramatische Änderung meiner Lebenssituation. Es ist mir wichtig, dass das Coram publico gesagt wird.

Ich möchte gleich behandelt werden, keine Sonderbratwürste.“ Berger wolle sich verteidigen, das komme später noch. Aber er spüre, dass die Kräfte schwinden...

Kaum hat Berger einen Wahlverteidiger, schon gibt's richtig Ärger im Saal. Schon während Richter Zickler den Zeugen vom Bundeszentralamt für Steuern befragt, ist Berger unruhig. Immer wieder steht er auf, kramt in seinem Karton nach Unterlagen, schiebt den Anwälten Dokumente zu

Teilweise fällt Berger dem Zeugen ins Wort, beantwortet die Fragen des Richters selbst. Dann ist seine Verteidigung an der Reihe, Fragen zu stellen - und der Streit bricht sich Bahn. Berger beobachtet mit sichtbarem Unmut die Fragetechnik seines Wahlverteidigers Richard Beyer

Dann schaltet Berger sein Mikrofon ein, das Lämpchen leuchtet rot. Berger setzt an, nun selbst den Zeugen zu befragen. Sein Verteidiger schlägt nach seinem Mandanten "Stopp jetzt. Beyer bittet darum, die Verhandlung zu unterbrechen. "Ich hätte mich gern abgestimmt." jetzt: pause.

Auch nach der kurzen Pause ist Bergers Wahlverteidiger noch an Bord. Anwalt Beyer liest die Fragen ab, es geht viel um steuerrechtliche Einschätzungen. Dann beugt sich Berger wieder vor, erneut leuchtet das rote Lämpchen rot. Eine Frage würde er gern selbst stellen

Bergers Wahlverteidiger steht das Entsetzen ins Gesicht geschrieben, er rudert mit den Armen. Vergebens. Berger fragt den Beamten nach seiner Einschätzung zu der Auslegung des Investmentsteuerrechts. Dieses Mal ist es der Richter, der den Angeklagten unterbricht: „Sie sind im

Strafrecht sicherlich nicht so zu Hause. Wir können hier nur Tatsachen anfragen, keine Mutmaßungen“. Danach Mittagspause. Das Gericht bietet Berger eine warme Suppe an. Nach der Pause geht’s mit einem Referatsleiter des Bundeszentralamts für Steuern weiter

Nach der Mittagspause erscheint ein Pflichtverteidiger von #CumEx-Schlüsselfigur Berger nicht mehr (anderer Termin), der zweite Pflichtverteidiger vollzieht in seinem Mund Kugelschreiber-Akrobatik,

Wahlverteidiger Beyer ist auch noch da (Hörprobleme erklärt er damit, dass er „ohne Gehörschutz auf der Jagd geschossen“ habe).
Als Zeuge nimmt nun ein Referatsleiter von Deutschlands oberster Steuerbehörde Platz. Es geht u.a. um das elektronische Sammelantragsverfahren.

Ein vollautomatisiertes Verfahren, mit denen sich Banken innerhalb kürzester Zeit Millionen erstatten lassen konnten, ohne auch nur einen einzigen Beleg vorlegen zu müssen. Die Banken mussten Erklärungen abgeben, dass sie nur rechtmäßige Anträge stellten & für Fehler haften–

und schon flossen die Millionen aus der Staatskasse. Angesichts fehlender Kontrollen in dem Verfahren will Richter Zickler vom Zeugen wissen: Stand die Kasse offen? Der Steuerbeamte antwortet: „Die Kasse ist immer geöffnet, wenn ich auf Steuerbescheinigungen von Banken vertraue.“

Berger tuschelt immer wieder mit seinem im Saal verbliebenen Pflichtverteidiger. Nach den Fragen seines Wahlverteidigers , stellt Berger abermals sein Mikrofon scharf: „Stimmen Sie folgenden Ausführungen zu“, setzt Berger an. „Lass es, lass es, lass es“. Prozessende.

Wer mehr über die zweifelhafte Rolle des Staates im #CumEx-Skandal erfahren möchte, verstehen will, wie die Fahnder Berger auf die Schliche kamen oder einfach verstehen möchte, wie der Steuerskandal abgelaufen ist, für den könnte mein Buch etwas sein: amazon.de/-/en/Massimo-B…