#Tolkien ist ein Lieblingsautor der extremen Rechten aller Spielarten. Die wohl durchgeballertste Adaption bisher kommt aus der Zeitung „Aufgewacht“ der #FreieSachsen: Tolkien als Prophet, der u.a. das Ende des „Tiefen Staates“ voraussagt. Ein unvollständiger 🧵zur Einordnung.
Der Autor Ludwig D. #Gartz, ein #Homöopath und Anhänger der #Freiwirtschaftslehre, sieht Tolkien als Propheten im Kampf gegen die „Hochfinanz“, die wiederum den „Tiefen Staat“ lenkt. Der „Herr der Ringe“ mache Voraussagen für Gegenwart und Zukunft.
Das Ende der Hochfinanz vollziehe sich in fünf Schritten. Wir befinden uns zwischen der zweiten und der dritten Phase, die gleichzeitig die gefährlichste sei.
Die Hochfinanz strebe die Errichtung einer kommunistischen Weltdiktatur an. Die „Massenmigration“ sei „ein kaum noch verdeckter Krieg gegen“ 🇩🇪 mit dem Ziel der Zerstörung der „westlichen Völker und Staaten“.
#Gartz beschränkt sich bei seiner Verschwörungserzählung nicht auf diesen Aufsatz, sondern hat sie in einer ganzen Reihe von Büchlein ausgebreitet, die allesamt in der Aussage kulminieren, dass eine Rettung vor der Apokalypse nur möglich ist, wenn wir zu einer „zinsfreien“
Wirtschaft finden, denn mit der „Erfindung“ des Zinses im Mittelalter habe der Aufstieg des Tiefen Staates begonnen. Wie meist in solchen Verschwörungsmythen ist auch hier der antisemitische Kern der Erzählung nicht zu übersehen.
Seine Fantasien über die „verschlüsselte Botschaft“ im „Herrn der Ringe“ verbreitet er mittels Vorträgen bei diversen esoterischen Gruppen sowie einen eigenen YouTube-Kanal (9.000 Abos). Zentrale Botschaft: Wir stehen am Wendepunkt der Menschheitsgeschichte.
Durch diesen Beitrag im Blatt der #FreieSachsen zeigt sich einmal mehr, dass diese nicht einfach nur „gesichert rechtsextremistisch“ sind, sondern sie einen Ideologie-Cocktail brauen, der auch die Elemente #Reichsbürger, #Querdenker, #Esoterik, #Freiwirtschaft, #Monarchismus und
weitere enthält, also im Prinzip eine Plastikideologie für die angestrebte Bewegung, die aus der im Widerstand gegen die #Corona-Maßnahmen in Ansätzen entstandenen errichtet werden soll. Die #FreieSachsen sind lediglich Multiplikator für dieses Konglomerat.
Diese Kapriolen geistiger Verwirrung, die trotzdem ihre Gläubigen findet, werden dann ergänzt durch die Ausarbeitungen in der #NouvelleEcole, publizistisches Flaggschiff der Neuen Rechten, die der rechten #Tolkien-Interpretation ein „wissenschaftliches“ Fundament verleihen sollen
Das Dossier der 220 Seiten starken, großformatigen Hochglanzschrift hat der Germanist Armand Berger zusammengestellt, der als Grundlage des Werkes von #Tolkien - nicht zu Unrecht - angelsächsische und skandinavische Mythen, die finnische Kalevala und antike Einflüsse sieht.
Der Ansatz wird von ihm vertieft in einem Bändchen, das in der Buchreihe des #InstitutIliade, „neu“rechte Denkfabrik und faktischer Nachfolger des #GRECE, erschienen ist. Eine deutsche Übersetzung, beim einschlägigen Verlag #Jungeuropa in #Dresden, folgte umgehend. Diese Liebe zu
Tolkien in der extremen Rechten beschränkt sich nicht auf 🇩🇪 und 🇫🇷; besonders stark ausgeprägt ist sie in Italien. Die dortige #Tolkien-Gesellschaft hat traditionell Verbindungen zu den Anhängern von Julius #Evola. Z.B. führte im Mai 200 die rechte Azione Universitaria gemeinsam
Mit der #Tolkien-Gesellschaft und der „neu“rechten Gruppierung #Raido die Konferenz „J.R.R. Tolkien. Die Reise der Gefährten ins dritte Jahrtausend“ durch. Redner dabei auch der Leiter der „Stiftung Julius #Evola“. Diese Faszination der extremen Rechten für Tolkien hat in Italien
eine lange Tradition. Sie reicht zurück mindestens in die Entstehungsphase der dortigen „Neuen“ Rechten in der zweiten Hälfte der 70er Jahre. Die Zeltlager der #MSI-Jugend, aus denen diese entstand, nannten sich folgerichtig „Campo #Hobbit“. Inzwischen ist eine regelrechte Welle
an #Tolkien-Rückgriffen und -Verehrung in der „Neuen“ Rechten auch anderer Länder losgerollt. So widmete der spanische „neu“rechte Verlag „Editorial EAS“ den ersten Band seiner Buchzeitschrift „Pensiamentos & Perspectivas“ diesem Schriftsteller. Wem an einer kritischen Rezeption
von #Tolkien gelegen ist, der/die sei auf den Band „Tolkien, Race, and Cultural History“ (antiquarisch) von Dimitra Fimi verwiesen oder aber auf dieses 👇leider sehr teure Buch.
Die positiven Bezüge auf das Werk von #Tolkien finden sich bei der extremen Rechten in allen Bereichen. So wird das“Portal der rebellischen Lieder“ von der Associazione Culturale Lorien betrieben. Lorien ist bei Tolkien eines der Elbenreiche.
Auch die kurzlebige Frauenzeitschrift der 🇮🇹 „Neuen“ Rechten war nach einer Gestalt von #Tolkien benannt: „Eowyn“. Eowyn dürfte genau das Frauenideal dieses Spektrums verkörpern. Sie ist nicht das #Tradwife, sondern die Kämpferin gegen das Böse. Bezeichnend ihre Beschreibung im
Wiki für den „Herrn der Ringe“: „Ihr Gesicht war sehr schön und wie eine Flut von Gold war ihr langes Haar, und von schlanker und großer Statur war sie und stark und hart wie Stahl.“ Kurz: sie ist die Arierin par excellence. Ideal für die „Neue“ Rechte.

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