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Was ist eigentlich "das Büro"? Die aktuelle Situation gibt Anlass dazu, das Konzept zu überdenken und Grund zum Handeln. Ein Thread über die #Digitalisierung der Arbeit am Schreibtisch, #changemanagement und den Potenzialen des #homeoffice
Das Büro als Konzept riecht nach Staub und Filterkaffee - kein Wunder, dass es immer wieder als Klischee für konservative Strukturen herhalten muss @theofficenbc. Dabei arbeiten natürlich auch Startups und Kreativagenturen in Bürokomplexen.
Dass sich unsere Arbeit im Verwaltungsbetrieb lange Zeit als sehr zäh & resistent gegenüber Änderungen gezeigt hat, hat mMn v.a. mit 2 Dingen zu tun: die schlechte Bilanz von Kosten der Strukturveränderung und das Fehlen einer ultimativen Notwendigkeit=funktionierende Strukturen.
Beides hat viel mit der Betriebsfinanzierung zu tun: auch ein Verwaltungsbetrieb, der es sich leisten kann E-Mails auszudrucken, in Aktenordner zu archivieren, um sie bei Bedarf wieder einzuscannen und per Mail zu verschicken "funktioniert"... irgendwie.
Das ist gleichzeitig der Grund, weswegen interne Veränderungsprozesse so häufig auf halben Wege scheitern: sie schaffen es nicht bis zum Point of no Return. Der Status quo beäugt jeden Fehltritt argwöhnisch und fordert regelmäßig ein, den Quatsch zu überdenken und zurückzukehren.
Veränderungsprozesse benötigen daher häufig prekäre Momente, um selbstevident zu werden. Zumindest für die Büroarbeit ist das etwas, was man #CoViD19 bedingten Veränderungen positiv abgewinnen kann: die Dynamik beruhte häufig mehr auf Prognose als auf einer Situationsbeschreibung
Geht der Antrieb für Wandel auf (bereits erfolgtes) Scheitern zurück, ist Veränderung negativ besetzt. Gerade das ist aber für viele Bürobetriebe nicht der Fall: hier besteht Raum für Visionen & grundsätzliche Fragen: Was machen wir hier eigentlich? Was davon geht auch anders?
Das offensichtlichste Problem im Bürobetrieb während #COVID19 ist die räumliche Nähe und der entgehen wir durch #homeoffice. Für Arbeitgeber*innen stellt sich die Frage: was verliere ich, wenn meine Arbeitskräfte nicht mehr vor Ort sind? Die Antwort ist: erschreckend wenig.
Es ist eher so: Momentan stellen viele Arbeitgeber*innen fest, was alles geht. Einer der kritischen Faktoren für Home Office wird gerade massiv aufgebaut: Vertrauen. Präsenz war nämlich nicht einfach arbeitstechnisch erforderlich - es erfüllte auch eine Kontrollfunktion.
Beweis für solche Arbeitskulturen sind Arbeitgeber, die "sicherstellen" wollen, dass ihre Mitarbeiter*innen nicht schlafen & fragwürdige/teure Überwachungssoftware wie zB Mouse Tracking einsetzen, die dann durch 1-minütige Youtube Hacks ausgehebelt werden:
Manche müssen es eben erst auf die harte Tour lernen: wer es nicht hinbekommt seine Mitarbeiter*innen intrinsisch zu motivieren bzw. der Arbeit einen Sinn zu geben, der zahlt am Ende drauf und steht am Ende auch noch ziemlich blöde da.
geht gleich weiter - die Kinder rufen
Was wir also gerade lernen ist, Präsenzarbeit dort einzusetzen, wo sie wirklich notwendig ist, nämlich dort, wo die Arbeit es inhaltlich erfordert - nicht aus Angst davor, dass Kolleg*innen keinen Finger mehr rühren bzw. weil schon immer so gearbeitet wurde.
Damit haben wir den allerwichtigsten Brocken auf dem Weg zur strukturellen Veränderung aus dem Weg geräumt. Jetzt müssen wir Wanderschuhe anziehen, denn der Weg ist steinig und verlaufen werden wir uns vermutlich auch das ein oder andere Mal - aber es gibt auch einiges zu sehen.
Die nächste Herausforderung ist - und das ist eine kreative Aufgabe - sich zu überlegen, wo es für die Arbeit wirklich inhaltlich erforderlich ist, in Präsenz zu arbeiten. Technisch ist hier extrem viel möglich. Wofür wird das Büro noch gebraucht?
Unentbehrlich ist der Büroraum dort, wo er Arbeitsmittel enthält, die anderswo nicht sind. Aktenschränke, Postein-/ausgänge, Absprachen mit Kolleg*innen - je mehr diese Arbeitsmittel & Prozesse digitalisiert werden, desto weniger Gründe gibt es für das Büro als physischen Ort.
Dort wo die Digitalisierung weit vorangeschritten ist, fällt es nicht so auf, aber die Verschiebung der Arbeit ins #homeoffice geht für die Verwaltung mit einem krassen Bedeutungswandel einher, denn in analogen Verwaltungen dienen physische Räume der Strukturierung der Arbeit.
In einer vollständig analogen Verwaltung sitzen Teams zusammen in Bürozimmern oder -trakten, weil es einfacher fällt zu kontrollieren (s.o.), weil Kommunikation anders nicht möglich bzw. schneller ist & weil man Daten nicht redundant ablegen muss z. B. Postfächer/Arbeitsmaterial.
Sowohl interne als auch externe Kommunikation ist schon lange durch E-Mail und vor allem Telefon ersetzbar. Videokonferenzen und Remotesoftware ersetzt vor-Ort Kommunikation, in der nicht nur "gesprochen", sondern auch "gezeigt" werden muss.
Datenablage ist eigentlich auch schon lange kein Problem mehr. Viele Unternehmen verwenden bereits profilbasierte Datenverwaltung, sodass jeder von jedem Rechner aus arbeiten kann. Für #homeoffice reicht das nicht immer, aber für flexible Arbeitsplätze.
Wie man seine Netzlaufwerke sinnhaft in die Cloud bringt und Mitarbeiter*innen ermöglicht im #homeoffice zu arbeiten ist einen eigenen Thread wert - sagen wir einfach es ist möglich und auf jeden Fall auch sinnvoll, wenn man die Frage der Sicherheit im Blick hat. #SharePoint
Ob das Büro ausgedient hat? Schwer zu sagen. Klar ist aber, dass die von einer Person eingerichteten Schreibstuben mit abgehalfterten Kakteen und Setzkästen an den Wänden weder der Organisation zuträglich sind, noch den Personen, die Arbeit und Privatleben trennen wollen.
Für Einrichtungen gibt es viel zu gewinnen und zu verlieren: je isolierter Teams arbeiten, desto schwerer ist die Abstimmungen mit anderen Bereichen, desto mehr Insellösungen werden produziert. Angst vor dem Informellen ist der einzige Grund gegen eine Durchmischung des Betriebs.
Ob Betriebe, die jetzt vorrangig auf #homeoffice setzen, Kosten sparen können? Auf jeden Fall! Aber sie sollten es bei Möglichkeit nicht tun, denn wir sind noch nicht am Ende des Weges. Wir müssen noch ein kleines Stück weiter laufen. Die Ersparnis muss investiert werden.
In sichere Arbeitsinfrastruktur. In gute Peripheriegeräte für das #homeoffice. In saubere Datenstrukturen für die Ablage und - ganz wichtig - in Präsenzarbeitsplätze, die auf die Funktionen, die sie erfüllen sollen, angepasst sind.
Nichts sagt mehr über fehlende konzeptionelle Arbeit bei der Prozessgestaltung aus, als die Einrichtung von Standardbüros. Nichts!
Serviceorientierte Verwaltungsbereiche sind da meistens anderen Bereichen mehrere Schritte voraus - ganz einfach, weil sie von Anfang an die Präsenzarbeitsräume vom Prozess her gestalten mussten. Studienberatungen arbeiten z. B. schon sehr lange mit Poolarbeitsplätzen.
Da gibt es dann auch eine klare Differenzierung in offene Räume und Rückzugsräume. Selbst "Telefonzellen" gibt es in dem Bereich wesentlich häufiger als in klassischen Verwaltungskomplexen.
Aber selbst serviceorientierte Arbeit muss häufig nicht vor Ort durchgeführt werden. Viele Verwaltungen, die Services anbieten, sind auch per E-Mail ansprechbar und merken jetzt wie falsch das ist, wenn man sich nicht von Anfang an einen Ticketingprozess ausgedacht hat.
Ein Verwaltungsbetrieb, der verstärkt auf #homeoffice und dezentrale Arbeit setzt, braucht keine Büros - er braucht Räume mit Charakter. Die Räume dürfen nicht mehr zur Strukturierung von Organisationseinheiten eingesetzt werden, sondern nur noch zur Strukturierung von Prozessen.
Räume dürfen nicht mehr Personen gehören - sie müssen einem konkreten Zweck und Arbeitsweise zugeordnet sein. Und diese Zwecke müssen abgeleitet sein aus dem, was die Organisation ausmacht bzw. ausmachen soll.
Ich wünsche mir für meine Organisation, dass sie die Gelegenheit, die #COVID19 uns gibt, nicht ungenutzt lässt und genau hinschaut, welche Arbeitsprozesse Präsenz erfordern und welche Aufgabe Präsenz hier übernimmt.
Wir haben hier nicht nur eine einmalige Chance Arbeit zum Positiven hin zu verändern, sondern auch die innovative Kraft zu zeigen, die wir für uns beanspruchen. Dazu gehört Mut zur Lücke, aber es gibt wenig zu verlieren - außer vielleicht das Büro.
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