Das RKI hat neue Empfehlungen zu Testkriterien an Schulen veröffentlicht. Doch die Grundannahmen (auf S. 3) scheinen mir zu optimistisch oder im Widerspruch mit neueren Forschungsergebnissen zu stehen. Dazu möchte ich einen Debattenbeitrag leisten. 1/
Die erste Metastudie stellt fest, dass viele Studien - andere aber nicht - eine niedrigere Secondary Attack Rate bei Kindern ergäben. Allerdings weisen die Autoren selber auf das bekannte Problem hin, dass Kinder weniger getestet werden, da sie häufiger aymptomatisch sind. 3/
Das bringt ein Bias in Studien, die die Probanden nicht zufällig auswählen. Bei der österreichischen Gurgelstudie liegt dieses Problem nicht vor und sie ergibt, dass jüngere Schüler:innen genauso häufig infiziert sind wie ältere. 4/
Leider wird diese Studie vom RKI nicht zitiert. Dafür aber die Metastudie von Jonas Ludvigsson (die zweite verlinkte Studie), welche vom 19. Mai 2020 datiert und nicht nur veraltet, sondern auch sehr tendenziös ist. 5/
Ludvigsson hat die Great Barrington Declaration unterzeichnet, welche Herdenimmunität durch Durchseuchung fordert. Und er glaubt, man könne Kinder von den Risikogruppen abschirmen.
Doch das Virus gelangt oft indirekt über Eltern als Zwischenstation an die Großeltern. 6/
Aber Ludvigsson hat das Wort von Anders Tegnell, dass es keine größeren Ausbrüche an Schwedens Schulen gegeben hat. Sehr seltsam für eine Metastudie. 7/
Ludvigsson versteigt sich sogar zu der Behauptung, Schulöffnungen könnten zu mehr Todesfällen führen. Zum Glück gibt es gut gemachte epidemiologische Studien, die zeigen, dass Schulschließungen ein sehr wirksames Mittel zur Eindämmung sind.
Wieso zitiert das RKI diese Studie? 8/
Ein anderer kritischer Punkt ist die Behauptung, Kinder erkrankten in aller Regel nur leicht. Zwar wird auch erwähnt, dass es schwere Verläufe gibt, doch man bekommt das Gefühl vermittelt, diese seien vernachlässigbar. 9/
Erhärtet wird dieser Eindruck durch den Verweis auf die deutschen Kinderärzte, welche sich nach wie vor hartnäckig weigern, #LongCovidKids ernstzunehmen. Es mag Definitionsfrage sein, was ein schwerer Verlauf ist. 10/
Aber in GB haben etwa 15% der infizierten Kinder etliche Wochen nach der Infektion noch Beschwerden. Man muss das ernst nehmen. 11/
Mein letzter Punkt: Laut RKI konnte das Ausbruchsgeschehen an Schulen bisher gut kontrolliert werden. Eine erstaunliche Behauptung bei den laxen Testkriterien, die das RKI empfiehlt. 12/12
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Zugleich ist dadurch aber für mich noch deutlicher als bisher geworden, dass Schnelltests nur sehr bedingt dazu taugen, Öffnungen zu rechtfertigen. 1/
Die Frage, die in dem Paper gar nicht gestellt wird, ist: Können Schnelltests einen Ersatz für andere Maßnahmen wie Schulschließungen sein? Sicher nicht. Das Konzept für den Schulbetrieb beruht auf Freiwilligkeit. Wie hoch mag wohl die Compliance sein? 2/
Das ist schwer zu sagen. Doch als guten Annäherungswert kann man annehmen, dass sie keinesfalls größer, eher etwas kleiner, als die Impfbereitschaft sein dürfte. Man bedenke, dass ein positiver Test vor allem (als solche empfundene) negative persönliche Konsequenzen hätte. 3/
Es gibt Menschen, die ebenso schwer unter der Pandemie leiden wie diejenigen, die an Corona sterben oder schwer erkranken: die Menschen, die nicht als Zuschauer:innen zu Sport- und Kulturveranstaltungen gehen können. So scheint es jedenfalls eine Expertengruppe in einem Papier 1/
zu sehen, das vom Deutschen Kulturrat veröffentlicht wurde.
Ich will hier gar nicht auf die Hygienekonzepte schauen, die darin vorgeschlagen werden, sondern auf die Rechtfertigung. Denn die Autor:innen nehmen einen seltsamen Interessenausgleich vor. 2/
Wir sollen eine Abwägung machen zwischen den Interessen derer, die am Leben bleiben wollen, und denen, die ins Stadion möchten. Besonders rührselig ist der Hinweis auf "den emotionalen, soziokulturellen und wirtschaftlichen Totalverlust durch das Fehlen von Vorort-Zuschauern". 3/
Die Berliner Amtsärzte sagen richtigerweise, dass die Inzidenz nur bedingt aussagekräftig ist. Doch sie scheinen daraus zu schließen, dass nicht die Reduktion der Gesamtinzidenz, sondern die Reduktion der Inzidenz älterer Bevölkerungsgruppen 1/
das Ziel sein sollte. "Intensiver Schutz" für Ältere und Kranke, Lockerungen für die anderen - das liefe jedoch auf die Great Barrington Declaration hinaus. Und es ist aus vier Gründen problematisch. 2/
1⃣ Wir können Alte und Kranke nicht einfach "wegschützen", denn sie lassen sich nicht vom Rest der Gesellschaft abkoppeln. Sie bedürfen der Pflege, müssen zum Arzt, kaufen ein, etc. Wir tun schon viel z.B. für den Schutz der Pflegeheime und trotzdem gibt es dort Ausbrüche. 3/
Manche in meiner Bubble beschweren sich darüber, dass Menschen sich draußen treffen. Doch wir sollten das, unter Einhhaltung eines Sicherheitsabstands, tun. Wir werden kaum die notwendige Motivation aufrecht erhalten können, wenn wir das zu verhindern versuchen. 1/
Das heißt nicht, dass draußen keine Infektionen stattfinden. Aber das Risiko ist im Freien sehr viel geringer als drinnen, wie eine Metastudie zeigt. 2/2
Weil es Diskussionen gab: Der Aerosol-Forscher macht die Aussage "Beim Spazieren passiert garantiert nichts" nur ceteris paribus. Er sagt selber, dass Masken sinnvoll sein können. Sein Framing finde ich problematisch. 3/4
Michael "Gibt kein Recht auf ewiges Leben" Hüther hat heute für viel Empörung mit seiner Aussage gesorgt, wir müssten eine "gewisse Sterblichkeit hinnehmen". Dabei wollte er so richtig seriös wirken mit einem neuen Positionspapier. Schauen wir mal rein. 1/ iwkoeln.de/fileadmin/user…
Hüther und sein Co-Autor Hubertus Bardt wollen darlegen, dass #NoCovid illusorisch sei und wir daher "mit dem Virus leben" müssten in der "neuen Normalität" (der Streeck-Sprech nervt) - unter der Hinnahme von Toten. 2/
Ich will zunächst betonen, dass ich diesen Gedanken nicht per se skandalös finde - den Kontext, in dem er verwendet wird, aber schon. 3/
Die Grünen waren mal eine Partei, die den Menschen unbequeme Wahrheiten zumutete. Heute sind sie vor allem darauf bedacht, ihrer Klientel zu gefallen. Gegen den Strom schwimmen? Bloß nicht. Thread. 1/
.@ToniHofreiter hat zu Recht die ökologisch und verkehrspolitisch problematische Rolle von Einfamilienhäusern angesprochen. In der Stadt nehmen Sie Platz weg von Hochhäusern, die vielen Menschen Wohnung bieten könnten, und sind ein Privileg der Wohlhabenden. 2/
Auf dem Land hingegen führen sie zur Zersiedlung und sorgen dafür, dass große Pendlerströme mit dem Auto in die Stadt fließen. Mehr Hochhäuser in den Städten würden die Wohnungsnot lindern und zugleich beim ökologischen Verkehrswandel helfen. 3/