Die Arbeiter_innen bei #mansteyr haben sich nicht erpressen lassen. Ihre Enscheidung ist nicht nur mutig und kämpferisch, sondern könnte auch zu einem Wendepunkt hin zu einer sozial-ökologischen Industriepolitik werden. Ein Thread was es jetzt dazu braucht
Um was ging es? Im letzten Jahr hatte MAN, eine Tochter des VW-Konzerns, die Schließung des Werkes in Steyr mit rund 2000 Beschäftigen und einer Wertschöpfung von rund einer 1 Mrd Euro in der Region trotz einer Beschäftigungsgarantie bis 2030 bekanntgegeben.
Daraufhin wurden ein Deal mit dem Ex-Magna-Manager Wolf verhandelt. Sein "großzügiges" Angebot: Kündigung von rund 800 Kolleg_innen und ein Gehaltsverzicht von 15%. Dann Weiterführung des Werkes durch Wolf - selbstverständlich ohne Beschäftigungsgarantie für die Verbleibenden.
Mit dem Selbstbewusstsein jenes Managertums, das viele ehemalige Betriebe der öffentlichen Hand unter hohen menschlichen Kosten "restrukturiert" hat, trat dann Wolf im Werk auf, um zu überzeugen, dass es zu ihm keine Alternative gäbe - sonst werde zugesperrt.
Die Antwort gaben ihm die Arbeiter_innen heute an der Wahlurne. Trotz der Logik "friss oder stirb", haben sich heute 63,9% gegen eine Übernahme durch Wolf entschieden. MAN meinte darauf prompt, dass nun das Werk geschlossen werde.
Steyr wird spätestens jetzt zu einem wichtigen Kampffeld. Seit heute ist es ein Zeichen dafür, dass man sich der kapitalistischen Verwüstung nach dem Motto "Verlagern, Kündigen, Gehaltsverzicht, abhängig weiterführen" nicht mehr wie in den 1990ziger & 00er Jahren ausliefern will.
Was es jetzt braucht ist Druck auf allen Ebenen: Die Republik muss den Traditionsbetrieb auffangen und er ist unter Beteiligung aller Arbeiter_innen umzubauen, so dass dort die ökologischen Produkte der Zukunft gefertigt werden.
Klingt utopisch und unrealistisch? Wohl kaum schließlich hatte selbst Sigfried Wolf in seinem Konzept einen Plan für das Hochfahren eine Fertigungslinie für Elektrobusse und argumentierte, dass dies profitabel wäre.
Und selbst Länder wie Deutschland haben in der Krise Instrumente wie den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) aufgestellt, der 100 Mrd. Euro für direkte Unternehmensbeteiligungen bis hin zu Übernahmen vorsieht. awblog.at/kapitalbeteili…
Gleiches fehlt in Österreich. Weil die Bundesregierung unter der Führung von Sebastian Kurz keinen Plan zu einer industriepolitischen Strategie hat. Geschweige denn eine, mit der die sozial-ökologische Wende gelingen kann.
Dabei wäre das ein Feld wo eine Konfrontation mit der EU mal Sinn machen würde, um eine Beihilfen- und Wettbewerbsrecht zu erringen, das regionale und sozial-ökologische Produktion unter öffentlicher Kontrolle ermöglicht.
Die Abwesenheit der Bundesregierung in der Auseinandersetzung um Steyr zeigt, dass auch in diesem Bereich Kurz völlig nackt ist und eher einem Kanzler-Darsteller als einer Führungsperson gleicht.
Umso größer muss jetzt der gesellschaftliche Druck sein: Im Gegensatz zu allen anderen haben die Arbeiter_innen in Steyr heute Mut bewiesen und sich nicht von einem Manager mit freundlichem Lächeln das Rückgrat brechen lassen.
Steyr muss zu einem Wendepunkt werden: Wir brauchen alle Industriearbeiter_innen, um rasch und regional die Produkte der Zukunft (Schienen, E-Busse, Solar-Panele, usw.) herzustellen und die Versorgung mit wichtigen Gütern in den kommenden Krisen zu garantieren.
Corona hat uns diese Notwendigkeit drastisch vor Augen geführt. Dieser Umbauprozess muss unter Kontrolle der Kolleg_innen und ausgerichtet an den gesellschaftlichen Bedürfnissen erfolgen.
Engagieren wir uns, damit #Steyr zu einem sozial-ökologischen Wendepunkt wird. Die Kolleg_innen vor Ort haben uns heute jedenfalls gezeigt, dass sie bereit sind und dass es Mut und Kampf für Veränderung braucht.

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9 Apr
Freu mich sehr, dass mein Kommentar zur Entscheidung bei #MAN Widerhall gefunden hat und auch von Arbeiter_innen des Werkes geteilt/kommentiert wurde (bit.ly/39X5uXc). Hier ein Thread mit Beiträgen für den Kampf um einen sozial-ökologischen Leitbetrieb in Steyr:
1) Der Wissenschafter und @Arbeiterkammer-Referent Heinz Högelsberger hat sich mit der Geschichte des Werkes beschäftigt und zeigt damit auch Zukunftschancen auf:
Gemeinsam mit Puch stellte man in den 70ziger Jahren ein Elektromoped und für die Stadt Wien einen erdgasbetriebener Stadtbus her. Und auch jetzt produziert MAN (in Kleinserie) einen elektrisch betriebenen Lkw. Darauf ließe sich aufbauen. wienerzeitung.at/meinung/gastko…
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26 Mar
Das Spiel mit Schuldzuweisungen von Sebastian Kurz rund um die Impfstoffbeschaffung ist gestern Nacht beim EU-Gipfel (#EUCO) hart auf Eis gelaufen. Auch nach bürgerlichen Kriterien hat Kurz völlig versagt (Thread).
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25 Mar
Die ÖVP ist die Partei der Ausbeuter und Menschenschinder. Wenn sie mich dafür klagen möchte: gerne! Den Wahrheitsbeweis vor Gericht gewinnt man allein schon mit zwei Beispielen, die heute und gestern bekannt geworden sind (Thread):
1) Das EU-Parlament will Mindeststandards für Landarbeiter_innen einführen, die bei jedem Wetter oft mehr als 12 Stunden lang Obst und Gemüse ernten. Geht es nach dem EU-Parlament sollen in Zukunft nur noch Unternehmen Agrarsubventionen erhalten, die diese Standards einhalten.
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11 Feb
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