Die gestern vermeldete Studie des #ifo-Instituts zum Stand schulischen Lernens während #Corona hat einige kontroverse Rückmeldungen erzeugt. Einige Ergebnisse & Anmerkungen auch zur allgemeinen Studienlage: /1 ifo.de/publikationen/…
Ludger #Wößmann et al. ermitteln die Zeit, die Schüler_innen mit schulischen Aktivitäten vor Corona verbracht haben, mit 7,4 h/Tag (Durchschnitt) & stellen dem 4,3 h „Lernzeit“ Anfang 2021 gegenüber. Dies ist mehr als Anfang 2020 (damals 3,6 h). Von den 4,3 h entfällt ca. 1 h /2
auf schulischen Unterricht im engeren Sinne. Die Differenzen sind erheblich, 23% der SuS haben sich maximal 2 h/Tag mit Schule befasst, 58% max. 4 h. Der Vergleich zu Zahlen vor Corona ist m. E. zurecht kritisiert worden: Er droht, die Effizienz des Präsenzunterrichts /3
überzubetonen, die Effizienz solitären Lernens zu unterschätzen. Allerdings liegen wenig Informationen vor, wie konzentriert Lernen zuhause erfolgt. Berichtet wird nämlich auch, dass ca. 50% der SuS beim Lernen zuhause Konzentrationsprobleme haben und nicht vorankommen & dass /4
dies vor allem leistungsschwächere SuS betrifft. Dies entspricht dem allgemeinen erziehungswissenschaftlichen Befund, dass vor allem schwächere SuS Lenkung durch Lehrer_innen benötigen. Die Eltern schätzen laut #ifo-Studie die Effizienz des heimischen Unterrichts /5
deutlich geringer ein als Unterricht in der Schule. Immerhin sehen gut die Hälfte der Eltern Fortschritte beim selbstständigen Lernen bei den SuS, zwei Drittel sogar eine Verbesserung digitaler Kompetenzen. Den Zahlen zum Lernen stehen die zu weiterer Zeitnutzung gegenüber: /6
4,6 h/Tag werden mit „passiven Aktivitäten“ wie Fernsehen, Computer- und Handyspielen verbracht. Interessant bleiben die großen Streuungen: 22% der Eltern geben an, dass die SuS Zuhause mehr lernen als in der Schule. /7
Je die Hälfte der Eltern sehen ihre Kinder sehr konzentriert bzw. unkonzentriert arbeiten. Ein Problem: Nicht-Akademikerkinder erhalten deutlich seltener Online-Unterricht als Akademikerkinder & haben weniger individuellen Kontakt zu ihren Lehrer_innen. Gute Tendenz: Die Zahl /8
d. Kinder, die täglich Videounterricht erhalten, hat sich von 6% 2020 auf ca. 25% erhöht. Eine große Steigerung, aber auf rel. niedrigem Niveau. Unterstützungsmaßnahmen für entgangene Lerninhalte wurden nur gering genutzt. Wößmann et al. fordern vor diesem Hintergrund v. a. /9
die Implementierung einer möglichst bundesweiten Videokonferenzlösung, zudem die Reaktivierung üblicher „Test- und Prüfungsverfahren auch im Distanzunterricht“. Größte Schwäche der Studie, wie auch der Vorgängerstudie 2020, ist m. E. der relativ unreflektierte Vergleich /10
von „Lern“-Zeit in der Schule & der Zuhause. Er erklärt sich vermutlich aus dem makroökonomischen (nicht pädagogischen) Ansatz des ifo-Instituts, Schule als eine Form von Arbeit zu bestimmen. Allerdings kennt auch die Erziehungswissenschaft die Vorstellung, dass die /11
Wahrscheinlichkeit von Lernerfolg zunimmt, wenn genug Zeit für Lernangebote erzeugt wird – auch bei wenig effizienter Nutzung. Das ist unromantisch, aber nicht unbegründet. Ansonsten bestätigt die Studie relativ viele Ergebnisse der sehr dichten Studienlage zum 1. Lockdown: /12
Die Hürden für Lernen im Distanzunterricht liegen nur selten bei der technischen Ausstattung der Haushalte, sondern eher im Bereich Motivation, Selbstorganisation usf. Die Wahrnehmung des Distanzunterrichts ist sehr unterschiedlich und löst bei nicht wenigen Eltern auch /13
positive Gefühle aus. Es herrscht oft das Gefühl, relativ gut mit der Situation umzugehen, aber Schulunterricht (i. S. von Klassenunterricht) nicht ersetzen zu können. Ein Problem aller Studien ist die Deutung der Zahlen: Es gibt häufig mehrheitlich positive Ergebnisse. /14
Da Unterricht aber auf möglichst alle SuS abzielt sind auch vermeintlich kleine Zahlen negativer Rückmeldung – 10%, 20% – problematisch. //
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Passend zur Tagung „#HeinrichHauser und seine Zeiten“ am 22. & 23. September @Germanistik_RUB ist Hausers lange unzugänglicher Film „Chicago. Weltstadt in Flegeljahren“ erschienen & läuft morgen (20.04.) um 23:35 Uhr auch auf @ARTEde (65 Min.). arte-edition.de/item/3020.html /1
Die DVD stattet den Stummfilm nachträglich mit zwei Tonspuren aus: Musik von Andy #Miles oder Lesung kurzer Passagen aus Hausers Reportage #FeldwegeNachChicago von Wilfried #Reichardt und Hans-Ulrich #Werner. Beides hörenswert. Das Filmmaterial ist vglsw. kurz, überw. /2
sachlich-lakonisch, mit einem Interesse an technischen & architektonischen Formen und Abläufen & ihrer filmischen Inszenierung. Aufnahmen von Menschen kommen auch vor, von der - aus heutiger Sicht - oft ärmlichen Anmutung abgesehen bemerkenswert zeitlos. Die gelesenen Texte /3
D. A. Pacygas "#Slaughterhouse" ist e. Buch über industrielle Produktion v. #Fleisch, aber auch über die brutale Dynamik des US-Kapitalismus, bei d. Parallelen zur Gegenwart ins Auge fallen. Noch e. Thread über Fleisch & #Chicago, aber auch die dt.e Provinz & (kurz) Literatur. /1
1922 ist "meatpacking (...) the largest industry by volume in the United Staates", stärker als Stahl- o. Autoindustrie (140), & Chicago das unangefochtene Zentrum. Das hat nicht allein m. industrieller Schlachtung zu tun, die dt.e Autor_innen auf Durchreise bestaunen, sondern /2
mit Trägertechnologien, (1.) der Eisenbahn, deren Bedeutungsverlust gegenüber dem LKW-Verkehr in den 1950er & 60er Jahren innerhalb kürzester Zeit zum vollständigen Kollaps v. Chicago als Fleischzentrum führt; (2.) Kühlmöglichkeiten & -technik. Noch in den 1850er Jahren /3
Weitere Eindrücke zur industriellen #Fleisch-Produktion im Kontext eines Hauptseminars: Ein Thread zu e. "Visitor's Guide" d. Firma #Swift im Chicago d. frühen 20. Jhd.s & zu Fleisch, Advertising & Gender. - Um 1900, als dt. Besucher (u. a. Max Weber) nach #Chicago strömen /1
ist der Vieh- & Schlachthof (#UnionStockyard) eine gewaltige Attraktion: Ca. 500.000 Besucher kommen jährlich, schreibt Dominic A. #Pacyga i. #Slaughterhouse. Hier konnte man die "basic themes of modern industrialization" (ebd.) sehen. Die großen #Meatpacking-Firmen /2
produzierten Werbematerial, Andenken & boten neben wirkl. Führungen auch schriftliche Touristenführer als Souvenirs, wie das #VisitorsReferenceBook, das über das Repository d. #DukeUniversity studiert werden kann. Das angegebene Publikationsdatum 1903 /3 repository.duke.edu/dc/eaa/A0340
Turbulente Nachrichtenlage i. d. #Bildung#NRW: Die schulischen Corona-Maßnahmen spalten Schulleiter nach Schulformen & Regionen; und: d. @BertelsmannSt kritisiert "nicht kindgerechte" #KiTas. (#WAZ) Schule: Im Brief an d. Ministerpräsidenten hat d. Schulleitervereinigung NRW /1
für alle Schulformen kritisiert, Verantwortung werde an Mitarbeiter_innen vor Ort abgegeben & d. Regierung ergreife nur scheinbar wirksame Maßnahmen. Dem widersprechen d. Schulleitervereinigung #Gesamtschule & Direktorenverbände #Gymnasium aus Westfalen-Lippe & Rheinland. Das /2
#Schulministerium weist daraufhin, dass an über 97% d. Schulen regulär unterrichtet werde. #KiTas: Die Bertelsmann-Stiftung moniert d. schlechten Betreuungsrelationen i. NRW, die zudem kommunal sehr unterschiedlich seien (bes. schlecht z. B. Duisburg). Empfohlener /3
Upton #Sinclair beschreibt 1905/06 in #TheJungle die Zuschauergalerien in den #Schlachthöfen Chicagos. Ab dann gehört d. Besuch dort zum Standardprogramm dt. Gäste. Auch den Berliner Vieh- & Schlachthof kann man besichtigen, 1910 kostenlos & ohne Führer, nur e. punktierten /2
Linie folgend. 1929 widmet ihm Alfred #Döblin in #BerlinAlexanderplatz längere Passagen. Sie zeugen von Faszination, zeichnen das Schlachten aber zugl. als obszön, unmoralisch, was durchaus auch in Reportagen aus Chicago der Fall ist. Der Berliner Central-Vieh- & Schlachthof /3
Ironische Reflexion v. Öffentlichkeit & Demokratie im #Kaiserreich im Frühwerk v. #KarlMay (#GeographischePredigten v. 1875). Da auch Tiere "Gesellschaften" bildeten, wäre es nicht erstaunlich, wenn hier konservative & sozialdemokratische Strömungen und Charaktere existierten.
Keine dauerhafte Zukunft haben britische & russische Expansionen nach Osten, weiß #May. Denn: Eine erfolgreiche Kulturbewegung erfolge stets nur von Ost nach West, nicht umgekehrt. Wie auch der schon 1000-jährige "Kulturmüßiggang" der Chinesen zeige.