Von der bloßen Idee, aus Klimaschutzgründen die Steuern auf fossile Brennstoffe eventuell eines Tages zu erhöhen, fühlen sich viele offenbar schon getriggert. Missverständnis: Steuern machen fossile Brennstoffe nicht unbedingt teurer, sie verteilen nur die Kosten anders. (Thread)
Wir sind uns inzwischen wohl fast alle einig: Eine schwere Klimakatastrophe wäre die teuerste Lösung überhaupt. Wenn mancherorts die Landwirtschaft einbricht, Gebiete unbewohnbar werden und Ökosysteme crashen, ist das ein untragbarer Schaden. Nicht nur ökonomisch, aber auch.
Das heißt: CO2-Ausstoß kostet Geld. Nicht weil das jemand politisch so will, sondern weil er nun mal Schaden verursacht. Das sind sogenannte "externe Kosten" - also Kosten, die nicht für den Verursacher anfallen, sondern für alle.
Das ist ganz klassisch eine Situation, in der ein ungeregelter Markt nicht zu einer effiziente Lösung führt. Genau in so einer Situation sind Steuern das einzig Faire: Die Kosten (die ja immer da sind!) müssen genau denen umgehängt werden, die sie verursachen.
Ich verstehe es nicht ganz, wenn jetzt manche Leute klagen: "Von der Steuer werden doch die Armen getroffen! Die heizen mit Erdgas und können sich im Winter keine Wärme mehr leisten! Ökosteuern sind unsozial!" Das ist schon eine grobe Verbiegung der Tatsachen.
Zunächst: Es gibt viele kluge Leute, die sich überlegen, wie man Ökosteuern sozial verträglich gestalten kann. Man könnte andere Steuern senken. Man könnte Energiegutscheine verteilen. Man könnte jeder Person ein Gratis-Kontingent zuteilen. Es gibt viele Möglichkeiten.
Klar ist aber auch: Die größten CO2-Emissions-Verursacher sind Topverdiener. Ein Verzicht auf eine CO2-Steuer entlastet sie also am meisten. Und wenn wir die Klimakatastrophe nicht verhindern, werden einen großen Teil der Rechnung Leute zahlen, die nicht besonders reich sind.
Klar: Auch für einen Milliardär ist die Klimakatastrophe blöd. Die Villa im Süden macht weniger Spaß, wenn dort ringsherum die Landwirtschaft zusammengebrochen ist. Aber dann wohnt er halt anderswo, baut Klimaanlagen ein und lässt sich sein Lieblingsessen herbeitransportieren.
Viele Leute (nicht nur im "globalen Süden", sondern auch bei uns in Europa) werden aber nicht den Luxus haben, Lebensqualitätseinbrüche durch die Klimakatastrophe durch Geld auszugleichen. Das sind dann die, die den Schaden am Ende bezahlen.
Das Argument "Ökosteuern sind unsozial" ist also auf mehreren Ebenen falsch: Nein, sie sind der Versuch, die derzeit völlig unfaire Schere zwischen Verursachen von Schäden und Tragen der Kosten zu korrigieren. Und natürlich kann man sie sozial fair gestalten - wenn man das will.

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