Was ist #DigitalHerrnhut? Das wird jetzt etwas umfassender, denn in der Tat stelle ich schon einige Jahre Fragen, immer in verschiedener Intensität, an diese kulturell äußerst bedeutungsvolle Gemeinschaft der #HerrnhuterBürdergemeine. 1/
Die Herrnhuter Brüdergemeine ist eine Glaubensgemeinschaft, die sich am Anfang des 18. Jh. aus verschiedenen Wurzeln heraus in Ostsachen institutionalisiert. Sie stellt Prinzipien des Zusammenlebens zentral, die zu dieser Zeit als sozialrevolutionär gelten dürfen. 2/
Das sind in loser Folge: Vor Gott sind alle Menschen gleich. Nach der "Tropenidee" ist es dabei zunächst erst einmal nicht vorrangig, welche:r Gott das sei (im Mittelpunkt der Gemeinschaft steht aber Jesus Christus, wir reden von einer protestanischen Gemeinschaft). 3/
Das bedeutet, dass auch die Geschlechter gleich sind. Das ist kein leeres Bekenntnis, sondern schlägt sich auch architektonisch nieder (z.B. in Häusern für Brüder und Schwestern). Bis zur Gleichförmigkeit des geplanten Gottesackers, dem Friedhof der Gemeinschaft. 4/
Die Gemeinschaft lebt, weiter, in Heilsgewissheit. Wer das Mahl des Herrn (das Liebesmahl, wie es heißt) einnimmt, gehört zum Kern derer, die des Heils gewiss sind. Das stabilisiert die Mitglieder der Gemeinschaft ideologisch (operationalisiert im Sinne einer Ideenlehre!). 5/
Das bedeutet auch, dass sich die Mitglieder der Gemeinschaft für ihren 'inneren und äußeren Wandel' rechtfertigen. Das ist der erste Punkt, an dem Linguist:innen und Sprachhistoriker in der Regel aufhorchen. 6/
Der zweite Punkt ist vielleicht der, dass die Gemeinschaft sehr schnell die Mission als wichtiges Betätigungsfeld für sich sucht und findet. Noch in der zweiten Hälfte des 18. Jh. baut sie ihr Missionsnetzwerk über die damals bekannte westliche Hemisphäre sehr erfolgreich auf. 7/
Das hat, gepaart mit dem Berichtswesen der Herrnhuter:innen, zur Folge, dass aus allen Teilen der damals bekannten Welt deutschsprachige Quellen in breitem Umfang vorliegen, die in der sprachwissenschaftlichen Forschung nicht adäquat berücksichtigt werden. 8/
Neben koloniallinguistischen Fragestellungen (die Herrnhuter:innen dokumentieren bspw. den #Abolitionismus), sind allgemeine diskurshistorische Fragen (welches Herrnhutische Wissen über die Welt diffundiert in unsere europäischen Wissensbestände) ebenso interessannt ... 9/
... wie Fragen des jüngeren Sprachwandels, der sich direkt an Herrnhutischen Quellen nachvollziehen lässt. Und zwar sowohl des Deutschen, wie auch des Englischen. Das ist im Übrigen auch die Übersetzungsrichtung, die bis ins frühe 19. Jh. maßgeblich ist. 10/
Das soll für eine erste Einordnung des Gegenstands erst einmal ausreichen; ich möchte sowohl koloniallinguistische als auch konstruktionsgrammatische Fragen näher verfolgen. Soweit so gut. Was macht #DigitalHerrnhut aber darüber hinaus zu einem ganz besonderen Thema? 11/
Der Wissensschatz von Herrnhut ist so gewaltig, dass ich mir nicht erhoffen sollte, überhaupt das vorliegende Material zu sichten. Herrnhut kann man nicht allein beforschen, sondern nur #gemeinsam, #vernetzt, #digital, und mit gemeinsamen Ziel. 12/
Spreche ich also von #DigitalHerrnhut, meine ich einen Projekt-Hub (dhh.hypotheses.org). Und diesen möchte ich kurz vorstellen, denn hier werden alle Überlegungen zu #OER, #CitizenScience in Kooperation verschiedener lokaler und internationaler Partner:innen praktisch. 13/
Ohne die @SLUBDresden und das @slubtextlab, die Zusammenarbeit mit dem Unitätsarchiv Herrnhut und transatlantischen Partner:innen (z.B. Katie Faull @BucknellU oder dem Moravian Archive in Bethlehem/P.A.) wären wir längst nicht da, wo wir jetzt schon sind. 14/
Stellen Sie sich bspw. vor, dass die Dokumention der Herrnhuter:innen bis weit ins 19. Jh., wenn auch gut lesbar, zum großen Teil nur handschriftlich vorliegt. Zur Arbeit mit diesen Texten, wenn man denn die deutsche Kurrent lesen kann, müssten Sie nach Herrnhut. 15/
Um diese Texte einer breiteren Beforschung zugänglich zu machen, müssten sie digitalisiert vorliegen. Das konnte bereits mit dem ersten Teil eines zentralen Periodikums dank des Landesdigitalisierungsprogramms an der @SLUBDresden umgesetzt werden. 16/
In einem zweiten Schritt müssten Sie transkribiert werden, z.B., um Ground Truth für eine automatische OCR zu erzeugen. Dazu haben wir eine besondere Idee praktisch umgesetzt als Basis für ein mögliches #CitzenScience-Projekt - den Podcast #AlteSchriften. 17/
Leser:innen, die die deutsche Kurrent gut lesen können, sprechen für uns und andere Interessierte die digitalisierten Texte ein: open.spotify.com/show/4DFXzITms…. So kann man sich zum einen beim Hören ins Lesen der Kurrent eingewöhnen. 18/
Zum anderen können geübte Hörer:innen mittels einer Annotationssoftware Transkriptionen der Handschriften erstellen, ohne die Kurrent sicher lesen zu können. Zum dritten ist es möglich, mittels automatischer Spracherkennung Ausgangstgexte aus den Aufnahmen zu gewinnen. 19/
Für den unglaublich motivierten Einstieg in dieses Projekt danke besonders @Eri_Thor, der den Kontakt zu den ersten Leser:innen nicht nur herstellte, sondern die Aufnahmen technisch kuratierte. Mit den Leser:innen werden wir an #CitizenScience-Tagen eigene Themen entwickeln. 20/
Auf der Basis dieser Texte kann eine automatische OCR angelernt werden. Damit sind, erstmals, diese Texte maschinenlesbar auswertbar. Es lassen sich dann nicht nur typische Interessen der #DigitalHumanities verfolgen, sondern auch fachspezifische Fragen. 21/
In #DigitalHerrnhut sind, um noch eine weitere Facette kurz aufzuzeigen, transatlantische Kooperationen nicht nur wünschenswert, sondern essentiell. In zwei kleinen Projekten werden diese Kooperationen im #DigitalLehre-Kontext derzeit aufgebaut und mit #virTUos verstärkt. 22/
Wir bauen mit #DigitalHerrnhut digitale Erschließungsprojekte mit lokalen und nationalen Partner:innen auf, die wir (1) als Lern- und Lehrprojekte curricular @GSW_TUDresden mittelfristig im MA #DigitalHumanities verankern und mit #CitizenScience-Projekten flankieren, ... 23/
um disziplinäre und interdisziplinäre Forschung nicht nur anzubahnen, sondern @tudresden_de in Kooperation mit @SLUBDresden langfristig zu etablieren. #DigitalHerrnhut setzt voraus, was ich am Dienstag für eine Wissenschaftskultur der Digitalität entwickelte. 24/24
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Ihr erinnert Euch? Vor gefühlter Ewigkeit, also am Dienstag, habe ich über Universitäten als Institutionen gesprochen, die im Kern mittelalterlich seien. Universitäten als Communitates also. Das muss man bedenken, wenn man über ~akademische Selbstgestaltung~ spricht. 1/
Die kleinste Einheit an einer Universität ist danach ein Kollegium. Das besteht, minimal, aus Doktor:in und zwei Studierenden: Im Mittelpunkt von Universität steht also die Lehre. Ihr wundert Euch vllt.: Was ist mit den Professor:innen? Den Heerscharen an Lehrbeauftragten? 2/
Professor:innen sind Doktor:innen, mit einer spezifischen Funktion in der nächstgrößeren Struktureinheit, der Fakultät, der ~Schule~. Manche Fakultäten haben die Möglichkeit, ihrer Doktor:innen Lehrstühle einzurichten. Sie bestimmen gemeinsam die Entwicklung ihrer Schule. 3/
Das dritte Thema, das ich vorstellen will, steht im Kontext #BarrierefreieKommunikation. Das beschäftigt mich bereits seit 2013 in Auseinandersetzung mit #LeichteSprache. Ich möchte an diesem Beispiel einen zentralen Aspekt für Forschung herausheben: #Funding. 1/
Forschung lebt mittlerweile nicht nur von einer guten Idee oder kommunikativer Anschlussfähigkeit in der Communitas, sondern immer häufiger nur noch durch erfolgreiche Drittmitteleinwerbung. 2/
Ursprünglich zusätzliches Anreizmittel, um Forscher:innen zum lebenslangen und hochmotivierten Forschen zu ermuntern, werden heute viele Biographien dadurch geprägt, von Projektstelle zu Projektstelle zu ziehen, im akademischen Prekariat. 3/
Weil es den Kern linguistischer Forschung berührt, steige ich mit einem Thema ein, das mir sehr am Herzen liegt. Ich bin froh, dass es mich und ich es gefunden habe: #Konstruktionsgrammatik. 1/
Ich hatte am Montag schon erwähnt, dass es mich vor allem mit Alexander Ziem (@HHU_de) zusammenschweißt: Vier der fünf konstruktionsgrammatischen Titel, an denen ich mitgearbeitet habe, sind zusammen mit ihm entstanden. Die Aufsätze nicht mitgezählt. 2/
Aber worum geht es in der Konstruktionsgrammatik? Es ist ein Sprachwissensmodell, das, wie andere auch, auf spezifischen (und nicht immer expliziten) Prämissen aufruht und den Gegenstand Sprache aus einer bestimmten Perspektive in den Blick nimmt. 3/
Guten Morgen! Heute steht die ~Forschung~ auf dem Programm. Wie man auch an dieser Woche sehen kann, ist sie (leider) nur noch ein Teil meiner Arbeit. Das bedauere ich auf der einen Seite, auf der anderen kommen viele interessante Aspekte hinzu. 1/
Nichstdestotrotz kann ich Euch heute nicht alle Dinge vorstellen, in die ich involviert bin, sondern möchte drei Themen herausheben, von denen ich zwei eher kurz vorstellen werde, da sie an anderer Stelle gut ausdokumentiert sind. 2/
Zur Freiheit an Universitäten gehört, dass ich in der Forschung frei bin. Ich darf mir also meine Gegenstände selbst wählen, zu denen ich arbeite. Ein, zwei Haken hat das aber. Zum einen muss sich jemanden finden, der meine Fragestellung und damit mich finanziert. 3/
Jetzt nehme ich Euch mit zum Zukunftslabor "Lehre" @tudresden_de. Die Diskussionen hier, zwischen allen Statusgruppen unserer Communitas, sind zwar nicht öffentlich, aber ich stelle Euch das Format parallel gern vor. 1/
"Wie wollen wir lehren, wie wollen wir lernen?" Das ist die Leitfrage des fünften Zukunftslabors. Tina Engel und ich moderieren den Themenzirkel "Digitalisierung"; Kira Lauber (@kilau_hd) und Marie-Theres Ueberlein unterstützen uns dabei. 2/
Über 200 Teilnehmer:innen unserer Hochschule sind bei den Diskussionen dabei; thematisch werden neben der Digitalisierung, das Lehrleitbild, QM, Studiengangsentwicklung, LLL, Schlüsselkompetenzen und Studierendenzentrierte Services fokussiert. 3/
Heute möchte ich mich der ~Lehre~ zuwenden. Das wird etwas persönlicher, denn Lehre ~ist~ persönlich. Wenn es sich anbietet, werde ich immer wieder Brücken zum Thema ~Digitalität~ und ~Forschung~ bauen. 1/
Zunächst: Ich liebe die Universität für die Möglichkeiten, die sie mir für gemeinsames Lernen und Lehren gibt. Ich bin nämlich frei (§ 4 SächsHSFG) - und das muss man sich in jeder Bedeutungsnuance auf der Zunge zergehen lassen. Es ist ein Privileg meiner Communitas. 2/
Freilich, es gibt die ein oder andere Reglementierung. Diese erlegen sich (1) die Universitäten selbst auf, indem Sie z.B. bestimmte Studiengänge anbieten. Andererseits werden durch Land und Bund an (2) Studiengänge mit Staatsexamensabschluss Vorgaben gemacht. 3/