Warum den #Benzinpreis erhöhen? Ein #Thread.

Kaum gefordert, entbrennt in 🇩🇪 eine irrationale Debatte, die ihres Gleichen sucht. Fragt man in der Gesellschaft nach, finden alle Klimaschutz toll und wichtig.

Nur bitte nicht so, dass sich was ändert, möchte man meinen... 1/
Der Vorwurf: sozioökonomisch schwache Familien könnten sich dann die Mobilität nicht mehr leisten. Dabei steht eigentlich außer Frage, dass Erhöhung der Spritpreise auf der einen mit sozialen Maßnahmen auf der anderen Seite abgefangen werden müssen. 2/
Das ist auch explizit Teil der Forderungen. Die Realität ist vor allem: diejenigen, die sich Mobilität nicht leisten können, werden bereits vom Konzept Auto massiv ausgegrenzt. Es fehlt massiv an Infrastruktur im ÖPNV, das Schienennetz ist im marodesten Zustand aller Zeiten 3/
Ebenso bekannt: der Verkehrsektor wird sich nicht von alleine wandeln. Vor allem nicht in der nötigen Dimension die uns die 1,5 Grad Grenze in Form von einem Treibhausgasbudget noch lässt. Das wissen alle. 4/
Wenn wir also eine Verkehrswende wollen, müssen wir bereit sein an den Stellschrauben zu drehen die diesen Sektor maßgeblich bestimmen. Und da ist der Spritpreis ein wirksames Instrument, weil er direkt mit dem Verbrauch zusammenhängt. 5/
Aber ist Sprit nicht schon zu teuer? Tatsächlich kostet jeder Kilometer (!) mit dem Auto die Gesellschaft 0,15 €, die nicht über Subventionen oder Abgaben gedeckt sind. Das ist eine gesellschaftliche Subventionierung von 2 € pro Liter (!) Benzin. 6/
Geld, das wir in Form von Umwelt- oder Gesundheitsschäden bezahlen werden. Wobei „wir“ vor allem Menschen im globalen Süden und zukünftige Generationen sind. Seltsamerweise spricht niemand über diesen Benzinpreis, sollen halt die Menschen am anderen Ende der Welt zahlen. 7/
Hauptsache es bleibt alles, wie es ist. Diese verdeckte Subventionierung jedes Liters Benzin zu Lasten künftiger Generationen zeigt, wie komplett absurd, irrational und massiv ungerecht dieses Verkehrssystem funktioniert. Der Sprit ist nicht zu billig - er ist viel zu billig. 8/
Und wenn wir da keinen Paradigmenwechsel schaffen, werden wir nicht nur an der Klimakrise scheitern sondern die gesellschaftlichen Kollateralschäden werden eine Spaltung bedeuten, gegen die 15 Cent mehr für den Liter Benzin ein Sonntagsurlaub sein werden. 9/
Würden wir die Subventionen die wir ohne jede Debatte täglich in den Autoverkehr pumpen, auch nur zu einem Bruchteil in den Rad- und Nahverkehr stecken: wir würden auf goldenen Satteln durch die Städte radeln und mit Flatrate das Bortbistro leer saufen. 10/
Um zu glauben, wir könnten eine Verkehrswende schaffen ohne die massiven ökonomischen Vorteile des Autos im Wettbewerb zu Rad & Schiene zu korrigieren, gehört eine gehörige Portion Realitätsverlust. Wir stecken Unmengen an Subventionen in den Autoverkehr, die woanders fehlen. 11/
Diese Subventionen fehlen auf der Schiene und in der Sozialpolitik. Wer sich also bei steigenden Benzinpreisen plötzlich für die Ängste und Nöte von sozioökonomisch schwachen Menschen interessiert, ist vor allem eines: unglaubwürdig. 12/
Stattdessen werden die gesellschaftlichen Edge Cases, die überhaupt erst an dem Punkt sind weil man sich seit Jahrzehnten nicht für sie interessiert, missbraucht um einen völlig desolaten Gesamtzustand für alle zu rechtfertigen, nur damit sich bloß gar nichts ändert. 13/
Autos werden immer größer, stoßen mehr CO2 aus und parken unsere Städte immer voller zu. Die Rechnung zahlen Menschen, die weder die Wahl haben noch davon profitieren. Aber die Wende soll bitte von allein kommen, ohne dass wir es merken. Klar. 14/
Ich freue mich, wenn wir nun ähnlich emotional und engagiert über die Senkung der Tickets im ÖPNV um 15 Cent und den 15 Minuten Takt auf dem Land diskutieren. Nur beschleicht mich der Verdacht, dass es hier von Anfang an nicht um die Mobilitätsbedürfnisse armer Menschen ging. 15/
Stattdessen geht es primär darum, den Maximaleventualbedarf (credits an @kkklawitter ) eines völlig ungerechten Verkehrssystems zu rechtfertigen. Die Kosten können dann ja künftige Generationen zahlen. Nach mir die Sintflut, bitte.
Aber ernsthaft: wenn wir eine Verkehrswende wollen, dann werden sich Dinge massiv ändern müssen. Wer das nicht versteht, hat die Klimakrise in ihrer Dramatik nicht verstanden. Eine Überschreitung der 1,5 Grad Grenze ist nicht diskutabel. Und ja, da muss auch Sprit teurer werden.

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