Beispiel gefällig, wie wir mit der medialen Darstellung der #Klimakrise die Risikoeinschätzung der Expert:innen verzerren? Heute @SZ.
Am Montag wurde die “Klimawirkungs- und Risikoanalyse” von 25 Bundesbehörden, die mit den Folgen des Klimawandels zu schaffen haben, vorgestellt.
@MBauchmueller hat dazu einen guten & eindrücklichen Text geschrieben, er gehört zu dem Kolleg:innen, die seit Jahren & Jahrzehnten vor den Krisen & den Entwicklungen warnen, in denen wir jetzt stecken. sueddeutsche.de/politik/klimak…
Sagen wir es mal direkt: Die aktuelle Situation ist extrem besorgniserregend & die Zukunftsaussichten noch sehr viel alarmierender.
Also dachte ich, ich schaue mal, wie die Titelseite der @SZ am Tag nach der Vorstellung der Studie aussah.
Denn mir persönlich fällt nichts Relevanteres ein als die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen & damit die wissentliche Gefährdung von Menschen, nicht irgendwo, sondern in der eigenen Heimat - daher nach journalistischen Gesichtspunkten besonders berichtenswert. Würde man denken.
Und naja, immerhin hat es die Risikoanalyse tatsächlich auf die Titelseite geschafft - aber nicht auf die prominenten Plätze, sondern klein in die rechte Spalte. Die sagt: wichtig. Aber nicht ganz soooo wichtig.
Dass @DirkMessner, Präsident @Umweltbundesamt, bei der Vorstellung sagte: “Wir brauchen wirklich einen Perspektivenwechsel. Wir müssen aufhören & radikal absenken die Zerstörung & Verschmutzung von Ökosystemen. Das haben wir jetzt 200 Jahre betrieben, das muss ein Ende nehmen.
Wie können uns ansonsten an eine permanente Zerstörungsdynamik nicht länger anpassen.” Wir seien Teil der Ökosysteme & müssten uns ihnen endlich anpassen - nicht andersrum.
Übersetzt: Wir zünden das Haus an, in dem wir leben & machen genau das damit schwer bis unmöglich.
In den vergangenen Jahren habe ich oft solche Texte gelesen & gedacht: “Hm, klingt irgendwie nicht gut.”
Aber dann macht man weiter, liest an den folgenden Tagen Aufmacher, in denen sich mehr um Wirtschaftswachstum & Subventionen für Fluggesellschaften gesorgt wird …
… und wischt die Gedanken an die ökologischen Krisen gern beiseite - denn die wirtschaftlichen Sorgen scheinen ja immer noch größer & wichtiger zu sein.
Sonst würde einem das Thema ja in den anderen Tagen der Woche noch mal auf der Titelseite begegnen, oder? Gar als Aufmacher?
Aber das ist nicht der Fall. Nicht in dieser Woche. Nicht bei der @SZ.
Aber to be fair: Aber auch bei vielen anderen Medien viel, viel zu selten.
Viele Politiker:innen & Journalist:innen sagen regelmäßig, die Klimakrise sei die größte Herausforderungen der Menschheit, Corona eine Fingerübung im Vergleich. Aber weder handelt die Politik danach, noch priorisieren Medien Beiträge darüber konsequent anhand der Bedeutung.
Und am Ende sind es dann die dummen & egoistischen Wähler:innen, die keinen Klimaschutz wollen.
An der Berichterstattung kann es schließlich nicht liegen, wir hatten es ja im Blatt oder auf der Seite!!
Ah und oben fehlt sowas wie: Dass er sowas Grundlegendes sagte, wie … - das ahnt man nicht.
Aber ich glaub, man versteht’s.
Noch mal ganz deutlich formuliert: Es ist also durchaus möglich, zum Teil sehr gute Klimaberichterstattung zu machen & die Bedeutung der Krise gleichzeitig extrem zu verzerren.
It’s called strukturelles Problem and we should talk about it.
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Ok, bin gerade cheesy drauf & ich weiß, ich bin noch in ner Wohlfühl-Bubble: Aber wisst ihr, was mir immer wieder Hoffnung & gute Laune gibt?
Dass mir hier mittlerweile 10.000 Leute folgen & viele davon klug, konstruktiv, freundlich diskutierten & gemein an Lösungen arbeiten.
Dass ich hier Solidarität & Unterstützung erlebe & beobachte, wie ich sie mir gesellschaftlich wünschen würde, in den Umbrüchen & Krisen, die kommen werden. Und wie ich sie auch in anderen Bereichen beobachte, etwa Sexismus, Rassismus, Ableismus, die sich immer mehr verbinden.
Und dass das - entgegen aller Klischées - lange nicht nur weiße, urbane Akademiker:innen sind, die sich einbringen & interessieren. Im Gegenteil. Sondern die unterschiedlichsten Leute & Alter - schließlich sind alle von den Krisen betroffen.
Sich mit der #Klimakrise auseinanderzusetzen ist hart, auf sehr vielen Ebenen. Aber es ist auch ein wertvoller Prozess. Persönlich & gesellschaftlich.
Was mir in den letzten Wochen geholfen hat, war u.a. das Buch von @besal & @RaphaelThelen.
Es beschreibt sehr gut, wo wir stehen, erkundet, wie es gesellschaftlich dazu kommen konnte & wie wir von jetzt an weitermachen können. Und das auf sehr andere, persönlichere Art als vieles, was ich bisher gelesen habe.
Raphael & Theresa stellen sich ihrer eigenen Verdrängung, ihren Gefühlen & nehmen uns nicht nur mit auf eine Reise durch die Welt, sondern auch durch ihre eigene emotionale Entwicklung.
Weil das wirklich noch nicht verstanden ist, versuche ich mal, es zu übersetzen:
Die fetten Jahre sind vorbei.
Wir haben jahrzehntelang ohne Rücksicht auf die planetaren Grenzen gelebt & gewirtschaftet, “Kosten externalisiert”, also unsere Umwelt, in der wir leben, verschmutzt,
Seit wohl mindestens 800.000 Jahren war nicht so viel CO2 in der Atmosphäre.
Damit haben wir unsere Erde bereits heute so stark aufgeheizt, dass wir uns damit aus dem für Menschen angenehm stabilen Erdzeitalter Holozän katapultiert haben. In dem es überhaupt erst möglich wurde, Landwirtschaft zu betreiben & unsere Zivilisationen zu entwickeln.
Manchmal weiß ich nicht, was mich mehr entsetzt: Wie wenigen Politiker:innen & Journalist:innen klar zu sein scheint, wie akut unsere Situation ist. Oder wie wenige von denen, die es wissen, da öffentlich klar und deutlich drüber sprechen.
Wie wollen wir Krisen lösen, dessen Ausmaß vielen gar nicht bewusst ist?
Auch COVID-19 kann nur eingedämmt werden, weil genug Menschen anerkannt haben, dass es mehr ist als eine Grippe. Davon sind wir bei #Artensterben & #Klimakrise diverse Parallelwelten entfernt.
Wir verheddern uns öffentlich in Debatten um Detailfragen wie Kurzstreckenflüge, wenn das, was wir eigentlich brauchen, um die Krisen zu lösen, große strukturelle Änderungen sind. Und das zum Großteil umgesetzt bis 2030.
Auch in deutschen Medien wurde ausführlich analysiert, wie von Rupert Murdoch geführte Medien massiv die öffentliche & politische Wahrnehmung der Klimakrise in Australien beeinflusst haben.
Und wenn hier Stefan Aust den Klimawandel leugnet, interessiert das so gut wie niemanden?
Weil das … vermutlich nur seine Privatmeinung ist??
Wenn er etwas offensiv sexistisches oder rassistisches gesagt hätte, wäre hier - zurecht - eine riesige Debatte losgebrochen. Auch darüber, warum man das im Interview nicht stärker kritisch einordnet & ob & was das wohl strukturell für die Berichterstattung bei der Welt bedeutet.
Ist es nur mein Wahrnehmung oder kann es sein, dass diese “Labor-These” zum Ursprung von #Corona mittlerweile medial 1000-fach mehr Aufmerksamkeit bekommen hat als der nachweisbare Zusammenhang von Klima- & Biodiversitätskrise und Zoonosen?
Mir kommt es so vor als würden viele immer noch annehmen, Covid-19 sei ein großer Zufall und sowas passiere höchstens alle 100 Jahre. Dass die Gefahr steigt, dass sowas immer häufiger kommen wird, nicht nur Pandemien in Asien, scheint mir in der Breite nicht wirklich begriffen.