Auch die Wissenschaft müsse ihre Rolle überdenken, sagt Myriam Rapior von @BUNDjugend auf dem Panel zur Kommunikation von Klimaforschung und bekommt dafür - im Vergleich zu anderen Beiträgen - schon fast tosenden Applaus.
In der Zukunftskommission Landwirtschaft sei oft sie es gewesen, die wissenschaftliche Fakten einbringen musste und die Wissenschaftler:innen aufforderte, eben mit diesen Fakten zu widersprechen, wenn Politiker:innen nachweislich schädliche Entscheidungen treffen wollten.
Wie kann das sein?
Noch immer empfinden es viele Forscher:innen als ihre Rolle, Fakten vor allem zusammenzutragen. Sie dann auch entsprechend verständlich zu kommunizieren und zu verteidigen, gilt vielen als politisch – und damit als nicht schicklich.
Auch ich habe in den vergangenen Monaten diese Erfahrung gemacht, habe darüber – und welche Gründe & Schwierigkeiten ich auch nachvollziehen kann – hier auch schon geschrieben.
Und ich weiß, dass auch viele Wissenschaftler:innen unzufrieden sind mit der Situation.
Vor der #btw21 habe ich viele Expert:innen gefragt, ob es denn stimmt, dass die kommende Bundesregierung realistische betrachtet die letzte sein wird, die evtl. noch ausreichende Maßnahmen umsetzen kann, damit wir unseren Anteil leisten, um das 1,5-Grad-Limit einzuhalten.
Ja, genau so sei es – das versicherten mir alle, mit denen ich sprach.
Ob es unter Wissenschaftler:innen denn Initiativen gäbe, das vor der Wahl entsprechend größer zu kommunizieren, fragte ich daraufhin. Ob irgendwer eine Pressekonferenz, oder zumindest eine Pressemitteilung plane, denn offenbar komme das im öffentlichen Diskurs ja nicht an.
Einige hatten darüber nachgedacht, andere versuchten offenbar entsprechende Initiativen anzuschieben. Es scheiterte wohl daran, dass es zu wenige öffentlich unterstützen wollten.
Das sei – so die Begründung – zu politisch.
Wenn es als politisch verstanden wird, Fakten öffentlich zu vertreten, dann haben wir ein Problem.
Zumindest dann, wenn Wissenschaftler:innen (und ja auch Journalist:innen) sich deswegen nicht trauen, diese klar und deutlich zu benennen.
Ich kenne viele Forscher:innen aus der 2. und 3. Reihe, die monatelang versuchten, genau das zu erklären, aber nicht durchdrangen.
@rahmstorf war es dann – mal wieder –, der es nicht mehr aushielt und, zwei Wochen vor der Wahl, die Lage klar formulierte: spiegel.de/wissenschaft/m…
Nur bringt das nicht viel, wenn andere hochrangige Wissenschaftler:innen es vorziehen öffentlich zu schweigen oder sich weniger klar auszudrücken.
Vielen wird das nicht klar sein, daher beschreibe ich Ihnen mal das Bild, dass das im öffentlichen Diskurs für viele ergibt:
Hans-Joachim Schellnhuber gilt vielen als Exzentriker, der gern markige Worte nutzt und – so der Eindruck – dabei die Realität etwas überzieht. Denn wenn es wirklich so schlimm wäre, naja, dann würden das ja auch andere so deutlich sagen.
Ein paar andere, am bekanntesten wohl @rahmstorf, @CKemfert, @beyond_ideology, @VQuaschning, Mojib Latif, die sich ebenfalls klar ausdrücken, gelten – wenn auch langsam weniger – bei vielen Journalist:innen als „aktivistische Wissenschaftler:innen“, die nicht ganz objektiv seien.
Alle anderen, die es vorziehen, sich nicht zu klar auszudrücken, gelten als „die wahren Wissenschaftler:innen“ und solange die sich ruhig und ungerührt immer wieder erklären, solange muss die Situation ja unter Kontrolle sein.
Das ist sie nicht.
Nur: Dass Sie alle vom gleichen wissenschaftlichen Konsens ausgehen und die Bewertungen der Situation gar nicht so unterschiedlich sind, wie ich es lange Jahre wahrgenommen habe, war mir nicht ansatzweise bewusst. Und das ist es vielen anderen wohl auch nicht.
Wir sind in der wohl brenzligsten Situation, in der wir sein könnten. Noch ein paar Jahre und die Situation ist nicht mehr brenzlig, sondern sie wird katastrophal.
Ja, auch dann wird es sich noch lohnen, um jedes Zehntelgrad und jedes Ökosystem zu kämpfen.
Aber die planetaren Krisen sind nicht verstanden, weder wie akut sie sind, noch wie umfassend. Und solange das nicht der Fall ist, werden wir keine adäquten Maßnahmen ergreifen, um sie zu lösen.
Wann, wenn nicht jetzt, ist es Zeit, all das so deutlich wie möglich auszusprechen?
Ps: Auch darüber, dass Wissenschaftler:innen den geringsten Anteil daran tragen, dass wir in dieser Situation stecken, habe ich schon geschrieben. Aber es nutzt ja nichts, wir müssen jeden Hebel betätigen, den wir haben.
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Die einen nennen das Ergebnis der #COP26 "historisch", andere bezeichneten die Verhandlungen von vornherein als BlahBlah.
Wie kann es sein, dass Beobachter:innen & Beteiligte zu so unterschiedlichen Einschätzungen kommen?
Und: Wer hat recht?
Die zunächst paradox anmutende Antwort: Beide.
Es kommt auf die Perspektive an.
(Wohl die allermeisten Expert:innen haben eh einen differenzierten Blick, betonen aber - je nach Strategie oder Weltsicht - eine der beiden Seiten.)
Die Perspektive der einen: Nach Jahrzehnten von Verhandlungen ist es tatsächlich ein Fortschritt, nicht mehr auf 4 Grad Erderhitzung oder mehr zuzusteuern, sondern „nur noch“ auf 2,4 Grad.
Gegenfrage: Ist Corona-Berichterstattung Aktivismus?
Waren die Journalist:innen von @zeitonline aktivistisch, als sie zu Beginn der Pandemie eine Erklärung der damals für uns neuen AHA-Regeln auf ihrer Homepage fest eingebettet hatten?
Offensichtlich mit der Absicht, ihre Leser:innen aufzuklären und so im Idealfall auch Verhalten zu beeinflussen und zur Eindämmung des Virus beizutragen?
Late to the party, aber ich habe mir noch mal das Klima-Herbst-Programm des @mdrde angeschaut & muss sagen: Ich bin echt ganz schön beeindruckt.
Ich habe jetzt noch nicht alle Inhalte gesehen, aber hier ein paar Punkte, die ich bemerkenswert finde ... mdr.de/presse/fernseh…
- Mit dem Themenschwerpunkt gehen strukturelle Veränderungen einher.
- Der MDR schafft neue Formate, verstärkt Klima aber auch in bestehenden.
- Sie arbeiten mit etablierten Expert:innen, stärken aber auch die Expertise im Haus.
- Sie versuchen gesellschaftl. Dialog zu fördern.
- Sie brechen das vermeintlich abstrakte, globale Thema auf Entwicklungen vor der Haustür runter & machen sie so greifbar und verständlich.
- Sie zeigen Lösungsansätze aus der Region.
Um genauer zu beurteilen, wie gut das gelingt, müsste ich jetzt noch mehr Beiträge anschauen.
Mein Thread, in dem ich erkläre, warum Angela Merkel meiner Meinung nach das Ausmaß der #Klimakrise nicht komplett verstanden haben kann, war mein bisher meist kritisierter.
Tut mir Leid, kann man anders sehen, aber nach ihrer Rede bei der #COP26 bleibe ich da eindeutig dabei.
Wer verstanden hat, wie tief wir in der Scheiße stecken und welche Auswirkungen das für schon heute lebende Generationen hat – längst nicht "nur" für die Jungen –, wenn wir nicht massiv gegensteuern und Regierungen endlich effektiv handeln.
Und wer sich dann in seiner letzten großen Rede, in der er nichts, aber auch gar nichts mehr zu verlieren hat, hinstellt und völlig ungerührt komplett unzureichende Maßnahmen bewirbt – dafür muss man schon sehr, sehr abgebrüht sein.
Wann ist eigentl. der Zeitpunkt, ab dem mehr Grüne anfangen deutlicher über die #Klimakatastrophe zu sprechen? Vor der Wahl ging nicht wegen Wahl, gerade geht nicht wegen Koalitionsverhandlungen. Danach? Oder geht das nicht, weil man es davor nicht gemacht hat & nun komisch wäre?
Das ist nicht despektierlich gemeint, ich verstehe ja die Logik. Aber ich stelle mir die Frage echt. Denn uns läuft ja die Zeit davon & ich weiß noch immer nicht, wie wir eine Krise lösen sollen, dessen Ausmaß sich die allermeisten Menschen offenbar gar nicht bewusst sind.
Wenn wir letzteres nicht ändern, werden wir keine Mehrheiten von den nötigen Maßnahmen überzeugen können. (Ich weiß, um die Rolle des Journalismus hier, aber in einem Kommunikationsmodell gibt es unterschiedliche Beteiligte.)
Es macht mich ein bisschen wahnsinnig, dass #Klimaangst in Beiträgen oft als was Pathologisches dargestellt wird.
Ich habe auch Angst vor der, vor meiner Zukunft.
Und wie ich mir in Gesprächen mit X Klimawissenschaftler:innen habe bestätigen lassen, ist das komplett rational.
Menschen, die Angst haben, sind weder komisch noch haben sie per se ein Problem. Diese Angst ist eine normale Reaktion, wenn man sich dem stellt, was auf uns zukommt.
Sie wird zum Problem, wenn sie eine:n lähmt & dauerhaft überwältigt. Dann kann & sollte man sich Hilfe suchen.
Ich denke nicht, dass man aktiv Angst erzeugen sollte, um Menschen den Ernst der Situation klar zu machen. Überhaupt nicht, das ist nur kontraproduktiv & führt zu Verdrängung.
Aber man kann nicht verhindern, dass Menschen sich sorgen, wenn sie das Ausmaß der Krise verstehen.