Liebe Kolleg*innen,
ich weiß, es gibt nette Umfrage-Tools da draußen. Diese Tools gelten als gutes Mittel zur Engagement-Steigerung, sind aber für Corona-Themen absolut ungeeignet.
Ich würde sogar sagen: Es ist fahrlässig, sie in solchen Fällen zu nutzen.
Warum? Ein Thread. /1
Sobald ein Medium mit Opinary & Co. eine Umfrage à la "Was halten Sie von #3GamArbeitsplatz?" startet, passieren folgene Dinge: 1. #Querdenker*innen stoßen auf die Umfrage und teilen Sie in einschlägigen Telegram-Gruppen. Verbunden mit der Aufforderung ... /2
... doch im Sinne der Szene daran teilzunehmen.
2. Das Umfrage-Ergebnis wird verzerrt, kippt in Richtung der #Querdenker*innen-Meinung.
3. #Querdenker*innen gehen davon aus, ein erheblicher Teil der Bevölkerung teile ihre Meinung – obwohl sie die Umfrage manipuliert haben. /3
4. #Querdenker*innen fühlen sich in ihrem Weltbild bestärkt: Sie interpretieren die angebliche Zustimmung als Auftrag, weiter zu protestieren.
Und: Wenn so viele angeblich ihrer Meinung sind, die Politik trotzdem entgegengesetzt handelt, passt das in ihr Diktatur-Framing. /4
5. Daraus ergibt sich eine Legitimationsgrundlage für die Handlungen einer sich fortschreitend radikalisierenden Szene, die auch vor Gewalt nicht zurückschreckt.
Das kann nicht in unserem Interesse als Journalist*innen sein. /5
"Leber war im Auftrag der Redaktion an die Grenze gereist, um über die Situation der Flüchtlinge im Grenzgebiet und ihre umstrittene Rückführung durch die kroatische Polizei zu berichten."
Volle Solidarität. Der Kollege soll morgen nach Berlin zurückkehren.
Dass die Großdemonstration von #Wien der radikalen #Querdenker-Szene neuen Auftrieb geben wird, war zu erwarten.
Welche Hoffnung die Szene mit #w2011 verbindet, zeigt das Hochglanz-Propagandavideo des verschwörungsideologischen österreichischen Senders "Auf1 TV": Ein Thread 👇
Ich zitiere:
"Heute beginnt der Aufstand. Heute beginnt der massive Widerstand, die letzte Möglichkeit einer friedlichen Auseinandersetzung."
Die Demonstrierenden würden per "Generalstreik" dem "System den Stecker ziehen." Darauf folge "ein Kollaps".
"Es ist eine revolutionäre Stimmung, es sind hunderttausend in den Straßen. Das gab es noch nie. Jetzt beginnt eine Wende."
Zur Einordnung: Der Sender ist YT-unabhängig, arbeitet mit radikalen Szene-Größen wie Oliver #Janich und hat 139k Telegram-Follower.
Vorneweg: Ich halte nichts von Hashtags wie #QuerdenkerSindTerroristen. Ich finde sie sind pauschalisierend, analytisch stumpf und helfen niemandem weiter. Außer als Ventil. (1/10)
Was wir aktuell nicht wissen: In welcher Beziehung steht der mutmaßliche Täter zur #Querdenker-Szene? Hatte er Kontakte zu (zentralen) Akteuren? Sieht er sich selbst als Teil davon? Nahm er an Aktionen/Demos teil?
Das sind erstmal eine ganze Menge offener Fragen. (2/10)
Was wir wissen: Er lehnte die Corona-Schutzmaßnahmen ab. Er tötete nach eigenen Angaben aus Ärger über die Zurückweisung und die Aufforderung, eine Maske zu tragen. (vgl. presseportal.de/blaulicht/pm/1…)
Er informierte sich wohl aus szeneüblichen Quellen. (3/10)
In einer #Querdenker-Telegramgruppe aus #Stuttgart wird auf eine heutige Impfaktion an einer Schule hingewiesen. Man solle "Kinderseelen [...] retten". Adresse steht dabei. Im Kommentarbereich fragt jemand, ob der Bus schon da ist. @PP_Stuttgart@stuttgart_stadt (1/3)
Narrative von angeblichem Kinderleid dienen nicht nur #Querdenker*innen als Rechtfertigungsgrundlage für ihre Handlungen. Ähnliches kennen wir schon lange aus der rechtsextremen Szene. Auch im Zusammenhang mit #QAnon spielt das Kinderleid-Motiv eine zentrale Rolle. (2/3)
In einer #Querdenker-Telegramgruppe wurde im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Mord von #IdarOberstein die Vermutung geäußert, der mutmaßliche Täter habe das vielleicht "für seine Kinder gemacht". Fairerweise: dafür gab es in der Gruppe harsche Kritik. (3/3)
"Hier wird bald etwas explodieren, glauben Sie mir", hat eine Frau gestern in #Schorndorf die Ausstellung #MenschenImFadenkreuz kommentiert.
Ich daraufhin: "Ich hoffe nicht."
Sie: "Aber es wird passieren."
Ich: "Sie hoffen doch auch, dass es nicht passiert?"
Weg war sie. (1/5)
Die Frau hatte zuvor bereits die ausgestellten Porträts von Menschen, die auf rechtsextremen #Feindeslisten stehen, so kommentiert: "Ich kann verstehen, dass diese Leute solche Listen machen."
Es folgten rassistische Aussagen, vorgetragen mit Hass in Stimme und Blick. (2/5)
Auch ein älterer Mann hatte sich rassistisch zu einem Porträt geäußert und sprach auf widerlichste Weise über Homosexualität. Beiden, der Frau und dem Mann, haben wir energisch widersprochen. Beide gingen am Ende ihrer Wege. Die Ausstellung #MenschenImFadenkreuz blieb. (3/5)
Ich war heute in #Schorndorf, wo wir die Ausstellung zum Projekt #MenschenImFadenkreuz gezeigt haben. Zu sehen sind Porträts von Menschen, die auf #Feindeslisten von Rechtsextremen stehen.
Und ihr glaubt nicht, was für eine Wirkung das auf die Besucher*innen hatte. (1/8)
So viele Menschen haben sich heute uns gegenüber geöffnet. Drei Beispiele
Beispiel 1: Eine Frau, die mir erzählte, ihr Großvater habe im #RemsMurrKreis gegen die Nazis Widerstand geleistet. Ihr Vater stamme aus dem Senegal. Trotzdem sei ihr Neffe rechtsextrem eingestellt. (2/8)
Sie selbst lebe in Frankreich und sei immer wieder schockiert, wie alltäglich #Rassismus in Deutschland sei. Und das so selten jemand dagegen protestiere. Sie war sichtlich gerührt, dass in der Stadt, die ihr Großvater Heimat nannte, nun so eine Ausstellung zu sehen ist. (3/8)