Ich habe nun sehr lange überlegt, ob ich schreibe. Angesichts dieser völlig beschissenen Lage, diesem epochalen politischen Versagen und diesen ganzen Arschlöchern da draußen, möchte ich aber, dass ihr mal merkt, dass Eure "Helden" nicht unverwundbar sind.
2 Jahre Corona. Zig Lockdowns, zig Querdenker-Clowns, zig mal Quarantäne, dumme politische Entscheidungen und der Glaube, dass das med. Personal es schon wieder richten wird. Völlige Planlosigkeit, völlige Ignoranz, grenzenlose Blödheit und die Hoffnung, dass alle durchhalten.
Die Angst sich auf Arbeit zu infizieren. Das Leid, die Qual und den Tod täglich vor Augen. Die Kinder ungeimpft und schutzlos in ihrer Schule und der Kita ausgeliefert. Immer darauf wartend, dass sich einer von beiden infiziert und meine ganze Familie erkrankt.
Pflegekräfte sind auch Bürger dieses Landes.
Wir haben Familien. Kinder.
Wir haben Vorerkrankungen.
Wir haben Ängste und Sorgen.
Wir leben nicht in einer Parallelwelt.
Wir leben neben Euch. Tür an Tür.
Wir sind keine Helden.
Wir sind Menschen.
Wir sind wie Ihr.
Zig tausende ITS-Betten sind nicht mehr betreibbar, weil das Personal völlig am Ende ist. Die die gehen konnten sind gegangen. Der Rest blieb, musste bleiben. Und sie müssen nun eine 4. Welle durchstehen, die viele weitere KollegInnen innerlich brechen wird.
Es wird wieder über längere Arbeitszeiten diskutiert. Über Aussetzen der Personaluntergrenzen. Durchhalteparolen werden ausgegeben. Mein Klinikvorstand schreibt: "Stellen wir uns jetzt gemeinsam auf einen Dauerlauf statt auf einen Sprint ein."
Ich bin raus.
Ich werde für Wochen erstmal raus sein. Ich bin gebrochen. Moralisch, seelisch und körperlich. Ich kann nicht mehr.
Ich leide seit einigen Jahren unter Depressionen. Die letzten 2 Jahre haben mich in eine depressive Episode katapultiert, die mich verändern wird.
Ich habe meinen Beruf immer sehr gerne gemacht. War immer auf Höhe der Zeit. Habe gedacht, dass ich resilient genug sei, um der immer schlimmer werdenden Belastung stand zu halten.
Nicht nur beruflich bin ich gescheitert, auch privat.
Wie mir geht es vielen tausenden Pflegefachleuten und auch ÄrztInnen. Man hat uns verbrannt, geopfert und versucht jetzt unseren letzten Funken Moral mit saudämlichen Sprüchen über Golf spielen und "nur nicht da, weil wir Überstunden abfeiern" zu zerschießen.
Mir bleibt nur eins zu sagen.
Macht Euren Scheiß jetzt alleine.
Seht zu wie Ihr fertig werdet.
Ich kümmere mich jetzt erstmal um mich selbst, bevor ich mich wieder um andere kümmere.
Denn ich muss mich noch viele Jahre ertragen. Euch Flachzangen, kann man dagegen abwählen.
Ich möchte nur mal daran erinnern, dass zur #BerlinerKrankenhausbewegung gerade ein weiterer Konflikt zu eskalieren droht.
Am Freitag war 1. Tarifrunde für den Tarifvertrag der Länder (TVL). Da geht es u.a. um die Gehälter des Pflegepersonals in den Universitätskliniken.
Der Niedersächsische Finanzminister #Hilbers (#CDU), seines Zeichens Verhandlungsführer der Arbeitgeberseite (TdL), ließ mit den Respektlosigkeiten nicht lange auf sich warten.
Respektlos ist da schon bald der falsche Begriff. Unterirdische Kackscheiße trifft es eher.
Es ist jetzt kein Witz. Man sagte wirklich, dass...
...es keinen Fachkräftemangel gebe. Höchstens lokal und nur kurz.
...es kein Nachwuchsproblem in der Pflege gibt.
...mehr Gehalt nicht drin sei, weil man Kredite abzahlen müsse und man sonst Stellen streicht.
Wisst ihr was mir ganz derb auf den Kranz geht? Diese Diskussion um den Pflegeschlüssel.
Das nervt mich mitunter so sehr, dass ich mich richtig in Rage reden kann. Egal mit wem ich da eine Unterhaltung führe. Der Letzte den ich so umgefahren habe war unser OA.
Und das kam so.
Vor einigen Wochen nahm mich der Oberarzt (OA) beiseite und fragte, wie lange man noch gedenkt die 2 Betten zu sperren. Schließlich sind wir eine große Klinik und falls mal einer meiner Angehörigen...blaaa blaaa...
Ab dem Punkt war ich bereits auf Betriebstemperatur.
Warum argumentiert man immer mit den eigenen Angehörigen? Warum soll das eine 1:3 oder 1:4 Pflege rechtfertigen? Warum sollen wir die miese Personalpolitik der letzten Jahre ausbaden? Und warum sind eigene Angehörige mehr wert als jeder andere Mensch?
Gestern war unsere Stationspsychologin bei mir und sagte, dass sich die Angehörigen einer Patientin für das Gespräch bedankt haben, welches ich mit Ihnen geführt habe. Sie fühlten sich gut aufgehoben und ich habe ihnen ein Stück weit die Angst genommen.
Ja, auch das ist eine Aufgabe der Profession Pflege. Ob das nun vergütet wird oder nicht. Es ist wichtig. Punkt.
Ich komme aus der Intensivpflege. Da herrscht sehr viel Unsicherheit seitens der Angehörigen.
Beatmete Patienten mit denen man reden kann?
Die man gar berühren kann?
So viele Kabel.
Zig Schläuche die irgendwo beginnen und irgendwo enden.
Alarme auf dem Monitor.
Alarme an Geräten.
Die unterschiedliche Wertigkeit der Alarme.
Zahlen. Überall Zahlen.
Man spürt die Anspannung der Familie in jeder Sekunde.
Die MitarbeiterInnen in den Gesundheitsberufen werden nicht nur oft Opfer von Gewalt. Man lässt uns auch nach traumatischen Erlebnissen oft allein.
Man geht häufig davon aus, dass wir das schon "wegstecken", es zum Beruf halt dazu gehöre und man nur ein "dickes Fell" braucht.
Eine Kollegin sah vor Jahren, wie sich ein Patient aus dem Fenster in den Tod stürzte. Es verfolgt sie bis heute. Immer wenn Patient*innen am Fenster stehen, hat sie Flashbacks und bekommt Panik. Aufgearbeitet hat man das nie. Geholfen hat man ihr zu keiner Zeit.
Vor 8 Jahren nahm ein Patient zwei Ärzt*innen als Geisel und bedrohte sie mit einer Schusswaffe. Erst nachdem sie versprachen ihn auf die Palliativstation zu verlegen, ließ er sie gehen.
Als beide den Raum verlassen hatten, schoss er sich in den Kopf.
Dienstpläne sind in den Augen toxischer EntscheiderInnen ein probates und gern genommenes Instrument zur Machtdemonstration und Machtausübung. Beim Bossing, dem Mobbing von Führungskräften ausgehend, ist der Dienstplan das 1. Wahl-Druckmittel, wenn es gegen MitarbeiterInnen geht.
Es ist auch ein sehr perfides Mittel, da die MitarbeiterInnen kaum Möglichkeiten haben sich dagegen zu wehren. Dienstplanwünsche werden konsequent mit Verweis auf die Betriebsabläufe ignoriert. Urlaub wird so geplant, dass die angrenzenden Wochenenden Arbeitswochenenden sind.
Emotionale und moralische Erpressungsstrategien finden sich u.a. im "Wenn du unter der Woche nur Frühdienst machen kannst, dann muss jemand anders IMMER Spätdienst machen." wieder. Vor dem Team werden familientaugliche Arbeitszeiten genau SO abgebügelt. Spaltung incoming.
In der Intensivmedizin habe ich in meinen Anfangsjahren einen sehr wichtigen Satz mit auf den Weg bekommen:
"Schaffen wir uns eine beherrschbare Situation."
Es bedeutet, dass wir uns so oft wie möglich Gedanken um "was wäre wenn" und um Eventualitäten machen müssen.
Intensivmedizinerinnen, wie auch die Intensivpflege, hassen nichts mehr, wie wenn man einem Ereignis hinterher laufen muss und dadurch wertvolle Zeit verloren geht. Intensivstationen sind so eingerichtet, dass Dinge in Griffnähe und schnell zu erreichen sind.
Täglich wird kontrolliert und nach Füllständen gesehen. Dinge werden farblich beschriftet, damit man gezielter greifen kann. Alles ist mit System sortiert, damit es logisch und einfach zu finden ist. Geräte sind so aufgerüstet, dass man sie jederzeit sofort nutzen kann.