Thread by @DarthSquig

Die #Pfadabhängigkeit ist mE das größte Problem für den deutschen Politikbetrieb. Alle laufen wie mit Scheuklappen durch ihren Berufsalltag, Kommentare von außen verbittet man sich.

Im Prinzip fehlt eine Anthropologische Sicht (ausgerechnet das, von allen Wissenschaften)

Um da nochmal drauf aufzubauen:
Das deutsche politische System und die deutsche politische Kultur ist gut darin, Stabilität zu erzeugen. Beides ist wirklich grandios schlecht darin, Menschen dazu zu bringen, Fehler zuzugeben, im Prinzip haben wir gar keine Fehlerkultur.

Entweder Politiker*innen stolpern über eigentlich kleine Fehler so sehr, dass eine Staatsaffäre draus wird (Wulff),oder Fehler werden einfach gar nicht zugegeben (Afghanistanrückzug, Abhängigkeit von Putins Öl, Lindners Gespräch mit Melnyk am ersten Tag der Invasion Russlands,…)

Oft werden diese einfach weggelächelt, durch die Fehler anderer, durch Machtspielchen in den Parteien und eine vermeintliche Unausweislichkeit:
Ich bin nicht zufrieden damit, dass wir einen Kanzler haben, der in Hamburg den Rechtsstaat und das finanzielle Gleichgewicht.

…unserer Gesellschaft so mit den Füßen getreten hat wie #Scholz, ich finde es unakzeptabel dass eine Person, die so schamlos gelogen und betrogen hat in ihrer wissenschaftlichen Karriere ohne ein Wort des Bedauerns jetzt erste Bürgermeisterin von Berlin ist #Giffey.

Beides wird im Prinzip völlig normalisiert, von weiten Teilen selbst progressiver Poilitiker*innen in der SPD, von der Presse sowieso. Zugegebenermaßen waren die Versuche der Union, sich dagegen zu stemmen, auch völlig lachhaft. Dennoch: es gilt eindeutig: #Mightmakesright

Das erklärt auch den völlig verkorksten Umgang in der Grünen Parteizentrale mit eigenen Fehlern; selbst als die zugegeben wurden war die Öffentlichkeit nicht in der Lage, diese richtig einzuordnen: weder ins Verhältnis der ‚Shortcomings‘ (gibts dafür ein gutes deutsches Wort?)…

der anderen 2 Kandidaten, noch, wo sie herkommen und was sie für die Fähigkeiten der Grünen Spitzenpolitiker*innen bedeuten (siehe deren Performance als Minister). Ich habe ein wenig das Gefühl, dass wir unbewusst merken, dass in der Spitzenpolitik viele ‚Blender‘ am Werk sind,…

aber sobald es bei einer Person rauskommt ist das der Skandal und eine persönliche Verfehlung,statt uns mit der dahinter liegenden Systematik und Medienlogik zu beschäftigen & diese ggf zu reformieren. Man gucke auf #Transparenz- & #Lobby gesetze, man gucke auf die #Maskenaffäre.

Dabei ist das Machen von Fehlern zutiefst menschlich, das Zugeben dieser und daraus lernen unersetzlich für persönliches Vorankommen und gesellschaftlichen Fortschritt. Wir haben auf diese Art und Weise unsere Politik ein Stück weit entmenschlicht. #Fehlerkultur

Das Problem ist jetzt: das ganze fällt uns auf die Füße, und wir sind nicht in der Lage, #Kritik von Außen an- oder auch nur wahrzunehmen, weil wir und unser System ja unfehlbar sind. #Pfadabhängigkeit

Man kann mit weiten Teilen der deutschen Öffentlichkeit kein Gespräch darüber führen,dass die #fünfprozenthürde ein massiver Eingriff in die Wahlgleichheit ist. Sie ist ein rechtfertigbarer Eingriff, den ich dennoch für falsch halte, aber für viele andere ist sie unangreifbar.

Bei den meisten, habe ich das Gefühl, dass nicht verstanden wird, wie massiv dieser Eingriff ist. Und das ist ein Problem. Man steht hinter dieser Wahlregel, will sie nicht in Frage stellen und ist in einer #Pfadabhängigkeit gefangen, die jegliche Diskussion unterdrückt.

Das ist dem Ernst der Sache nicht gerecht.

Bei der #Maskenaffäre gab es einzelne raffgierige Politiker*innen, die ihr Mandat missbraucht haben. Dass die politische Kultur in der Union diese Leute magisch in die CDU/CSU ziehen könnte und dieses rücksichtslose Verhalten fördert:

Keine Diskussion, man müsste ja Fehler eingestehen & sich selbst hinterfragen. Dabei existiert der sozialliberale Flügel der Union quasi nur noch auf Twitter & im EP.

Dass die #wirtschaftspositionen der FDP,der Union (gerade unter #Merz)& der Wirtschaftsweisen wissenschaftlich…

seit fast 20 Jahren widerlegt ist, inklusive Wirtschaftswachstum durch Sozialwirtschaft (ggü Trickle Down), Bankenkrise und Jugendarbeitslosigkeit im Rest der EU: Schuld haben einzelne rücksichtslose Bänker, wir profitieren vom System, also sind die anderen Länder selbst Schuld.

Es sei ja möglich vom System zu profitieren. (Dass das nur möglich ist, wenn viele nicht profitieren, und das systemisch ausgebaut wurde: Egal!)

Dass bei der Einführung des Harz IV Systems Fehler gemacht wurden: Egal, kann die Sozialdemokratie nicht zugeben.

Dass es ev. Besser gewesen wäre, in der Pandemie so zu kommunizieren, dass man es mit Erwachsenen zu tun hat, was zB Wissen zu #Masken am Beginn der Pandemie (inkl. der Nichtverfügbarkeit von FFP2 Masken jenseits vom medizinischen Gebrauch) angeht: Egal.

Dass wir uns bei #Nordstream2 (und eigentlich auch #1) gehörig verrannt haben? Egal.

Dass #Erdogan kein demokratischer Partner sein kann? Egal, und oh, Herr #Putin, hier ist unser Geld für mehr Öl! Gas! Energie!

Wir sind unfähig,uns außerhalb von sehr engen Parametern selbst zu hinterfragen,wir sind unfähig,Kritik von Außen wahrzunehmen,oder sie gar dafür zu nutzen,uns zu ändern. Es ist politische Kunst,eigene Fehler so wegzulächeln,dass sie einem nicht beim Griff nach der Macht stören.

Das Weglächeln von Fehlern wird zur Staatsraison

Das wird natürlich weder unserer Position in einer vernetzten Welt gerecht, noch unserem Selbstbild.

Aber wo sind die Lehren, die man aus dem #Afghanistanabzug ziehen könnte?

Man hat die Probleme dort weggelächelt,war im Pfad gefangen, bis man die Amerikaner um Unterstützung für die Evakuierung der Botschaft bitten musste.

Das ganze wiederholt sich jetzt, unterm Brennglas mit Brandbeschleuniger, im Umgang mit der Ukrainekrise.

Bis auf ein ‚wir haben uns in Putin geirrt‘ kein Wort des eigenen Fehlverhaltens. Im Prinzip werden die Fehler auf Putin externalisiert.

Dass unsere Gesellschaft systematisch kritische Stimmen dem gegenüber entweder als Teil der Klimabewegung oder…

als mittelosteuropäische Panikmache zugerechnet haben, und die Leute so nicht ernstgenommen haben, wird keine Konsequenzen haben. Medial und in Berlin sind wir schon wieder längst soweit, zB beim Umgang mit dem Botschafter der Ukraine @MelnykAndrij.

Dabei hatte die grüne Position durchaus auch die geopolitische Problematik im Kopf. Selbst wenn wir in der Sicht auf #Putin Recht gehabt hätten, hätte uns etwas mehr Vorsicht im Sinne von Polen oder der baltischen Staaten im Umgang mit ihm wahrscheinlich wenig gekostet.

Und ev #Uploadfilter verhindert.

Stattdessen stehen wir jetzt mit runtergelassenen Hosen da, aber statt gesellschaftlich oder als politisches System, zu gucken, wie es soweit kommen konnte, beschweren wir uns über die, die das unangemessen finden.

Wir sind auf diese Art und Weise nicht in der Lage, aus eigenen Fehlern zu lernen, und Fehlerquellen auszumerzen. Stattdessen ständig ‚weiter so!‘ Das wird nicht zu besseren Resultaten führen.

Case in point.

https://twitter.com/Reffeff/status/1508374225224089602

Und es fliegt uns halt auch international um die ihren, mal wieder: #pathdependency

https://twitter.com/giulio_mattioli/status/1512356071456886784