Aus aktuellem Anlass ein kurzer Rant zur Situation von NachwuswissenschaftlerInnen (speziell zu Osteuropa/#Russland): Wir erleben gerade, wie sich mit populärem Halbwissen Vortragsräume füllen, Bücher verkaufen und Plätze in Talkshows ergattern lassen. An den Universitäten/1
werden die Arbeitsbedingungen dagegen immer schwerer: Befristete Stellen, prekäre Arbeitsbedingungen und das allgegenwärtige #WissZeitVG, das reguläre Arbeitsverhältnisse außerhalb der (wenigen) Professuren unmöglich macht. Wissenschaftliche Arbeit heißt wochenlange Recherche/2
in Archiven im Ausland, die Auswertung von unzähligen Quellen und Literatur in unterschiedlichen Sprachen, die Präsentation d. Thesen in Kolloquien. Danach zerlegen Gutachter in "peer reviews" die geschriebenen Texte und es dauert ewig bis ein Aufsatz endlich das Licht der Welt/3
erblickt. Währenddessen hauen pseudo-Experten in gleicher Zeit drei Bücher ohne Rücksicht auf Forschung und Quellen raus, die meist einfache und steile Thesen enthalten. Mit eingängigen Feindbildern und populären Stereotypen. Oft unter dem Label des "aufrechten Kämpfens" gegen /4
einen (vermeintlichen) Mainstream. Inhaltliche Kritik wird als "cancel culture" abgetan, WissenschaftlerInnen verleumdet. Ohnehin sind die Postfächer vieler KollegInnen von Hassmails politischer Wirrköpfe gefüllt. Als junge/r Wissenschaftler/in ohne Professur (und das sind 90%)/5
kämpft man ohnehin ständig gegen den Strom. Das aktuelle Universitätssystem ist darauf ausgelegt, möglichst viele "auszusieben". Wer bleibt hat viel Glück, extreme Frustrationstoleranz und bestenfalls finanzielle Rücklagen. In Zeiten in denen wir gefragt sind wie kaum zuvor/6
sind die Arbeitsbedingungen sehr schwierig. #Putin macht Geschichte zur "Chefsache", legitimiert damit Krieg, Expansion und Unterdrückung. Oligarchen wie #Musk versuchen kritische Wissenschaft zu diskreditieren und aus der Öffentlichkeit zu verdrängen. "Wahrheit" sollen demnach/7 Image
nicht mehr nachprüfere Fakten sein, sondern das was die (vermeintliche) Mehrheit als wahr erachtet und wahr haben möchte. (Geistes)Wissenschaft ist eben nicht "Geschwätz", sondern Grundlage einer freien und offenen Gesellschaft. Und die steht aktuell unter Druck/Ende
Zu diesem Thema ausführlich @SebastianKubon aber auch z.B. @RadioFreeTom Image

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Nov 2
Ok, das ist komplett Irre. #Lawrow möchte offenbar Völkerrecht und die Nachkriegsordnung mit einem kulturalistischen "Panslawismus" wie aus dem 19. Jahrhundert ersetzen. Verstehe nicht wie Diplomatie da noch funktionieren soll...
Die Untertitel geben den Inhalt übrigens nur unzureichend wieder, da er einige sehr altertümliche Begriffe wie das alt-slawische (und in der frühen Neuzeit sehr abwertende) "Ljach" für die Polen verwendet. In Lawrows Welt dürften Staaten in ihrem "historisch-kulturellen" Raum
offenbar machen was sie möchten. Deutschland hätte so im Prinzip freie Bahn zur Annektierung der Niederlande, Österreichs des westlichen Polens etc. Im Grunde könnten so ziemlich alle europäischen Staaten wieder übereinander herfallen.
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Oct 30
1982 überreichte der Außenminister und UN-Delegierte d. #Ukraine️ V.N. Martynenko Generalsekretär De Cuéllar eine Medaille zum 1500. Geburtstag der Stadt #Kyiv/#Kiew. Vor der Unabhängigkeit 1991 besaß die Ukrainische Sowjetrepublik (USSR) formelle Souveränität. Ein Thread/1🧵
Die Gründung der Vereinten Nationen beruhte auf dem Status Quo der Nachkriegsordnung. USA, Sowjetunion und UK waren die wichtigsten Ordnungsmächte. Stalin fürchtete ein Ungleichgewicht zu Gunsten "kapitalistischer" Staaten u. setzte #Ukraine u. #Belarus als Mitglieder durch/2
Damit besaß die Sowjetunion (als einziger Staat) drei Sitze: Die SU (als Ganzes, nicht die RSFS!) und die beiden Republiken. D. #Ukraine hatte damit einen besonderen Status - mehr als d. zentralasiatischen, kaukasischen oder baltischen Republiken, aber weniger als d. Staaten d./3
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Oct 29
Die (staats)rechtliche Situation in den von #Russland okkupierten Territorien ist maximal konfus. Einerseits sollen sie nun als reguläre Bestandteile der Russischen Föderation betrachtet werden, also z.B. sollen Grenzkontrollen entfallen. Andererseits stellen d. "Volksrepubliken"
weiterhin eigenständige Dokumente aus (Führerscheine, Pässe usw.). Noch absurder ist das Verhältnis der Territorien, die Russland formell als sein Staatsgebiet versteht, es aber gar nicht kontrolliert - z.B. die Großstadt #Saporischschja.Rein formell wäre damit die "staatliche
Integrität" der RF nicht mehr gegeben. Somit könnte Putin (rein formell) sein Atomwaffenarsenal einsetzen, was natürlich Quatsch wäre. Die totale Konfusion zeigt sich etwa in politischen Karten die in russischen Medien präsentiert werden - da sind sehr unterschiedliche Grenz-
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Oct 25
Deutschland als neutrale "Drittpartei" in Hinblick auf die russische Invasion der #Ukraine (#Welzer). Als Historiker bekommt man da leider ein Deja-Vu: 1920 demonstrierten SPD/USPD gemeinsam für "Frieden und Neutralität" während der bolschewistischen Invasion Polens/1
Sie warfen der polnischen Regierung und den Alliierten (Frankreich und Großbritannien) vor, die Friedensverhandlungen zu sabotieren und stattdessen mit Waffenlieferungen den Krieg zu verlängern. Deutschland wolle dagegen mit (Sowjet)Russland in "Frieden und Freundschaft" leben/2
Doch hinter dieser "Neutralität" stand der Wunsch die verhasste Nachkriegsordnung zu zerstören und den polnischen Staat aufzulösen. Die Bolschewiki dachten nicht daran zu verhandeln, sondern hatten längst eine eigene polnische Regierung ernannt um mit ihr "Frieden zu schließen"/3
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Oct 24
9 Monate sind seit Beginn des russischen Großangriffs auf die #Ukraine vergangen. Gerade in Deutschland fällt es offenbar immer noch schwer Kriegsgründe und Kriegsverlauf zu verstehen. Weder hat #Putin "den Verstand verloren" noch findet eine "Reaktion auf d. Westen/NATO" statt/1
Ursache ist der fundamentale Unterschied im Verständnis von Staatlichkeit, "Nation" und Völkerrecht zwischen #Russland und dem "Westen". Dieser Sturm ist seit Jahren aufgezogen und war spätestens 2014 evident. Der Kreml möchte eine grundsätzliche Revision der Nachkriegsordnung/2
Er besteht auf "Geschichte, Kultur und Ethnizität" als ewig gültigen und unveränderbaren Grundlagen der Staatlichkeit. Demokratische Prinzipien, liberaler Rechtsstaat und Menschenrecht sind dabei zweitrangig oder gar "faschistisch". Die #Ukraine, ihre Bevölkerung und Regierung/3
Read 10 tweets
Oct 21
The Western Left is struggling to emphasize with #Ukraine. The rift between the socialist parties of Western and Eastern Europe has deep historical roots. So lets take a look at British #Labour and Polish "PPS" in 1920 - how was their perception of #Russia/#Ukraine? 🧵Thread/1
In 1920 #Labour send a delegation to revolutionary Russia to take a closer look on #Lenin/s politics. They recognized the "terror" of the Bolsheviks but justified it with the circumstances (civil war). Even so, they were concerned by the complete lack of civil rights in Russia/2
They also recognized the "danger of militarism" in Russia but blamed it entirely on their own government. In their perception it was "western policy" that forced revolutionary Russia to expand. #Lenin did "great service to diplomacy" and "has shown a genuine will to peace"/3
Read 8 tweets

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