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André Kühnlenz @KeineWunder
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Falls es jemand lesen wil... (FAZ) Fast 1000 Milliarden Euro
plus.faz.net/faz-plus/wirts…
Der zweite Satz so lang, wie vage und falsch... Nein, die @Bundesbank hat das Zentralbankgeld nicht geschaffen, sondern es waren die anderen €-Notenbanken, die es nach Deutschland überwiesen haben... Das wird ein lustiges Lehrstück über die Ambivalenz des HWS cc @StephanEwald
Aber natürlich braucht HWS diesen Trick der Ambivalenz, Zentralbankgeld aus Italien wird bei ihm praktisch *an der Grenze* (also Target2) vernichtet, damit es auf der *anderen Seite der Grenze* (also Deutschland) wieder entstehen kann. Er hat es nur komplizierter ausgedrückt.
Warum HWS diesen Trick der Ambivalenz braucht? Damit es dann im dritten Satz einfach behaupten kann, die *Wiederauferstehung* des in Italien entstandenen Zentralbankgeldes an der Target2-Grenze als deutsches Zentralbankgeld sei ein Überziehungskredit der @Bundesbank... /3
So kann HWS verschweigen, dass 1€ Zentralbankgeld in Italien natürlich 1€ Zentralbankgeld in Deutschland ist - logisch im Währungsraum. Und er kann verschweigen, dass die italienische Notenbank das Zentralbankgeld schafft, wenn sie dafür Anleihen von Geschäftsbanken bekommt. /4
Und HWS kann auch verschweigen, dass die €-Notenbanken sich diesen Service der Schaffung von Zentralbankgeld gegen Anleihen in verschiedenen Formen verzinsen lassen. 1. Muss der Bankensektor derzeit auf alles Zentralbankgeld (ausser den Mindestreserven) einen Zins zahlen. /5
2. Bekommen €-Notenbanken Zinszahlungen von Regierungen, deren Anleihen sie im Zuge des Aufkaufprogramms von Investoren gekauft haben. So kann HWS nun im vierten Satz behaupten, dass der erfundene *Überziehungskredit* (Target-Kredit) durch die @Bundesbank nicht verzinst wird. /6
Die Übung in Ambivalenz diente HWS aber nur dazu, den Überziehungskredit der @Bundesbank sich auszudenken. HWS sagt aber nichts falsches, er erfindet nur Dinge. So erklärt HWS dem Leser im fünften Satz dann doch, dass das Zentralbankgeld ursprünglich in Italien entstanden ist. /7
Von Sicherheiten (Anleihen) schweigt HWS bislang. Er sagt nur, dass z.B. deutsche Banken bis 2012 nicht mehr bereit waren, Leistungsiblanzdefizite Italiens mit Krediten zu finanzieren und €-Notenbanken einspringen mussten. Seit 2013 hat Italien Leistungsbilanzüberschüsse... /8
Diese Zeitreise führt HWS in die Jahre der Euro-Krise (oder auch Austeritätskrise) bis 2013, für die er rückwirkend im sechsten Satz feststellt, dass ohne das Einspringen der Notenbanken Italien zusammengebrochen wäre... (Sechs Sätze ambivalente Gesichte sind geschafft... 😃 ) /9
Im siebten Satz kommt HWS in der Gegenwart an. Aber wieder redet er ambivalenterweise und suggestiv vom *Target-Überziehungskredit* - ein Begriff, den er zuvor mühevoll durch Weglassen wichtiger Fakten (siehe Thread oben) erfunden hat... Geht auch neutral: Target-Saldo... /10
Kurzer Zwischenschritt: Die technische Verbuchung von Target-Forderungen und Verbindlichkeiten findet sich hier schön dargestellt. (Es bleibt aber dabei, dass es kein Überziehungskredit ist, wenn 1€ Zentralbankgeld von Italien nach Deutschland fliesst.)
Mit dem siebten Satz ist HWS also in der Gegenwart angekommen. Im achten und neunten Satz *will* er den Leser auf das gewaltige Ausmass des Target-Saldos der Bundesbank aufmerksam machen, den er Target-Kreditforderung nennt. Doch das misslingt ihm gehörig. /12
Dass HWS hier Posten aus der deutschen Zahlungsbilanz von Ende 2017 und Mitte 2018 vergleicht - das können wir ja noch gerade so durchgehen lassen. Wahrscheinlich braucht er dies, um das deutsche Nettoauslandsvermögen mit dem Japans zu vergleichen... Also halb so wild… /13
Kritischer ist dagegen die Aussage, dass die deutsche Target-Forderung der Bundesbank für 51% des deutschen Nettoauslandsvermögens stehen soll. Hat hier etwa jemand einen Brutto-Netto-Fehler begangen? Es sieht ganz danach aus... /14
Im Auslandsvermögensstatus Deutschlands gibt es drei Kategorien: Forderungen (Aktiva) und Verbindlichkeiten (Passiva) an das Ausland sowie den Saldo aus beiden, also Forderungen minus Verbindlichkeiten... /15
Tatsächlich hatte Deutschland Ende 2017 wie von HWS beschrieben eine Nettoforderung (Saldo) gegenüber dem Ausland von 1927 Mrd. €, die setzte sich aus Forderungen (8344 Mrd. €) und Verbindlichkeiten (6417 Mrd. €) zusammen. Siehe bundesbank.de/Redaktion/DE/D… /16
Gut, nun taucht die Target-Forderung der Bundesbank in der Zahlungsbilanz aber gar nicht als Nettoauslandsvermögen (Saldo) der Bundesbank auf, wie es HWS unterstellt, sondern einfach nur als Forderung (Aktiva). /17
Statt die damalige Bundesbank-Forderung (922 Mrd. €) mit dem gesamten deutschen Nettoauslandsvermögen zu vergleichen, hätte er die gesamten Forderungen Deutschlands gegenüber dem Ausland zum Vergleich nehmen müssen: also 8344 Mrd. € /18
Damit würde die Bundesbank-Forderung aber nicht auf 51% des deutschen Auslandvermögens kommen, sondern richtigerweise auf 11% (922 / 8344 = 11%). Das ist schon ein himmelweiter Unterschied zu den von HWS kolportierten 51%... /19
Oder hat HWS einfach nur Brutto und Netto verwechselt? Das weiss wohl nur er... (Zumindest hätte er darauf hinweisen können, wenn es ihm bewusst war...) Hier noch mal eine von mir graphisch komprimierte Version des Auslandsvermögensstatus Deutschlands: /20 bundesbank.de/Redaktion/DE/D…
Unterscheidung zwischen Brutto und Netto ist aber wichtig. Denn sollte die @Bundesbank tatsächlich einmal auf 11% der deutschen Bruttoforderungen an das Ausland (Target) sitzen bleiben - sicher nicht auf ewig -, sind davon 89% der deutschen Auslandsforderungen unberührt... /21
So kann man aber nur feststellen, dass die angeblichen 51% des HWS nur der Panikmache dienen - aber nicht der sachlichen Diskussion. Man kann die Berechnung natürlich auch mit Nettogrössen, also den Salden, durchführen... /22
Schauen wir genauer hin auf die Bestände Ende des 1. Quartals.

Bundesbank-Forderung an das Ausland aus Target: 935 Mrd. €
Bundesbank-Verbindlichkeit an das Ausland aus Target: 667 Mrd. €

Ergibt Bundesbank-Saldo von 269 Mrd. €.
Deutschlands Saldo: 1997 Mrd. € /23
Das heisst nichts anderes, als dass auch in Nettorechnung die @Bundesbank nur für 13% des deutschen Auslandvermögens steht. Wieder keine 51%! @HansWernerSinn müsste zumindest erklären, was mit den Verbindlichkeiten der Bundesbank passiert, wenn sie auf Target sitzen bleibt. /24
Natürlich könnte HWS auch sofort die Überschrift in der @faznet ändern:

Aus: "Fast 1000 Milliarden Euro" würde richtigerweise "Fast 270 Milliarden Euro"
Das ist genau die Nettoforderung der @Bundesbank aus Target ans Ausland. /25
Was aber steckt hinter den Verbindlichkeiten der @Bundesbank gegenüber dem Ausland von 667 Mrd. € (Stand 1. Quartal 2018), die die Gegenposition zu den Targetforderungen bilden? /26
Ich warte zwar noch auf ein paar Details der BuBa, aber soweit ist jetzt schon einiges klar, denn sie hat im April darüber geschrieben im Monatsbericht auf Seite 40: bundesbank.de/Redaktion/DE/D… /27
Zu den Auslandsverbindlichkeiten der Bundesbank schreibt mir die Pressestelle und hier der Link zum Monatsbericht dazu... bundesbank.de/Redaktion/DE/D… /28
Hier die Einschätzung der @Bundesbank, dass die Berechnungsweise von @HansWernerSinn für die 51% (Brutto mit Netto vergleichen) keinen Sinn ergibt...

Also: Die Targetposition der Bundesbank entspricht zwischen 11% (brutto) und 13% (netto) des deutschen Auslandsvermögens /29
Einordnung der Bruttogrössen im €-System (Stand Mai'18, in Mrd €):

Targetforderungen: 1387
*** vs ***
Leihgeschäfte mit Geschäftsbanken gegen Sicherheiten: 3397
Anleihen aus Kaufprogrammen: 2796

Im Extremfall können 6193 Mrd € Sicherheiten verwertet werden: 4,4xTARGET /30
Hier noch die Quellen bei der EZB:

Target: sdw.ecb.europa.eu/reports.do?nod…
Bilanz des Eurosystem: sdw.ecb.europa.eu/reports.do?nod… /31
Die Einordnung aus deutscher Sicht (Stand Mai'18, in Mrd €):

DE-Targetforderung: 956
*** vs Rest der Euro-Zone ***
Leihgeschäfte mit Geschäftsbanken: 2331
Anleihen aus Kaufprogrammen: 2240

Im Extremfall können 4571 Mrd € Sicherheiten verwertet werden: 4,8 x DE TARGET /31
Das heisst: Wenn Rest der Euro-Zone fast komplett Pleite geht, alle Wertpapiere in der Bilanz des Eurosystems weniger als 20% Wert sind (Insolvenz oder Abwertung), dann besteht die Gefahr, dass die @Bundesbank auf Forderungen für immer sitzen bleibt. Im Extremfall. /32
Die Einordnung aus italienischer Sicht (Stand Mai'18, in Mrd €):

IT-Targetverbindlichkeit: 465
*** vs ***
Leihgeschäfte mit Geschäftsbanken: 256
Anleihen aus Kaufprogrammen: 489
Bargeld: 193

Im Extremfall können 938 Mrd € Sicherheiten verwertet werden: 2,0 x IT TARGET /33
Da heisst, selbst wenn Italiens Sicherheiten (ohne Bargeld) um 30% abwerten, kann das Land seine Target-Verbindlichkeit noch ausgleichen. Auch dann können die Sicherheiten später wieder aufwerten - die Frage ist nur wann... /34
An diesem Punkt sind wir noch ziemlich weit vorne im Text von HWS. Und bevor er uns über die eben skizzierten Sicherheiten aufklärt, die nun mal das Geld im Euro-Raum decken und damit auch die Target-Forderungen, die darauf aufbauen, denkt HWS über etwas anderes nach.... /35
HWS denkt über ein privates Geldsystem nach, wie es vor der Erfindung der Zentralbanken üblich war. Ein System aber, wo jeder sein eigenes Geld schaffen kann wie er will, braucht uns jetzt und hier nicht weiter interessieren. /36
Die Frage, die HWS danach behandelt, die nach den Leistungsbilanzsalden und welchen Zusammenhang es zum Target-System gibt, die ist dagegen schon hochintressant. Dazu aber später mehr... /37
Zunächst aber: Zur Widersprüchlichkeit des HWS gehört, dass wenig später im Text doch noch die Sicherheiten auftauchen, von denen er bislang geschwiegen hatte, weil sie seine Erfindung des unbesicherten Überziehungskredits Deutschlands im Target-System zunichtemachen würde. /38
Suggestiv behauptet HWS nun, dass viele Sicherheiten, die es ja eigentlich gar nicht geben sollte, doch Schrottpfänder seien. So muss er uns auch nicht erklären, wieviele Sicherheiten, sprich vor allem Anleihen, es auf den Bilanzen der €-Notenbanken gibt... (Siehe oben) /39
Sicherheiten, die bei der Entstehung des Zentralbankgeldes über Leihgeschäfte von Geschäftsbanken hinterlegt werden müssen. Munter behauptet HWS, dass viele Sicherheiten Schrott sind, ohne zu sagen wieviele und ohne zu erwähnen... /40
... dass Anleihen minderer Qualität nur mit einem Abschlag von den €-Notenbanken angenommen werden. Ja, man kann das alles kritisieren, wie alles an der EZB-Geldpolitik. Aber dazu kommt HWS gar nicht, weil für ihn vieles nur Schrott ist, warum verrät er uns nicht wieviel? /41
Das ist allerdings nur logisch, geht es HWS doch um seine Erfindung, dass im Target-System Kredit entsteht. Er vergisst nur dabei wieder einmal, dass es ohne das gedeckte Zentralbankgeld gar keine Target-Forderungen und -Verbindlichkeiten geben würde. /42
Die Forderungen und Verbindlichkeiten im Target-System sind aber nur die Spuren, die das durch Anleihen gedeckte Geld hinterlässt, wenn es die Grenze zwischen zwei €-Notenbanken passiert. Auf der einen Seite verschwindet, auf der anderen Seite wieder zum Vorschein kommt. /43
Im nächsten Punkt kritisiert HWS die Notfall-Liquiditätshilfe ELA, also die Entstehung von Zentralbankgeld, das mit deutlich geringeren Sicherheiten hinterlegt werden kann, wofür die Geschäftsbanken auch höhere Zinsen zahlen müssen. /44
Ein um Aufklärung bemühter Ökonomen hätte allerdings erwähnt, dass Risiken und Kosten hierfür allein die jeweilige nationale Notenbank trägt. Übersteigt das Volumen 2 Mrd. € legt der EZB-Rat sogar eine Obergrenze fest, wie in Griechenland geschehen. /45
Auch Deutschland hat davon schon in der Finanzkrise profitiert: Die Hypo Real Estate bekam 2008/09 ELA-Hilfen im Wert von bis 50 Mrd. €. Siehe dazu @Handelsblatt: handelsblatt.com/finanzen/geldp… /46
Ein um Aufklärung bemühter Ökonom hätte auch erwähnt, dass Griechenland durch die Kürzung der direkten Staatsausgaben im BIP - in der Spitze um 40% seit 2009 - in eine tiefe Depression (schlimmer als 1929ff in den USA) gefallen ist, der das Land bis heute nicht entkommen ist. /47
Dies hätte zumindest geholfen, die ELA-Summe von 89 Mrd. € im Jahr 2015 einzuordnen, für die die griechische Notenbank sicherlich nicht hätte alleine haften können. Noch mehr hätte allerdings geholfen, die ELA Summen im Eurosystem einzuordnen... /48
Weitere Länder, die ELA-Hilfen in Anspruch nahmen, waren Irland und Zypern. Statt Unruhe zu verbreiten und davon zu schreiben, dass sich „diese Länder für Hunderte von Milliarden Euro Ela-Kredite gewährten“, hätte HWS auch diesen Chart zeigen können sdw.ecb.europa.eu/quickview.do?S… /49
Wir sehen hier: “Other claims on euro area credit institutions denominated in euro“, der Bilanzposten im Eurosystem, in dem die ELA-Hilfe (aber nicht nur) verbucht werden. Da sich HWS um den aktuellen Target-Saldo der Bundesbank sorgt, sind also aktuelle Zahlen hilfreich! /50
Aktuell stehen 32,8 Mrd. € zu Buche, Ende Mai waren das 48,9 Mrd. € (das sind 1% der 6193 Mrd € an Sicherheiten in Form von Anleihen im Euro-System, wobei 28,8 Mrd. € auf Frankreich entfielen – was aber nicht mit der ELA erklärt werden kann. /51
Ausgewählte andere Länder (Stand Mai '18 in Mrd. €, wobei nicht alles ELA ist):

Zypern: 0
Griechenland: 9,3
Irland: 1,8
Deutschland: 6,8
Italien 0,047
Spanien 0,002
Portugal: 0,07 /52
Nun könnte *ein um Aufklärung bemühter Ökonom*, wie HWS es sein will, im Detail erklären, was die aktuell 32,8 Mrd. € mit den fast 1000 Mrd. € an Target-Forderungen der Bundesbank zu tun haben… Wir finden aber nichts davon... /53
Dabei geht es um die Frage, wie ein Rückgang dieser Bilanzposition im Euro-System von fast 140 Mrd. € Mitte 2015 auf nunmehr gut 30 Mrd. € also die Target-Forderung der Bundesbank konkret aufgebläht haben soll. Details wären hilfreich... So bleibt es vage und ambivalent... /54
[Das erste Drittel dieses Artikels ist geschafft 😀 ] /55
Ein Drittel des Artikels ist geschafft, wir befinden uns aber immer noch bei der Überschrift *Selbstbedienung im Eurosystem*, wo HWS erklärt, wie Zentralbankgeld entsteht, das via Target-Transfers angeblich als *Überziehungskredit der Bundesbank* zu verstehen sei. /56
Nach den Refinanzierungsgeschäften mit Geschäftsbanken gegen Sicherheiten erwähnt HWS die Notkredite ELA, bei denen nationale €-Notenbanken selber auf eigenes Risiko die Sicherheitsanforderungen festlegen – die aber von EZB-Rat begrenzt werden. /57
Kommt der letzte Punkt des HWS in diesem Abschnitt: Anleihekäufe, die auch als ANFA-Käufe bekannt sind. Zu Recht wurde kritisiert, dass diese Wertpapierkäufe ohne geldpolitischen Zweck in einem vertraulichen Vertrag geregelt wurden, der alle fünf Jahre verlängert wird. /58
Und ja, wenn eine €-Notenbank Wertpapiere kauft, schafft sie im Gegenzug immer Zentralbankgeld. Das ist keine grosse Neuigkeit. Bei den ANFA-Käufen handelt sich um Käufe auf eigenes Risiko der einzelnen €-Notenbank, die zum Teil dazu dienen, Pensionsansprüche zu bedienen. /59
Genau so läuft es auch, bei den Refinanzierungsgeschäften mit den Geschäftsbanken: Hier kauft eine Notenbank ebenfalls Wertpapiere - nur auf Zeit, die aber in den Bilanzen der Geschäftsbanken verbleiben und nur bei einer platzenden Leihe auf das Euro-System übergehen. /60
Hier sehen wie die Refinanzierungsgeschäfte der Geschäftsbanken mit den €-Notenbanken im Zeitverlauf. Zuletzt gab es einen Schub um fast 200 Mrd. € im Winter 2017 (Kalenderwoche 13), seitdem ist das Volumen um 40 Mrd. € gesunken. sdw.ecb.europa.eu/quickview.do;j… /61
Mit aktuell 744 Mrd. € liegt der Betrag deutlich unter dem Rekord während der Euro-Krise von 1261 Mrd. € Mitte 2012. Was signalisiert, dass der Interbankenmarkt weiterhin nicht wirklich funktioniert, wo Geschäftsbanken sich untereinander Zentralbankgeld verleihen sollten. /62
Die ANFA-Anleihekäufe, die häufig unter dem Verdacht der monetären Staatsfinanzierung stehen, werden in der Bilanz des Eurosystems aller €-Notenbanken unter dem Posten „7.2 Other securities, Euro - Euro area“ verbucht und der Zeitverlauf sieht so aus: sdw.ecb.europa.eu/quickview.do;j… /63
Die nationale Verteilung dieses Postens sehen wir hier (Stand Mai 2018): sdw.ecb.europa.eu/reports.do?nod… /64
Gehen wir davon aus, dass bis 2009 unter ANFA nur Anleihen ohne geldpolitischen Zweck wie Pensionsverpflichtungen gehalten wurden, die zudem nicht der Staatsfinanzierung dienten, lag das Volumen damals bei rund 300 Mrd €, das mit der Euro-Krise bis 2015 auf 379 Mrd € stieg. /65
Vom Anstieg um rund 80 Mrd € gingen 2013 allein 43 Mrd € auf das Konto der irischen Zentralbank, die über diesen Weg die Abwicklung der Bank IBRC finanzierte. Genau wie die Bundesbank in der Finanzkrise mit bis 50 Mrd. € über ELA-Notkredite die Hypo Real Estate rettete. /66
Natürlich können wir kritisieren, dass Notenbanken über die Schöpfung von Zentralbankgeld in Ermanglung von Alternativen die Geschäftsbanken gerettet haben. Keine Frage. Erinnern wir uns aber an die unruhige Zeit zurück, als das passierte, muss dies natürlich erwähnt werden. /67
Aber darum geht es HWS auch gar nicht in seinem Artikel, denn es geht ihm nur um die Volumina, die angeblich über Target-Tranfers zum *Selbstbedienungsladen* der anderen Euro-Länder bei der Bundesbank geführt haben sollen. /68
Schauen wir uns die Target-Forderung der Bundesbank im Zeitverlauf an: Im August 2012 erreichte die Target-Forderung einen zwischenzeitlichen Höhepunkt von 751 Mrd. €, wobei der damalige Anstieg bis dahin tatsächlich und oft mit Kapitalflucht nach Deutschland erklärt wird. /69
Mit dem Abebben der Euro-Krise sank der Target-Posten auf 461 Mrd € Ende 2014, um dann mit dem Aufkaufprogramm der €-Notenbanken (ab März 2015) - diesmal aus klar geldpolitischen Zwecken auf den Stand von 976 Mrd € Ende Juni 2018 zu steigen. bundesbank.de/Navigation/DE/… /70
Seit Anfang 2015 ist der Target-Saldo der Bundesbank also um 515 Mrd. € gestiegen. Wie haben sich aber in der Zeit die Posten entwickelt, die HWS in seinem Artikel vage unter Titel des angeblichen *Selbstbedienungsladens des Target-Systems in Deutschland* beschreibt: /71
Kalenderwoche 01/2015 - 26/2018 in Mrd. €:

Refinanzierungsgeschäfte mit den Geschäftsbanken: +152
Bilanzposten, der die ELA-Notkredite enthält: -19
Bilanzposten, der ANFA-Wertpapierkäufe enthält: -112 /72
Der angebliche Selbstbedienungsladen des HWS hat also seit Anfang 2015 unter dem Strich eine Summe von +21 Mrd. € (152 - 19 - 112) generiert, was - wenn überhaupt - gerade einmal 4% des Anstiegs der Target-Forderung der Bundesbank erklären kann. /73
Aber HWS ist am Ende dieses Abschnitts noch in den Jahren 2012 bis 2013 gefangen, wobei er leider nicht erklärt, was eine exzessive Kreditgeldschöpfung in einer schweren Krise überhaupt sein soll und was keine exzessive Schöpfung von besichertem Zentralbankgeld wäre. /74
Zur Erinnerung: Wir reden hier über die Schöpfung von besichertem Zentralbankgeld, das vor allem Geschäftsbanken untereinander nutzen, und die bis auf die mittlerweile transparenten Ausnahmen (ELA, ANFA) grossteils transparent erfolgt(e) und damit die Target-Salden deckt. /75
///Korrektur Tweet No31

EZB verbucht Targetforderungen in dieser Übersicht als Darlehen an Geschäftsbanken. Daher müssen beim Eurosystem 431 Mrd. abgezogen werden für Targetforderungen ohne DE.

4,8xTARGET sind falsch, richtig muss es heissen: 4,3xTARGET (next tweet) /76
Einordnung aus deutscher Sicht (Stand Mai'18, in Mrd €):

DE-Targetforderung: 956
*** vs Rest Euro-Zone ***
Leihgeschäfte mit Geschäftsbanken: 1900
Anleihen von Ansässigen im Euro-Raum: 2240

Im Extremfall können 4140 Mrd € Sicherheiten verwertet werden: 4,3 x DE TARGET /77
Für Italien ändert sich nichts, weil Targetverbindlichkeiten in der aggregierten (nicht die konsolidierte!) Bilanz als Einlagen der Geschäftsbanken auf Passivseite verbucht werden: 938 Mrd € Sicherheiten (inklusive Bargeld) entprechen 2,0 x IT TARGET

/78
Niemand kann wissen, ob und wie lange Sicherheiten, die das Zentralbankgeld decken, im Extremfall verwertet werden, um Targetverbindlichkeiten zu begleichen. Das sagt @Bundesbank-Vorstand Johannes Beermann in seinem Gastbeitrag vorige Woche sehr klar: bundesbank.de/Redaktion/DE/S… /79
Aber das ist etwas anderes als wie HWS zu behaupten, es gäbe "unbegrenzten Target-Überziehungskredit" und später die Sicherheiten, die bei der Entstehung von Zentralbankgeld (also wo der Kredit tatsächlich entsteht) nur sehr oberflächlich und vage abzuhandeln. /80
Würde sich HWS konkret mit den Sicherheiten im Eurosystem beschäftigen, würde allerdings seine Konstruktion des "Target-Überziehungskredits" in sich zusammenfallen, und genau deswegen macht er es nicht, um seine Fiktion aufrecht zu erhalten... /81
Anmerkungen zum Target2-Artikel von @norberthaering, der zwar die kritische Haltung von HWS nicht teilt, aber doch seine *Begrifflichkeiten* übernimmt, was zu falschen Schlussfolgerungen führt. Und: Verweis auf brillanten Martin Hellwig in der FAS… /82 faz.net/aktuell/finanz…
Der Ansatz von Norbert ist nicht falsch. Es stimmt, dass bei verstärkten Transfers von Produkten und Vermögen von Defizitländern in Überschussländer die Target-Forderungen z.B. der Bundesbank sinken können... Doch selbst Norbert glaubt nicht daran... /83 handelsblatt.com/finanzen/geldp…
Allerdings, und das ist der kritische Punkt in seinem Artikel, teilt Norbert die Meinung von HWS, dass Target ein Überziehungskredit sei, mit dem die Südländer deutsche Produkte und Vermögenstitel auf Pump erwerben können. /84
Hier müsste aber genau belegt werden, wie und was die Geldpolitik des Euro-Systems tatsächlich dazu beigetragen hat, dass Deutschland Leistungsbilanzüberschüsse ausweisen konnte... Besonders ab 2015 mit dem Start des Anleiheaufkaufprogramms APP... /85
Die Geldpolitik des Eurosystems hat sicherlich bis 2012 dazu beigetragen, dass die südlichen Euro-Länder nicht mit einem Schlag ihre Leistungsbilanzdefizite komplett reduzierten mussten, weil damals die Refinanzierung auf dem Interbankenmarkt bei deutschen Banken ausfiel. /86
Aber sie haben die Defizite reduziert - ausser Frankreich. Wäre der Defizitabbau schlagartig passiert, wären diese Länder sicherlich in eine schwere Depression gefallen. Deswegen war dies eine richtige Geldpolitik, wenn man Depressionen vermeiden will. /87
Diese Leihgeschäfte mit den Geschäftsbanken, bei dem Zentralbankgeld entsteht, waren aber kein Überziehungskredit. Denn Target2-Forderungen sind immer die Gegenbuchung für konkrete Forderungen einer anderen Euro-Notenbank gegenüber Staaten, Banken, Unternehmen. /88
Martin Hellwig hat in der Tat einen brillanten FAS-Artikel geschrieben, in dem er zum Schluss kommt, dass bei einem Euro-Austritt Italiens mit den Target-Verbindlichkeiten der Banca d'Italia nichts passieren muss… Das stimmt natürlich – theoretisch. /89
Praktisch hat Mario Draghi aber bereits in einem Brief klar gemacht: “If a country were to leave the Eurosystem, its national central bank’s claims on or liabilities to the ECB would need to be settled in full.” Quelle: Reuters /90 reuters.com/article/us-ecb…
Wir wissen sehr wenig, wie der von Draghi für den Extremfall geforderte Saldenausgleich aussieht, falls Italien austritt. Vorstellbar ist: Dass die Banca d'Italia ihre Forderungen (Anleihen und Leihgeschäfte mit Geschäftsbanken) an die EZB überträgt - in Euro denominiert. /91
Um diesen Betrag würde sich bei der Banca d'Italia die Targetverbindlichkeit reduzierten. Aber nicht die Targetforderungen: Die Bilanzsummen der Überschussländer blieben zunächst gleich, allerdings werden aus unkonkreten Target-Forderungen jetzt konkrete Forderungen. /92
Dies sind konkrete Forderungen gegenüber den Anleiheemittenten: Staaten, Banken, Unternehmen. Risiko aus Anleihekäufen der Banca d'Italia werden im Extremfall also komplett vergemeinschaftet. Hinzu kommen Forderungen aus abgesicherten Leihgeschäften mit den Geschäftsbanken. /93
Die Banca d'Italia hatte Ende Juni Anleihen für 496 Mrd. € auf der Bilanz, sie müsste also nicht einmal Forderungen an italienische Banken aus Geldleihegeschäften (Refi) an die EZB übertragen, was aber sinnvoll wäre, wenn diese Leihe mit €-Staatsanleihen besichert ist. /94
Deswegen ist es falsch zu sagen, die Bundesbank könne ihre Target-Forderungen wie Devisenreserven der SNB irgendwie anlegen. Das geht nicht, denn es sind heute zwar unkonkrete Forderungen, hinter denen aber im Extremfall konkrete Forderungen stehen. /95
Auch der Vergleich, den HWS in der FAZ anführt, wo er die Target-Forderungen der Bundesbank mit Devisenreserven oder Goldbeständen im Bretton-Woods-System vergleicht, der hinkt also... /96
Aus der semantischen Ungenauigkeit von HWS mit seinem *Target-Überziehungskredit* folgt eben, dass auch Norbert sich keinen richtigen Begriff von Target macht und damit falsche Schlussfolgerungen zieht. /97
Hinter Target2 stehen die Risiken der Geldpolitik des Eurosystems mit Ausnahme des APP-Programms, dessen Risiken vermutlich erst bei Euro-Austritt vergemeinschaftet würden. Aber sonst sind die Risiken der Geldpolitik bekannt. Durch Target2 kommen keine neuen hinzu. /98
Risiken der Geldpolitik, die sich alle teilen - ob mit oder ohne Target2 - werden schlagend, vor allem wenn Banken ausfallen (neben Sicherheiten in den Geldleihegeschäften gibt es noch die Insolvenzmasse wie im Fall der deutschen Lehman-Tochter) und wenn Staaten ausfallen. /99
Bei einem Staatsbankrott könnte die EZB wie im Fall Griechenlands durchsetzen, dass sie vom Schuldenschnitt ausgenommen wird. Das hat damals der Bundesbank nicht gefallen, die meinte, dass Euro-System solle die Risiken schon tragen. Vermutlich würde sie künftig überstimmt. /100
Wie auch immer: Euro-Notenbanken könnten latente Verluste aus den konkreten Forderungen jahrelang (siehe Lehman-Tochter) aussitzen - bis daraus vielleicht keine mehr werden. Damit haben sie einen Vorteil gegenüber dem Privatsektor, selbst wenn am Ende Verluste bleiben. /101
Übrigens: Bei der Übertragung der konkreten Forderungen von der Banca d'Italia an die EZB, würde die EZB immer am längeren Hebel sitzen, denn die italienischen Banken werden weiterhin Zahlungen mit der Euro-Zone durchführen wollen. /102
Die Idee, dass italienische Banken sich nach Euroaustritt ein privates Zahlungssystem schaffen, um Zahlungen mit Euro-Banken abzuwickeln, scheint doch recht absurd zu sein. Auch wird die EZB es niemals zulassen, dass ihr Forderungen in einer neuen Währung übertragen werden. /103
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