Thread by @sibelschick

CN sich unter Wert verkaufen

Sich nicht unter Wert zu verkaufen ist etwas, was viele marginalisierte Menschen lernen müssen, auch ich. Mir ist diese Woche etwas passiert, ich habe eine an sich interessante Einladung erhalten, die ich ablehnen musste.

Ein Thread.

Auf eine Podiumsdiskussion im Rahmen einer 2-tägigen Veranstaltung mit ca. 100.000 Teilnehmer*innen habe ich eine Einladung bekommen. Ich möchte nicht verraten, wer veranstaltet. Aber es wäre ein Publikum gewesen, an das ich heute keinen Zugang habe.

Ohne Honorar aber dafür Fahrt- und Übernachtungskosten.

Was unbezahlte Arbeit angeht: Ich habe es zu Beginn meiner Karriere gemacht, und unter Umständen würde ich es auch weiterhin machen. Die Umstände aber sind eben entscheidend.

Eine Podiumsdiskussion über Intersektionalität. Ich habe mir den Plan angeschaut und die anderen Teilnehmer*innen und gemerkt, dass ich die einzige bin, die immigriert ist, als "Aktivistin" bezeichnet wird und die einzige, die ohne eigenen Input gleich auf dem Podium sitzen soll.

Das heißt: Im Gegensatz zu den anderen würde ich keine Gelegenheit haben, zuerst meine Positionen vorzutragen und würde gleich die Fragen anderer beantworten müssen. Das ist eine klare Machtungleichheit: Auf andere reagieren anstatt dein eigenes Wort zu produzieren.

Ich habe die Person gefragt, warum das so ist. Die Person war sehr einsichtig, hat mich gefragt, ob ich bereit sei teilzunehmen, wenn alle Beteiligte des Podiums die gleiche Möglichkeit haben Input zu geben. Ich habe eine Nacht drüber geschlafen und habe das Angebot abgelehnt.

Wenn eine Veranstaltung, auf der es um Diskriminierungen geht, neue Ausschlüsse schafft, dann ist das ein Problem. Die Augenhöhe muss schon von Beginn an da sein, und nicht als Reaktion auf die Frage einer Person, die sich in einer diskriminierten Position sieht.

Vor paar Jahren hätte ich nicht absagen können. Auch heute fiel mir das schwer, ich habe gegen den Gedanken kämpfen müssen, dass es gut für mich wäre, vor einem großen Publikum, an das ich heute keinen Zugang habe, über Intersektionalität zu sprechen. Aber zu welchem Preis?

Es ist schade. Aber hier geht es nicht um ein Hobby. Ich teile das mit euch, weil ich weiß, dass ich nicht die Einzige bin, die es gewohnt ist sich unter Wert zu verkaufen, und dabei geht es sowohl um Geld als auch um die Wertschätzung von und den Umgang mit unseren Leistungen.

Wenn ihr ein mieses Gefühl bei einer Sache habt oder denkt, dass ihr das eventuell bereuen könntet, steht euch zu es abzulehnen/abzusagen. Ich weiß dass wir manchmal Kompromisse eingehen müssen, aber da ist die Frage wichtig, was wir selber von der Sache haben.

Wenn jemand auf euch zukommt, was von euch will, könnt ihr euch überlegen, ob sich das AUCH für euch lohnt. Wenn ihr eine Person habt, mit der ihr über Anfragen reden könnt, nutzt die Gelegenheit.

Ihr seid wertvoll. Versucht euch das immer wieder daran zu erinnern. Danke <3

Soll ich daraus auch ein Video machen damit das nicht nur auf Twitter bleibt?