, 18 tweets, 4 min read
My Authors
Read all threads
Das neue #DasBoot eröffnet an der Stelle, die für Wolfgang Petersen 1981 dramaturgischer Höhepunkt war, wenn nicht der dramatische Punkt überhaupt. Das Leiden des deutschen Soldaten in Großaufnahme, authentisch, verschwitzt,
bei dem das ganze "deutsche Fernsehvolk" auch weit unter der Jugendfreigabe mitlitt. Wieviele Familien sind danach mit ihren Vätern im Urlaub an der Ostsee oder Nordsee nach Laboe gefahren, um dort im Ubootkriegsdenkmal die Verherrlichung in naturalistischem Echtheitsjoghurt zu
erspüren? Wasser dringt ein, nur nicht ertrinken, bessser erschießen. Petersens Inszenierung hatte diese Was-haben-die-Männer-durchgemacht-Enge, die mit der beweglichen subjektiven Kamera, peinlich choreografiert, ein Durcheinander "mittendrin" herstellte. Nun sind die Bilder
monumentaler. Damals war die Ramstein-Ästethik (eine effektheischende Kopie des Laibach- bzw. NSK-Postmodernismus) noch unbekannt. Der Vorspann verheimlicht nicht die Verbrechen der Wehrmacht, setzt sie aber in den Chic eines Dark Modus. Das Böse ist eine
Collage, das Historische ist eine Geschichte. Nach dem Flashforward des von Amerikanern gejagten U-Boots der Nazimarine ersreinmal eine junge Frau. Aus Soldaten, die einen Angriffskrieg führen, werden im Filmschnitt wie im Handumdrehen Männer und Frauen, Eifersucht und
allzu Zwischenmenschliches. Die Rammsteinästhetik ist ja gar nicht so gewesen. Ersteinmal eine junge Frau. Ersteinmal Klavier. Dialoge. "Wir gehn was essen". Sogar Klaus Doldingers 40 Jahre alte Musik wird zitiert. Der Krieg, seine Historiofilmphotographie wird zitiert.
Und sie wird in Serie zitiert. Diese Banalität wird keine mehr, wenn die Cast-Akzeptanz (Cast als Überbegriff für Streams, klassisxhes Fernsehen, Video-on-demand und Kinofilm), das Akzeptieren der Monitorbilder mit ihrem infamen
Rekurrieren auf Geschichte, so als könnten sie diese darstellen, wenn die Affirmation der Serie als "Serie der den Alltag begleitenden Maßnahme" durchläuft. Serien sind auf Fortsetzung hin konzipiert. Sie laufen, wie der angebliche Alltag, vulgär und parallel zu diesem.
Da es das klassische Dispositiv, das Macht ausübende und Macht verleihende, des Fernsehens in dessen Exklusivität nicht mehr gibt, das neue "Das Boot" lief vor der über die Rundfunkgebühr bezahlten "Ausstrahlung" auf Netflix, stellt die fortlaufende "Sendung"
über miteinander verbundene, "sich" entwickelnde Charaktere und Konflikte Verbindlichkeit für den Seher her. Diese Technik des Wiedekehrenden rettete in den letzten Jahren die Television und ihr Hauptmoment, die - mit jederzeit anrufbaren Filmen - nur noch Simulation der
Sendung (etwas kommt an) und der Ausstrahlung (das Ankommende geht von einem zentralen Sender aus) und des Fern-Sehens, der Übertragung von einem Hier nach einem Dort. Die Ära des staatlichen Monopols der Post für
solche Pakete ist abgelaufen - aber nur technisch, _wie wir noch sehen werden_. In dieser Serie nun sind Uniformen das Wiederkehrende, Wasser, Gesichter, Waffen und das Historiendrama. Es sieht so aus, als arbeite man daran, den Nazikrieg in den so genannten Zweiten Weltkrieg
umzuschreiben. Jetzt erstmal Klavier mit Reverb. Um die Zeit der Ausstrahlung der ersten Serie "Das Boot" war Fernsehzuschauern noch die Serie "Vor Vierzig Jahren" ein Begriff. Nicht, weil die darin gezeigten Wochenschauen ab 1933 bis 1945 weniger fiktiv gewesen wären, ist
dieses Bildungsprogramm von Relevanz gewesen. Die Wochenschauen, Filmformate in Wiederholung u.a. deutscher, amerikanischer, sowjetischer Produktion, wurden historisch-wissenschaftlich einsortiert, mit Abstand aber
auch mit noch einiger zeitgeschichtlicher Nähe. Warum also gut 80 Jahre nach NS-Deutschland dieser Heldenepos, diese "Packende achtteilige Event-Serie" (ZDF) ?
Ruhigere Sequenzen werden bevorzugt, dabei eine tümelnde Korrektheit der Kostüme und Figuren, eine Bild-Geschichte-Äquivalenz. Wie Hans Ulrich Gumbrecht einmal das Klischee bestätigte (in _1926: ein Jahr am Rand der Zeit_), ginge es um das Eintauchen in diese Zeit.
So, als sei man dabei ... gewesen. Das gelingt mit "intraserieller Kohärenz". Die Figuren sind nicht beliebig austauschbar, der Eindruck der Inszenierung, des Set, muss im Sinne eines naturalistischen, historistischen (Daten wiederholenden) Realismus vermieden werden.
Missing some Tweet in this thread? You can try to force a refresh.

Enjoying this thread?

Keep Current with WORKSHOP

Profile picture

Stay in touch and get notified when new unrolls are available from this author!

Read all threads

This Thread may be Removed Anytime!

Twitter may remove this content at anytime, convert it as a PDF, save and print for later use!

Try unrolling a thread yourself!

how to unroll video

1) Follow Thread Reader App on Twitter so you can easily mention us!

2) Go to a Twitter thread (series of Tweets by the same owner) and mention us with a keyword "unroll" @threadreaderapp unroll

You can practice here first or read more on our help page!

Follow Us on Twitter!

Did Thread Reader help you today?

Support us! We are indie developers!


This site is made by just three indie developers on a laptop doing marketing, support and development! Read more about the story.

Become a Premium Member ($3.00/month or $30.00/year) and get exclusive features!

Become Premium

Too expensive? Make a small donation by buying us coffee ($5) or help with server cost ($10)

Donate via Paypal Become our Patreon

Thank you for your support!