Thread by @AlexAlxalix

Quique Setien ist neuer Trainer Barcelonas. Diese Verpflichtung ist unfassbar spannend und kann auf ganz verschiedene Weisen enden. Ein Thread, wofür Setien steht, was seine Stärken und Schwächen sind und was man von ihm bei Barca erwarten kann:

Taktik bei Betis:
In seiner Zeit bei Real Betis vertraute Setien zumeist auf ein 3-4-2-1 oder auch ein 3-4-1-2. Im Fokus seiner Philosophie stand bekanntermaßen der Ballbesitz. Setien will den Ball immer haben. Das führt besonders in tiefen Zonen zu langen Ballbesitzphasen.

Man kann (und vor allem ein Teil der Betis-Fans hat das zu Ende der letzten Saison auch getan) ihm vorwerfen, dass man den Ball zu lange im eigenen ersten Drittel hält und dabei sehr ungefährlich wirkt. Im Aufbauspiel wartet man sehr geduldig auf sich öffnende Lücken.

Da das zum Ende seiner Amtszeit oft geschah, wirkte der Ballbesitz oft zwecklos. In den Monaten vorher fand man diese Lücken aber oft und es entfaltete sich ein spektakuläres Kombinationsspiel.

Immer wieder schaffte man es den Gegner so anzulocken, dass man umschalt-artige Aktionen aus dem eigenen Ballbesitz kreieren konnte. Betis erzeugte in Ballnähe stets Überzahl, die beiden nominellen Zehner bewegten sich gerne nah aneinander, um besser miteinander zu kombinieren.

Betis wollte Pässe vor allem in die Halbräume zwischen die Linien spielen. Besonders Sergio Canales stach dabei durch ein grandioses Positionsspiel heraus. Wurden einmal Linien überspielt, konnte Betis die dadurch gewonnene Dynamik meist sehr intelligent ausspielen.

Betis war eine der am besten anzuschauenden Mannschaften Europas. Innenverteidiger rückten bis an den gegnerischen Strafraum auf, das Kombinationsspiel erinnerte an die besten Ballbesitz-Mannschaften des letzten Jahrzehnts. Aber warum endete all das in der Entlassung Setiens?

Taktische Schwächen:
Zunächst sei angemerkt, dass Setien in der letzten Saison nicht das beste Personal zur Verfügung stand. Besonders die Innenverteidiger zeigten keine guten Leistungen, es gab keinen treffischeren Stürmer und die Außenverteidiger fielen länger verletzt aus.

Trotzdem: Es gab einige Probleme. Setien kann in seiner Philosophie dogmatisch wirken und ihm fielen auf die vielen Probleme nicht die richtigen Lösungen ein. So wechselte er zuletzt sogar noch seine Formation. Darunter litt das Positionsspiel allerdings wieder.

Das Ergebnis: Wenig ertragreicher Ballbesitz. Ein noch größeres Problem war aber die Defensivleistung. In der vergangenen Saison kassiert man 52 Tore, davor 61 (und wurde trotzdem Sechster!). 2016/17 waren es bei Las Palmas unter ihm sogar 74 Gegentore (und der 14. Platz).

Setien setzt oftmals alles auf den Angriff und die Defensive wird etwas vernachlässigt. Besonders im Umschaltspiel war man stets sehr anfällig. Wenn die Offensive aber funktionierte, war das oftmals gar kein so großes Problem, da man einfach mehr Tore als der Gegner schoss.

Abseits der Taktik:
Setiens Philosophie beruht auf der Cruyffs und auch der Guardiolas. Diese Philosophie scheint man sich bei Barca nach der Amtszeit Valverdes mehr als alles Andere zurückzuwünschen. Das liefert Setien und sollte die Fans immerhin kurzfristig zufriedenstellen.

Des Weiteren wirkt Setien unfassbar charismatisch und wie eine klassische Autoritätsperson. Das wird ihm bei Barca sicherlich helfen. Zudem ist er exzellent darin ein Projekt aufzubauen und Spieler zu entwickeln (wobei das die meisten Barca-Spieler wohl kaum noch brauchen).

Die Frage ist: Bekommt er die Zeit dafür und hat er die richtigen Voraussetzungen? Bis die Ideen Setiens komplett funktionieren wird es dauern, der Trainerwechsel mitten in der Saison hilft auch nicht. Zudem ist der Kader noch kein Setien-Kader.

Barca unter Setien:
Das Lieblingssystem Setiens, das 3-4-2-1, ist wohl kaum auf Barcelona zu übertragen. Zwar wären Griezmann und Messi als Spieler zwischen den Linien sehr spannend, aber aufgrund der Verletzung von Suarez fehlt aktuell einfach ein Stürmer.

Setien könnte auch auf das 3-5-1-1 umstellen, mit Griezmann als Stürmer und Arthur als Extra-Achter. Ein großes Problem bleibt aber auch dabei: Barca hat mit der bevorstehenden Todibo-Leihe nur drei Innenverteidiger. Die Dreierkette ist allein deswegen eigentlich keine Option.

Ich rechne daher eher mit dem klassischen 4-3-3, mit Griezmann als Stürmer. Aus diesem kann man immerhin eine Dreierkette durch das Fallenlassen von Busquets/ Frenkie de Jong kreieren und aus einer ähnlichen Grundordnung wie bei Betis aufbauen.

Letzteres Szenario könnte in einer spannenden Dynamik zwischen Dembele und Griezmann enden, bei der Dembele fast schon in die Stürmerrolle wechselt und Tiefenläufe startet, während Griezmann sich zwischen die Linien fallen lässt.

Was jedoch abgesehen davon auffällt: Dieser Kader braucht dringend Verstärkungen. Ein Stürmer müsste nach der Verletzung von Suarez eigentlich die Priorität sein. Sieht Setien Griezmann als Stürmer wäre auch ein Flügelspieler eine sinnvolle Verstärkung.

Angesichts der unklaren Lage bei Arthurs Verletzung und den gefühlt seit Jahren anstehenden Wechseln von Rakitic und Vidal wäre ein spielstarker Achter ein weiteres potenzielles Transferziel sowie natürlich auch ein Innenverteidiger.

Setien kommt in einer sehr wichtigen Situation für Barca aus kader-planungs-Sicht. Pique, Alba, Busquets, Rakitic, Vidal, Messi und Suarez sind alle über 30 Jahre alt, die Ära dieser Generation geht zu Ende. Diesen Umbruch anzuleiten, wird eine Riesen-Aufgabe für Setien.

Skepsis ist durchaus angebracht. Setien ist ein guter Trainer, der Barca im Optimalfall wieder zu seinem besten Fußball führt. Es lassen sich allerdings auch genug Gründe finden, die das Gegenteil vermuten lassen. So oder so: Setien bei Barca wird unfassbar spannend.