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Die Uploadfilter kommen! Gerade hat das @BMJV_Bund seinen ersten Vorschlag zur Umsetzung von #Artikel17 vorgestellt. Es enthält klar #Uploadfilter, aber auch Vorschläge, um Nutzerrechte zu schützen. Hier meine Eindrücke als Thread.
Beim Upload soll ich anklicken können, dass ich fremde Inhalte verwende, und erklären, warum das legal ist. zB Zitat, steht unter CC-Lizenz, Inhalt ist gemeinfrei oder ich habe eine Lizenz gekauft. So markierte Inhalte dürfen vom #Uploadfilter nicht automatisch gesperrt werden!
Leider gibt es von dieser Regel eine Ausnahme für „offensichtlich rechtswidrige Inhalte“, definiert als Uploads, die 90% mit einem gemeldeten Werk übereinstimmen. Da sind falsche Sperrungen vorprogrammiert, weil es immer wieder schlicht falsche Copyright Claims gibt.
Uploadfilter bedrohen immer Grundrechte. Gerade hat das franz. Verfassungsgericht ein Gesetz gegen Hassrede kassiert, weil Inhalte ohne Gerichtsentscheidung gesperrt werden. Wir von @freiheitsrechte werden die Umsetzung von #Artikel17 genau prüfen, ob sie grundrechtskonform ist.
Ein Problem geht Ministerin Lambrecht aber endlich an: Wir können nur Inhalte als legal markieren, die auch tatsächlich legal sind. Große Teile der Alltagskultur im Netz, Memes, Reaction Gifs, Sampling, Remix, Mashups, Lipdubs, sind nach deutschem Urheberrecht womöglich illegal.
Der Vorschlag will große Teile der Netzkultur legalisieren: Er enthält neue Ausnahmen für Karikaturen, Parodien & Pastiche, das ist in #Artikel17 vorgeschrieben. Zusätzlich schlägt Ministerin Lambrecht eine ganz neue Ausnahme vor, die die Situation deutlich verbessern könnte.
Die Bagatellschranke soll nichtkommerzielle Nutzungen geringen Umfangs erlauben. Dafür sollen die Plattformen, die unter #Artikel17 fallen, eine Abgabe zahlen. So ein Vorschlag kam letztes Jahr auch von der CDU: cdu.de/artikel/kompro…
Das ist ein cleverer Schachzug von Ministerin Lambrecht (SPD), denn die CDU wird sich wohl kaum gegen diese neue Bagatellschranke wenden können, weil der Vorschlag ja ursprünglich von der CDU selbst kam. Wobei die CDU auch versprochen hatte, dass keine #Uploadfilter kommen…
Bedeutet eine Abgabe das Aus für kleine Plattformen, die nicht zahlen können? Eher nicht: Der Vorschlag stellt klar, dass nur Plattformen unter #Artikel17 fallen, die mit Diensten wie Spotify/Netflix um dieselbe Zielgruppe konkurrieren. Rezepteplattformen etc. wären damit raus.
Die neue Ausnahme ist besonders wichtig für Memes & Reaction Gifs, weil unklar ist, ob es sich dabei um Parodien oder Pastiches handelt. Pastiche ist eine Art nett gemeinte Parodie, wo man einen fremden Inhalt verändert, also eher HipHop-Samples oder Remixes.
Memes & Reaction Gifs richten aber keinen Schaden an. Ich höre nicht auf den Mandalorian zu gucken, weil ich 3 Sekunden Baby Yoda auf Twitter gesehen habe, eher im Gegenteil. Zumindest für nichtkommerzielle Zwecke wären solche kurzen Ausschnitte nach dem Vorschlag legal.
Konkret erlaubt die Bagatellschranke nichtkommerzielle Nutzungen von Video & Ton bis 20 Sekunden, Text bis 1000 Zeichen & Bildern bis 250 kB. Knapp bemessen, aber immerhin gilt das zusätzlich zu anderen Ausnahmen wie etwa Zitat, die auch längere Ausschnitte ermöglichen können.
Aber Influencer, die ihre Inhalte monetarisieren, sollen sich nicht auf die Bagatellschranke berufen können. Das macht das Ganze sehr kompliziert, gelte ich schon als kommerzieller User, wenn ich mit Uploads nur ein paar Euro verdiene, die nicht mal meine eigenen Kosten decken?
Rechtlich ist die vergütete Schranke eine Pauschallizenz. #Artikel17 erlaubt solche Lizenzen für Uploads, die nichtkommerziell sind oder keine erheblichen Einnahmen erzielen. Es wäre wichtig, dass die Bagatellschranke also auch für Uploads gilt, die geringe Einnahmen erzielen.
Der Vorschlag funktioniert nur, wenn Nutzer*innen ihre Rechte sehr gut kennen. Denn um mich vor dem #Uploadfilter zu schützen, muss ich beim Upload angeben, dass ich fremde Inhalte legal nutze. Das hilft den Profis, aber das Urheberrecht ist kompliziert. Fehler werden passieren.
Der Vorschlag will Nutzer*innen für „Missbrauch“ der Flagging-Funktion bestrafen & sie vom Flagging ausschließen. Das könnte so enden wie auf YouTube, wo kaum jemand die falschen Entscheidungen von ContentID anfechten will, weil man sich so einen Copyright Strike einhandeln kann.
Das ist ein Riesenproblem! Man kann nicht erwarten, dass sich einfache Nutzer*innen perfekt mit dem Urheberrecht auskennen! Wer beim Flagging einen Fehler macht, darf keine negativen Konsequenzen befürchten, sonst wird niemand es nutzen.
Aber immerhin ein großer Fortschritt: Der Vorschlag erkennt an, dass es Missbrauch auch in Form falscher Copyright Claims oder systematischem Overblocking durch Plattformen gibt und schlägt auch da Sanktionen vor. Verbände sollen im Namen von Nutzer*innen klagen können.
Bei der Gesellschaft für @freiheitsrechte unterstütze ich euch mit dem Projekt control © vor Gericht, wenn das #Urheberrecht mit Grundrechten kollidiert. Damit wir unsere Arbeit machen können, sind solche Klagemöglichkeiten sehr wichtig!
Um Overblocking nachzuweisen, brauchen wir aber Zugang zu Informationen. In #Artikel17 Absatz 10 steht eindeutig, dass Nutzerorganisationen ein Recht auf Infos über die Funktionsweise der Tools haben, die Plattformen einsetzen. Das fehlt im Vorschlag der Justizministerin völlig!
Jetzt kommt es darauf an, dass wir uns aktiv in die Diskussion einbringen und klar machen, dass es nie ok ist, wenn #Uploadfilter entscheiden, was gesperrt wird. Das wird immer zu Grundrechtseinschränkungen führen.
Wir brauchen jetzt eine aktive Debatte im Netz und wir müssen dem @BMJV_Bund erklären, welche Teile des Vorschlags vielversprechend sind und welche nicht funktionieren werden. Wenn die Politik uns wieder ignoriert, können wir immer noch gegen #Uploadfilter auf die Straße gehen!
Das ist noch kein von der #GroKo abgesegneter Vorschlag, sondern die Position des Justizministeriums von Christine Lambrecht (SPD), die offenbar noch nicht auf Twitter ist. Das sollte sie mal ändern, denn dieser Vorschlag ist durchaus ein Gesprächsangebot an die Netzcommunity.
Die Zeiten, in denen Vorschläge zum Urheberrecht die Nutzer*innen komplett ignorieren, sind hoffentlich vorbei. Das haben wir euch zu verdanken, die letztes Jahr gegen #Uploadfilter auf der Straße waren. Damit diese Reform die Grundrechte schützt, ist aber noch viel Arbeit nötig.
Vor allem reicht es nicht, wenn nur Deutschland Nutzungsrechte schützt. Was ist, wenn ein Rechteinhaber in Frankreich die Sperrung verlangt und die Plattform in Irland sitzt? Das Problem löst der Vorschlag nicht. Da muss sich Deutschland in die Debatte auf EU-Ebene einbringen.
Hier ist der Link zum ganzen Gesetzesentwurf des Justizministeriums zur Umsetzung von #Artikel17, er ist lang und ich werde ihn in den nächsten Tagen intensiv analysieren: bmjv.de/SharedDocs/Ges…
Hier ist mein Pressestatement zum Gesetzesentwurf des Justizministeriums zur Umsetzung von #Artikel17: freiheitsrechte.org/pm-umsetzung-u… Wir müssen die #GroKo an ihr Versprechen erinnern, #Uploadfilter ganz zu verhindern!
Das ist erstmal meine Kurzanalyse, den Deep Dive gibt’s später. 16 Uhr bin ich live auf den Social Media-Kanälen der @tagesschau (Twitter/Facebook/Youtube) und um 17:30 mit @woelken auf twitch: twitch.tv/senficon Ausführliches Analysevideo morgen. #Uploadfilter #Artikel17
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