Wir beobachten einen exponentiellen Anstieg der Fallzahlen mit #corona bzw. #COVID19. Schon vor einiger Zeit hatte #Drosten darauf hingewiesen, dass dies sehr plötzlich geschehen könne, wenn es zu #Perkolation kommt, wenn also eine kritische Menge unerkannt Infizierter 1/21
breit in der Bevölkerung verteilt existieren. Wie kann dies geschehen, wo doch so viel getestet wird? Die Antwort ist relativ einfach: viele vor allem jüngere Menschen machen eine Infektion mit #SARSCoV2 asymptomatisch oder mit „banal“ leichten Symptomen durch. 2/21
Sie denken sich nichts, oder nehmen tatsächlich nichts an sich wahr, und werden folglich nicht getestet. Aber sie tragen die Infektion über ihre sozialen Kontakte weiter. Ich denke, dies ist unstrittig. Doch nun ergibt sich daraus mMn logisch die folgende Frage: 3/21
Müßte man, um Perkolation zu verhindern, nicht gerade die sozialen Kontakte der jüngeren Menschen einschränken, statt immer nur die sogenannten „Verwundbaren“ aufzufordern, sich durch Isolation zu schützen? Müßte man nicht gerade den jüngeren Menschen durch Kampagnen 4/21
die Wichtigkeit eines gegenüber anderen rücksichtsvollen Verhaltens nahe legen? Müßte man nicht gerade den jüngeren, noch flexibelsten, Menschen hier etwas abverlangen, um die Gesellschaft als Ganzes besser zu schützen? 5/21
Natürlich wäre es unfair, in der Tat einseitig einer Altersgruppe mehr Einschränkungen zuzumuten. Allerdings haben derzeit die Risikogruppen de facto einseitig mehr Einschränkungen, um sich selbst zu schützen. 6/21
Unsere Gesellschaft setzt währenddessen gegenteiligen Zeichen: in den Schulen lassen wir ausgerechnet diejenigen, die am häufigsten asymptomatisch bleiben, in engen Räumen in großen Gruppen viele Stunden zusammen arbeiten, „gesichert“ nur über Kohorten von 100+ Personen. 7/21
Es gibt an Schulen kein großflächiges Screening, keine Überwachung mittels Stichproben. Es wurden keine Studien gemacht, die uns jetzt in die Lage versetzen könnten, wissenschaftlich fundiert zu beurteilen, wie das Infektionsgeschehen durch die Schulen beeinflusst wird. 8/21
Stattdessen wurden die effizientesten Maßnahmen, die wir haben, Masken und Abstand, in den Schulen weitgehend, und vor allem im Klassenraum, außer Kraft gesetzt. Die nächste Altersgruppe, 19-25, ist ebenso problematisch. Ein beträchtlicher Teil davon sind Studierende. 9/21
Auch wenn die Universitäten weitgehend Online-Lehre betreiben, finden unter Studierenden außerhalb der Lehrveranstaltungen viele soziale Kontakte statt. Das ist verständlich und natürlich, aber während einer Pandemie kontraproduktiv. 10/21
Appelle an diese Gruppe verhallen aber ungehört, wenn gleichzeitig die Gesellschaft mit den Schulen ein ganz anderes Zeichen setzt, wenn die Wirtschaft Homeoffice nicht mehr unterstützt, wenn das Verweigern des Maskentragens, zB im ÖPNV, nicht schärfstens sanktioniert wird, 11/21
wenn sich Bundesländer Wettbewerbe liefern, wer die größeren Großveranstaltungen zulässt und mehr Publikum im Sport gestattet. Wochenlang zierten sich die Ministerpräsidenten, schärfere Grenzen für private Feiern zu setzen, jetzt zeigen sie auf die U30 Menschen, 12/21
und schieben ihnen die Verantwortung für die steigenden Fallzahlen zu. Was immer noch nicht verstanden wird: dass es jetzt zu mehr festgestellten Infektionen und Clustern auf zB Feiern kommt, ist ein Resultat von etwas, was vorher passierte! 13/21
Vorher hat sich das Virus unbemerkt weil meist asymptomatisch verbreitet. Wir sehen jetzt die Wirkung von Lockerungen und Entscheidungen (zB Regelbetrieb an Schulen), die Wochen zurück liegen. Es wäre sinnvoll, alle Änderungen von Maßnahmen der letzten 8 Wochen 14/21
sorgfältig darauf zu prüfen, wie sehr sie die Wahrscheinlichkeit erhöht haben, dass Infizierte mit asymptomatischen oder extrem milden Verläufen das Virus unbemerkt (weil nicht getestet) weiter verbreiten können. Wie sehr sie vor allem einen Effekt bei den jüngeren Menschen 15/21
(<30 Jahre) haben, wo Infektionen besonders häufig praktisch ohne Symptome bleiben. Ich befürchte, dass der Regelbetrieb an den Schulen das Infektionsgeschehen wesentlich stärker angeheizt hat, als uns allen lieb sein kann. 16/21
Denn Reiserückkehrer zum Ende der Sommerferien haben wir vergleichsweise stark über Tests gescreent. Eigentlich sind wir relativ kontrolliert und mit scheinbar kleiner Grundlast an Infektionen in der Bevölkerung aus den Sommerferien gegangen. 17/21
In anderen Ländern (Israel, Niederlande, UK, Tschechien, ...) verdichten sich die Hinweise, dass die Bildungseinrichtungen einen wesentlichen Anteil am dort extrem wachsenden Infektionsgeschehen haben. Daher mein Vorschlag: 18/21
Hypothese sollte ab jetzt sein: Kinder und Jugendliche infizieren sich und infizieren andere in ähnlicher Weise wie Erwachsene. Entsprechend müssen wir für den Schulbetrieb umdenken. Wer Regelbetrieb will, muss endlich die dafür notwendigen Maßnahmen ergreifen. 19/21
Das fängt mit Masken im Unterricht an. Und unsere Gesellschaft muss endlich ihren Frieden mit den Masken schließen. Sie wirken, sie sind in Kombination mit Abstand und Lüften eine absolut hochwirksame Kombination. Das ist mittlerweile wissenschaftlicher Konsens. 20/21
Alle sachlichen Argumente gegen Masken (Mimik nicht gut zu erkennen usw.) sind derzeit zweitrangig. Masken sind derzeit ein absolut verhältnismäßiges Mittel. Sie sind zumutbar. Auch Kindern. Wer sie verweigert, leugnet die Wissenschaft und/oder ist asozial. 21/21
Nachtrag: die UK Taskforce für die Pandemie, SAGE, kommt zu dem Schluss, dass Schulschließungen den größten reduzierenden Effekt aller Maßnahmen auf Rt hat ...

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4 Aug
Thread dazu, wie Politik uns alle bezüglich Schule nach den Sommerferien für dumm verkauft & bereitwillig Menschen der Wirtschaft opfert. Hatte der Bund noch die Pandemie hervorragend gehandelt, läuft seit Übergabe an die Länder alles in falsche Richtung #BildungAberSicher 1/x
Die gesamten Pläne zielen einzig darauf ab, dass die Kinder wieder wie vor #Corona verwahrt und damit ihren Eltern aus den Füßen sind. Die Wirtschaft geht auf Kosren der nachfolgenden Generation vor, exakt wie bei den Reaktionen auf den Klimawandel. 2/x
Hinzu kommt eine mittlerweile unerträgliche Propaganda, die uns glauben machen möchte, dass dies alles zum Wohle der Kinder geschehe. Nichts davon ist mMn wahr. Ja, Kinder brauchen Unterricht und soziale Kontake in der Klasse. 3/x
Read 21 tweets
29 Jul
#BildungAberSicher #COVID19
Zweiter Teil des Threads zum Vergleich Uni/Schule.
Das Wintersemester wird ebenfalls als Online-Semester geplant, weil die Infektionslage alles andere nicht zulässt. Allerdings will man den Studienanfängern, die soziale Kontakte am nötigsten 1/x
brauchen, wenigstens etwas in dieser Richtung ermöglichen. Die Übungsgruppen für Studiennfänger werden zumindest an meiner Fakultät teilweise als echte Präsenzübumg angeboten. Wer lieber Online-Übungen besuchen will, kann dies nach wie vor tun. 2/x
Präsenzübungen haben ein Limit von 15 Personen und finden in Hörsälen statt, so dass jederzeit ein guter Sicherheitsbstand gewährleistet ist. Sie sind in Blöcke strukturiert, so dass die Studierenden in festen Kohorten von 15 Personen bleiben. Außerdem sind so 3/x
Read 21 tweets
29 Jul
#BildungAberSicher #COVID19 Thread zu meinem absoluten Unverständnis zu den Plänen der meisten Bundesländer, ungeachtet des wieder stärkeren Infektionsgeschehens nach den Sommerferien die Schulen im Regelbetrieb ohne Abstand und ohne Masken zu öffnen. 1/x
Ich vergleiche das mit dem, was - als Beispiel - an meiner Universität gemacht wird. Auch die muss für das nächste Semester planen. Aber der Reihe nach, vom Beginn der Pandemie an. 2/x
Bald nach Beginn wurden alle Bildungseinrichtungen geschlossen, also Schulen und Universitäten. Für die Unis war gerade vorlesungsfreie Zeit, aber Prüfungen mussten zunächst ausgesetzt werden. 3/x
Read 23 tweets
20 Jul
#Corona #COVID19 #BildungAberSicher
Thread dazu, warum Entscheidungen oft mit fehlerhafter Risikoabschätzung gefällt werden: der Grund ist eine weit verbreitete mangelnde Bildung in einfachen und grundlegenden Mathematik-Kenntnissen. 1/x
Das folgende Beispiel ist stark vereinfacht, um das Problem klarer herauszustellen. Eine genauere Analyse nehmen z.B. Epidemologen vor. In D gibt es gut 80 Millionen Einwohner und derzeit geschätzt ca. 6000 aktive COVID-19 Fälle. Zwar sollten alle in Quarantäne/KH sein, 2/x
doch nehmen wir mal diese Zahl als Dunkelziffer. Also für jeden bekannten Fall gib es noch einen unbekannten, der frei herumläuft und andere anstecken kann (das ist eine sehr optimistische Annahme). Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung bei zufälligem Kontakt also 0.0075%. 3/x
Read 20 tweets
19 Jul
#Corona #BildungAberSicher Thread zum geplanten „eingeschränkten“ Regelunterricht nach den Sommerferien: viele Bundesländer planen regulären Unterricht mit vollständigen Klassen, das Abstandsgebot wird im Klassenraum aufgehoben, ersetzt durch ein erweitertes Hygienekonzept 1/x
Doch leider ist dies eine Mogelpackung. Das erweitere Hygienekonzept ist völlig unzureichend. Viele Risikofaktoren werden einfach ignoriert. Einige Bundesländer schwächen sogar die Empfehlungen der KMK noch weiter ab. Ausbrüche wie in Israel sind damit vorprogrammiert 2/x
Was alles ignoriert wird:
1. Volle Klassenstärke bedeutet auch wieder volle Belastung und volles Risiko im öffentlichen Nahverkehr. Kein Konzept wird dazu vorgelegt, wie z.B. gestaffelte Zeiten für Schulbeginn und -Ende. Warum nicht? 3/x
Read 18 tweets

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