Lange Sitzung für Schweriner Verhältnisse: Der #NSU-UA #MV machte heute seinen Anspruch auf Aufklärung deutlich: Ein Ex-Verfassungsschützer soll vorbereitet wiederkommen und eine Sozialarbeiterin wurde mit ihrer Verstrickung mit Blood&Honour konfrontiert. Details im Thread 👇
Der erste Zeuge war der ehemalige Innenminister von #MV, Timm. Er war im Amt, als Mehmet Turgut ermordet wurde. Er berichtete, dass die Abteilung für Verfassungsschutz MV zu seiner Zeit ausreichend Stellen hatte, aber "im Bereich Professionalisierung" habe man nacharbeiten müssen
Gottfried Timm sagte, es habe eine Reihe von rechten Anschlägen gegeben, in die V-Leute des VS Mecklenburg-Vorpommern involviert waren. Daraufhin habe es eine Untersuchung durch das LfV #Niedersachsen gegeben.
Timm trug in öffentlicher Sitzung sonst nicht viel zur Aufklärung bei. Er gab an, dass er entweder über Details nicht informiert worden sei oder dass er keine Erinnerung habe. Sicher war er sich jedoch, dass man an der Ermittlungsarbeit nichts hätte ändern müssen.
Jürgen Lambrecht, Leiter der Abteilung für Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern in der Zeit als Mehmet Turgut vom #NSU ermordet wurde, erschien völlig unvorbereitet, gab an, Blood&Honour und der "Weiße Wolf" nicht zu kennen und beharrte ansonsten auf seine Erinnerungslücken.
Ritter von der Linksfraktion ließ zweimal die Sitzung unterbrechen, die Vorsitzende von Allwörden ermahnte den Zeugen, er sei nicht irgendwer gewesen, brach dann die Befragung ab. Lambrecht soll vorbereitet erneut erscheinen. Wir werden sehen, ob es dann besser läuft.
Eigentlich sollte als dritter Zeuge der ehemalige Leiter der "Soko Kormoran", Jörg Deisting, aussagen, er ließ aber über seinen Zeugenbeistand ausrichten, dass er nicht erscheinen werde.
Die zweite Tageshälfte widmete sich dem Jugendclub "MAX" in #Rostock, der bis Anfang der 2000er ein wichtiger Ort der Vernetzung der Neonazi-Szene in Mecklenburg-Vorpommern, insbesondere von Blood&Honour war. Gehört wurden zwei ehemalige Hausleiter des Clubs.
Uwe Leonhardt war 91/92 Leiter des "MAX", der schon zu DDR-Zeiten ein Jugendtreff war, der dann wieder eröffnet wurde. Zu seiner "Überraschung tauchten auffällige Jugendliche aus einer bestimmten Szene" auf. Gemeint waren Rechte bis ca. 30 Jahre.
Er habe während der Pogrome von #Rostock-Lichtenhagen mitbekommen, dass die Jugendlichen vom "MAX" dorthin aufbrachen, sie hätten versucht, Einfluss zu nehmen, aber das sei nicht einfach gewesen, "die sind einfach gegangen".
Nach den Pogromen von Rostock-Lichtenhagen - die Leonhardt als "Krawalle" bezeichnete - wandten sie das Konzept der "akzeptierenden Jugendarbeit" im Jugendclub "MAX" an. Er sei immer noch der Auffassung, es mache immer Sinn mit allen Jugendlichen zu arbeiten.
Im "MAX" haben wiederholt rechte Konzerte stattgefunden, an die konnte sich der Zeuge aber nicht erinnern. Das ging Katrin Balgé auch so. Sie war Leiterin des "MAX" bis 2002. Sie konnte sich auch nicht erinnern, dass sie bei der Polizei ein B&H-Konzert als Geburtstagsfeier ausgab
Balgé sah kein Problem in akzeptierender Jugendarbeit und wertete ihre Arbeit als Erfolg: "Ins Gespräch kommen, in Beziehung kommen, Probleme die sie haben beleuchten, nicht die Probleme, die sie machen." Angeblich hätten die Jugendlichen sowieso nie über Politik gesprochen.
Der Zeugin wurde aus Akten vorgehalten, dass sie bei einem Konzert der Blood&Honour-Band Nordmacht im "MAX" die Instrumente im Auto des Jugendamtes transportierte. Auch daran wollte sie sich nicht erinnern. Von B&H habe sie nur mal gelesen.
Katrin Balgé wurde nach den Namen der im "MAX" ein- und ausgehenden Neonazis gefragt. Zu einigen habe sie ein Gesicht im Kopf. Die Abgeordneten wurden zunehmend ungeduldig, und fragten vehmenter nach. Balgé räumte schließlich ein, mit Oliver D. liiert gewesen zu sein.
Oliver D. war regelmäßig im "MAX" zu Gast und galt als Kopf von Blood&Honour Mecklenburg-Vorpommern. Balgé sagte, dass sie ein Jahr nach dem Ausstieg von D. aus der Szene mit ihm zusammenkam.
Übrigens: Dieser "Ausstieg" fiel mit dem Verbot von B&H zusammen.
Diese Enthüllung zeigt, dass Balgé nicht nur ihr Wissen aus dem Jugendclub "MAX" zur Aufklärung hätte beitragen können, sondern darüber hinaus zum möglichen Netzwerk des #NSU hätte aussagen können. Beides verweigerte sie mit ihren ausweichenden und unglaubwürdigen Aussagen.
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Heute wurde im #HalleProzess die Beweisaufnahme geschlossen und die Plädoyers begannen. Die Bundesanwaltschaft beantragte als Gesamtstrafe eine lebenslange Freiheitsstrafe für den Angeklagten wegen des antisemitischen und rassistischen Anschlag von #Halle. Thread 👇
Der Täter, so Bundesanwalt Lohse in seiner Vorbemerkung, richtete sich mit seinem Angriff „zugleich gegen uns alle“, denn jüdisches Leben sei „unverzichtbarer Teil der Kultur unseres Landes“. #HalleProzess
Es könne, so Lohse, nicht deutlicher als beim Anschlag von #Halle werden, „dass sich antisemitische, rassistische, antifeministische Gewalt nicht nur gegen bestimmte Gruppen, sondern gegen alle in unserem Land lebenden Menschen richtet.“
„Es gibt demobilisierende Effekte, wenn die Betroffenen nach vorne gestellt werden und nicht die Täter.“ Im #HalleProzess wurde heute @Matthias_Quent gehört, er nahm dabei eine dringend notwendige Einordnungen zum Thema #RechterTerror vor. Details im Thread👇
Quent ging zunächst auf die internationale Geschichte von #RechterTerror ein, bei dem es die Idee gebe, es gebe einen inneren Feind, der äußere Feinde „ins Land“ holen wolle, um „das Volk“ oder „die weiße Rasse“ zu zerstören. In diesem Zusammenhang sei die Tat von #Halle zu sehen
Der Sachverständige wies auf die Konstruktion einer positiven Bezugsgruppe, die mobilisiert werden solle, und einer negativen Bezugsgruppe, die eingeschüchtert werden solle, hin. Der Attentäter von #Halle beziehe sich also auf Ideologiefragmente mit langer Geschichte.
Am Nachmittag verlasen die Anwält*innen von vier Nebenkläger*innen im #HalleProzess sogenannte Adhäsionsanträge, die schon im laufenden Strafverfahren Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegenüber dem Täter geltend machen.
Die Vorsitzende Richterin führte im #HalleProzess zwei Medienartikel ein, in denen es um die Anklage gegen die rechten Terrorverdächtigen der "Gruppe S." geht, die sich nicht nur auf das Christchurch-, sondern auch auf das #Halle-Attentat bezogen haben sollen.
Nebenklageanwältin Pietrzyk beantragte die Protokollierung einer antisemitischen Äußerung des Angeklagten bei der Anhörung des Sachverständigen von @Report_Antisem. Dem schlossen sich weitere Nebenklageanwält*innen und Nebenkläger*innen an. #HalleProzess
Zu Beginn des heutigen Tages im #HalleProzess hatte Verteidiger Weber ein Ablehnungsgesuch gegen den psychiatrischen Sachverständigen Leygraf gestellt, weil dieser nichts Sachverständiges zum vermeintlichen Auftreten einer Migräne-Aura beim Angeklagten während der Tat sagen könne
Das Ablehnungsgesuch gegen Leygraf lehnte das Gericht wie zu erwarten ab. Verteidiger Weber stellte daraufhin einen weiteren Antrag auf Heranziehung eines neuen Gutachters. #HalleProzess
Der Sachverständige Prof. Leygraf erklärte im #HalleProzess dann, er habe sich auf den neuesten Stand zum Thema Migräne gebracht und bleibe dabei, dass das vom Angeklagten geschilderte "Rotsehen" für die Frage der Schuldfähigkeit keinerlei Bedeutung habe.
"Die Tat ereignete sich nicht in einem Vakuum. Sie war für die jüdische Community eine weitere Botschaftstat in einer langen Kette." Heute berichtet Benjamin Steinitz von @Report_Antisem im #HalleProzess über die Auswirkungen des #Halle-Anschlags auf jüdische Gemeinden. Thread👇
Die Recherche-& Informationsstelle #Antisemitismus
RIAS (@Report_Antisem) interviewte im Juli 2019 Vertreter*innen von 14 jüdischen Gemeinden in Sachsen-Anhalt zur Wahrnehmung von Antisemitismus. Nach dem #Halle-Anschlag gab es Nachbefragungen zu den Auswirkungen der Tat.
Alle 14 Befragten sagten, dass sie von antisemitischer Gewalt betroffen waren, diese reichte von Bedrohungen bis hin zu körperlichen Angriffen. In Sachsen-Anhalt kommt es auch immer wieder zu Leugnung der Shoah und Israel-bezogenen Beleidigungen.
"Die volle Wahrheit wird uns vielleicht helfen, mit den schwarzen Flecken wird es schwer." Die Witwe von Walter #Lübcke forderte heute beim Prozess in Frankfurt verzweifelt und vehement Aufklärung ein. Die Verantwortung dafür liegt auch beim Gericht. Details im #Thread 👇
Die Witwe von Walter #Lübcke beschrieb die letzten zwei Tage mit ihrem Ehemann, ein letzter gemeinsamer Abend auf der Terrasse und die Freude über den Besuch des Enkelkindes. Spontan hätten sie beschlossen, wegzufahren. Bevor sie sich verabschiedeten, sprachen sie über Hotels.
Ihren Mann auf der Terrasse wissend, legte sie sich am 1. Juni 2019 schlafen und wurde dann von ihrem weinenden Sohn geweckt: "Dann wusste ich, das was passiert war, aber doch kein Mord!" Sie sei zunächst von einem Herzinfarkt ausgegangen.