Wie kann BioNTech sicher sein, dass der #Impfstoff auch gegen neue Varianten des #Corinavirus wirkt? Und warum können wir nicht einfach die #Impfstoff-Produktion erhöhen? Coronaviren haben typischerweise Spike-Proteine, mit denen sie sich an Wirtszellen heften.
Der Vergleich von Gen- und Aminosäuresequenzen des neuen #Coronavirus mit bekannten Coronaviren kann Anhaltspunkte liefern, welche Aminosäuren für eine korrekte Faltung und damit die Funktion unbedingt notwendig sind. Das muss man natürlich noch auf andere Weise überprüfen.
Das Immunsystem reagiert auf die Spike-Proteine mit einer Immunantwort, d.h. der Bildung zahlloser Antikörper, die sich auch gegen nicht unbedingt notwendige Regionen richten. Bis genug wirksame Antikörper gegen das Spike-Protein entstehen, dauert es bis zu zwei Wochen.
Damit übt das Immunsystem selektiven Druck auf die Viren aus. Spike-Proteine haben daher zahlreiche Regionen, die sich ändern können, um dem Immunsystem zu entgehen, ohne dass dabei die Bindungsfähigkeit beeinträchtigt wird.
Impfstoffkandidaten, die zur Bildung von Antigenen gegen variable Regionen führen, sind daher zum Scheitern verteilt, weil das Virus der ausgelösten Immunantwort schnell entkommen kann.
Sahin und Türeci vermuten übrigens (s. Spiegel-Interview), dass die neue Variante in Infizierten mit geschwächtem Immunsystem entstanden, weil das Virus hier viel mehr Zeit zu einer Anpassung hatte.
Rationales Virusdesign mit Hilfe von vergleichenden Sequenz- und Strukturdaten zielt auf Impfstoffe ab, die sich gegen absolut notwendige, nicht variable Regionen der Spike-Proteine des SARS-CoV-2-Virus richten. Genau das wurde bei BioNTech gemacht.
Das erklärt die Zuversicht des Unternehmens, das auch derzeit neu auftretende Varianten noch durch den Impfstoff abgedeckt sind. Aber natürlich muss man das experimentell überprüfen (was derzeit geschieht).
Und nun noch etwas zum Thema Produktionskapazitäten: mRNA-Impfstoffe können nicht einfach von anderen Pharmafirmen „nachgekocht“ werden.
Man braucht dazu spezielle Produktionsanlagen, die von Spezialisten gebaut und betreiben werden und vor einer Inbetriebnahme aufwändig getestet und zertifiziert werden müssen.
Hinzu kommt: Man braucht Rohstoffe und Enzyme, die ebenfalls aus speziellen und zertifizierten Produktionsanlagen stammen und dort in einem ebenfalls zertifizierten Prozess hergestellt werden. Das sind knappe Güter, weil es bislang keinen so großen Markt dafür gab.
Die Komplexität zeigt sich schon bei Protein-Arzneimitteln wie etwa dem Insulin. Da sind die Patente abgelaufen und viele Firmen waren schon vor Ablauf der Patente dabei, eigene Produktionskapazitäten für Nachahmerpräparate herzustellen.
Die heißen nicht ohne Grund Bio-Similars und nicht Bio-Generika, weil nämlich der Herstellungsprozess Teil der Zulassung ist. Jede Nachahmer-Firma musste mit ihrem Herstellungsverfahren und ihrem Produkt ein erneutes (wenn auch abgekürztes) Zulassungsverfahren durchlaufen.
Schon da zeigt sich: Nicht mal Hormone können nachgebaut werden wie Aspirin. Leider zeigt sich an diesem Beispiel, dass Politik und Öffentlichkeit das Wesen von Gentechnik und Biotechnologie überhaupt nicht verstanden haben,
vermutlich, weil in Deutschland die Abneigung gegen diese Technologie noch immer sehr tief sitzt und mit moralischen bzw. theologischen Denkfiguren (Gott spielen, Eingriff in die Natur, Patente auf Leben) begleitet wird.
An den Schulen wird es nicht gelehrt: Praktische Übungen sind verboten, die Schulbücher sind voller Mahnungen und Warnungen vor der Gentechnik, der Forschung werden absurde Vorschriften in den Weg gelegt (worauf Politiker bislang sehr stolz sind).
Auch steht Gentechnik bis heute auf der Negativliste vieler Fonds, die sich um ethische Investments bemühen, gleich neben Tierversuchen, Glücksspiel sowie Pelz- und Tabakindustrie. Lebensversicherungen ist es in Deutschland bis heute verboten, in Biotech-Startups zu investieren.
Dementsprechend fehlt es in Deutschland an finanzkräftigen Fonds und Risikokapitalunternehmen, die große Summen in Gen- und Biotechnologiestartups stecken. Dass es in Deutschland überhaupt eine Biotech-Industrie gibt, verdankt das Land reichen
Einzelpersonen wie Dietmar Hopp und den Strüngmann-Brüdern. Aber auch deren Finanzmittel sind endlich. Und so müssen die Firmen sich das Geld schließlich an der Börse besorgen. Da bieten sich nur noch EURONEXT oder gleich die NASDAQ an;
in Deutschland gibt es gar keinen Finanzmarkt mehr, die Biotechnologie-IPOs oder -Unternehmen begleiten könnte.
Die Folge: über kurz oder lang wird aus den deutschen Firmen ein US-Unternehmen. Wer erinnert sich noch an Micromet? Die Forschung bleibt hier, aber alle strategischen und wirtschaftlichen Entscheidungen fallen im Ausland. Und die Gewinnen werden ebenfalls dort gemacht.
Bloß: Gibt es in Deutschland überhaupt noch den politischen Willen, ein deutsches Amgen, Regeneron oder Gilead zu bauen? Da beisst sich die Katze dann in den Schwanz, denn Gentechnik wird hierzulande genauso abgelehnt wie Investitionen, Vermögen und Marktwirtschaft.
Stattdessen beherrschen Vorstellungen von Kommandowirtschaft und Enteignungen die Diskussion. Ein Trauerspiel. Und dabei habe ich von der grünen Gentechnik überhaupt noch gar nichts gesagt.
Impfstoffdesign natürlich.

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@ABaerbock: Als Ganymed 2001 gegründet wurde, haben @Die_Gruenen diese Art der #Gentechnik mit genau den gleichen Gründen abgelehnt wie noch heute die grüne Gentechnik: falscher Weg, gefährlich für Mensch und Umwelt (Freisetzung von Genen), nutzt ... spiegel.de/wirtschaft/unt…
nur den Konzernen, es gibt Alternativen, z.B. #Homöopathie und Vorbeugung.
Und heute: Grüne Gentechnik nutzt nur Konzernen, ist gefährlich (Auskreuzen! - obwohl jede neue Sorte auskreuzen kann), bringt keine Vorteile ....
es gibt Alternativen, z.B. biodynamische Landwirtschaft mit Homöopathie und kosmischen Kräften. Seit Jahren arbeiten die Gentechnik-Gegner bei den Grünen mit Personen und Vereinen zusammen, die #Impfgegner sind und sich jetzt als #Corona-#Querdenker erweisen:
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