Warum es ein Problem ist, dass wir Klimapolitik journalistisch oft mit klassischem Politikjournalismus begegnen.
Und wie das dazu beigeträgt, dass der politische #Klimaschutz-Diskurs zum großen Teil von wissenschaftlichen Fakten entkoppelt ist.
Ein (langer) Thread ⬇️
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Politikjournalismus geht im Wesentlichen davon aus, dass es zu einem Thema mehrere legitime politische Meinungen gibt.
Diese einfach gegeneinanderzuhalten, erzeugt demnach Ausgewogenheit in der Berichterstattung (manche würden das sogar als "Objektivität" bezeichnen).
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Was diese Sicht ignoriert: die wissenschaftl. Fakten, die dem Problem #Klimakrise zugrundeliegen.
So wie #Corona epidemiologisch erforschte Grundlagen hat, zu denen man nicht einfach herummeinen kann (es sei denn, man ist Hendrik Streeck) - so gibt es diese auch zu Klima.
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Allerdings kennen zu wenige Politik- & Wirtschaftsredakteur:innen diese Klimafakten.
Anders als bei Covid-19, dessen Grundlagen nach kurzer Zeit jede:r Journalist:in kannte - auch wenn er oder sie in der Sport-Redaktion arbeitet.
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Dabei ist der wissenschaftliche Konsens zur #Klimakrise noch viel, viel größer, Tausende Wissenschaftler:innen arbeiten seit Jahrzehnten dazu. Die grundlegenden Fakten sind seit mindestens 30 Jahren bekannt, eher länger.
Das Paradox: Diese Fakten werden von Journalist:innen auch immer wieder gut aufbereitet.
Aber:
1. Sie schaffen es meist nicht auf Titelseiten & Top-Sendeplätze.
2. Große Teile der Politik- & Wirtschaftsberichterstattung ignorieren sie, anders als bei Covid, komplett.
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In Artikeln zu klimapolitischen Fragen werden - dieser Logik folgend - oft die Ansichten aller möglichen unterschiedlichen Parteien zum Problem gegeneinander gehalten. Und als legitime politische Meinungen behandelt.
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Einzelne Polit-Statements, etwa zu Erdgas als notwendiger Brückentechnologie oder einem Systemwechsel in der Agrarpolitik, werden dabei zu oft nicht kritisch hinterfragt, mit den Fakten abgeglichen & entsprechend eingeordnet.
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Oft (aber lange nicht immer) folgt der Absatz:
"Klimaaktivist:innen/Wissenschaftler:innen kritisieren, das reiche nicht raus."
Die wissenschaftlichen Grundlagen werden hier als eine Sicht unter vielen wiedergegeben - oft weder besonders prominent noch ausführlich.
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Journalist:innen&Politiker:innen spiegeln sich so allzu oft v.a. gegenseitig - weswegen d. Politik selten in die Verlegenheit kommt, ihre Positionen kritisch hinterfragen zu müssen. Wie weit sie von den realen Problem & deren Lösung entfernt sind, merken viele daher nicht.
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Und WIE groß diese Lücke zwischen dem politischen Diskurs & der physikalischen Realität ist, wird zu selten klar:
Es geht um nichts geringeres als die Frage, ob wir alle - jede:r einzelne von uns - in den nächsten Jahrzehnten eine lebenswerte Zukunft vor uns haben.
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Was ich explizit nicht meine: Legitime Diskussionen, wie Klimaschutz am besten, schnellsten & sozialverträglichsten umgesetzt werden kann.
Das sind gesellschaftliche & politische Fragen, die eine Diskussion brauchen & zu denen man unterschiedliche Standpunkte haben kann.
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Nur: An dieser Stelle sind wir in der öffentlichen Debatte noch lange nicht.
Noch wird regelmäßig diskutiert, wie viel #Klimaschutz, wir uns leisten können. Und damit die Frage: Klimaschutz, jetzt oder später? Also faktisch: Klimaschutz, ja oder nein?
Es gibt viele hervorragende Kolleg:innen, die auch in den Politikredaktionen seit Jahrzehnten (!) immer wieder deutlich auf die Auswirkungen & Gefahren der Klimakrise hinweisen.
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Nur werden deren Klimafakten-basierte Artikel allzuoft als eine Perspektive in einem möglichen Spektrum begriffen.
Zu wenigen scheint klar, dass ein Großteil diese Klimafakten einfach ignoriert - und so den Eindruck von der Gefahr der Klimakrise komplett verzerrt.
15 & Ende
Ps.: Ein Grund, warum das Problem so verbreitet ist: So funktioniert leider ein Großteil der Beiträge der @dpa zur Klimapolitik. Und aus deren Material bedienen sich viele Redakteur:innen. Wer selbst nicht im Thema steckt, vertraut deren Expertise.
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Die kommende Bundesregierung ist realistisch betrachtet die letzte, die noch ausreichende & sozialverträgliche Maßnahmen einleiten kann, damit Deutschland auf einen 1,5-Grad-Pfad* kommt.
That’s it. That’s the tweet.
Und ich verstehe nicht, warum das nicht in jedem FUCKING Beitrag zur bevorstehenden #Bundestagswahl vorkommt.
Der journalist. Neutralitätsbegriff stößt bei vielen Themen an seine Grenzen. Oder viel mehr: die sehr vereinfachte Auslegung einiger Kolleg:innen davon.
Man kann (& muss sogar) zu allem kontrovers über konkrete Probleme diskutieren.
Was stattdessen oft passiert: Menschen, die sich noch nie ernsthaft mit den Themen auseinander gesetzt haben, werden eingeladen, um Argumente zu wiederholen,
die teils seit Jahren & Jahrzehnten widerlegt sind. Diese werden als Meinung deklariert, die es verdiene gehört zu werden.
Wissenschaftliche Erkenntnisse werden oft komplett ignoriert. Bzw. anstatt diese als Grundlage der Diskussion zu nehmen, wird der einen Seite aufgebürdet,
Auch viele Journalist:innen reagieren auf die #Klimakrise mit kognitiver Dissonanz & Verdrängung. Selbst einige Klimajournalist:innen.
Was ich in den letzten Monaten lernen durfte: Faktenwissen allein reicht oft nicht aus, um das Ausmaß der Klimakrise zu begreifen.
>>
Man muss auch den Gedanken zulassen können, dass das was mit seinem eigenen Leben zu tun hat.
Ich selbst konnte das lange nicht. Ich habe in den vergangenen 3 Jahren fast täglich zur Klimakrise gelesen, kannte alle wesentlich Daten, Fakten & Graphen.
>>
Aber die Jahreszahlen auf der X-Achse wurden im Kopf nicht mit meinem eigenen Lebenslauf verknüpft. Oder dem möglicher Kinder.
Obwohl ich die Temperaturkurven für 2050 kannte, hatte ich keine Vorstellung davon, was 2 Grad für mein 60-jähriges Ich und die Welt bedeuten.
Die kommende Bundesregierung ist realistisch betrachtet die letzte, die (evtl.) noch ausreichende & sozialverträgliche Maßnahmen einleiten kann, damit Deutschland seinen fairen Anteil zu 1,5 Grad leistet.
Richtig? Hab ich was übersehen?
Mir ist bewusst, dass es auch die Auffassungen gibt, dass das a) schon nicht mehr gehe (siehe PPM) oder b) mit einem Restbudget von < 7 Jahren nicht mehr sozialverträglich möglich sei.
Aber: Wenn man es noch ernsthaft versuchen wollen würde, dann ... jetzt?!
Frage, weil die Debatte das bisher nicht annähernd widerspiegelt. Dass etwa kein CDU-Vorsitzkandidat einen ernsthaften Klimaplan hatte, stand ja nicht gerade im Zentrum des medialen Interesses.
#Klima erscheint weiterhin als ein Thema unter vielen. Als hätten wir noch Zeit.
Ich übersetze das mal, auf Englisch kann man das so leicht überlesen:
Wir müssen den #Klimanotstand anerkennen. Die nächsten 10 Jahre werden darüber entscheiden, ob unsere Generation ‚ernste‘ Klimafolgen erleben wird - oder ‚verheerende‘.
Detaillierter beschreibe ich das übrigens hier. Gefaktchecked und tw. sogar mitgezeichnet von mehreren weltweit führenden Klimawissenschaftlern: uebermedien.de/52582/journali…
Übrigens müssen wir innerhalb der nächsten 10Jahre bereits einen enormen Teil der Transformation hinkriegen. 2030 diskursiv endlich da anzukommen, dass wir uns das Ausmaß der Krise eingestehen, wird nicht reichen. Je schneller wir das tun, je schneller wir handeln - desto besser.
Massives Problem in der Diskussion um #Klimaschutz:
Wir reden über sehr unterschiedliche Dimensionen von Gefahren, die es abzuwehren gilt - & entsprechend unterschiedliche Ansätze, was & wie viel & wie schnell zu tun ist.
1. Die ferne abstrakte Bedrohung: sind oft Menschen, die noch immer konsequent von ‚Klimawandel‘ sprechen. Denken, der ‚Wandel‘ vollziehe sich langsam & halte auch ein paar positive Überraschungen bereit. Haben Kipppunkt oft nicht verstanden, entsprechend auch nicht die Akutheit.
2. Die nicht ganz so abstrakte, aber immer noch ferne Bedrohung: „Schon alles schlimm, aber trifft ja frühestens meine Ur-Enkel. Und bis 2050 kriegen wir das schon hin, ne?“ Fliegt mit schlechtem Gewissen & beschäftigt sich lieber nicht zu genau mit den Auswirkungen.