Sowohl Fürsprecher als auch #Baerbock-Gegner haben es nun gemerkt: Der Anfangshype um ihre Nominierung als 1. grüne Kanzlerkandidatin ist zu Ende. Noch ist nichts verloren. Warum es die #Gruenen aber schwerer als andere haben werden, zeigen wir in unserer Analyse. Ein #Thread.
Unsere politische Analyse ist zweigliedrig. Eine Ebene betrachtet Faktoren, die von der Partei ausgehen. Die andere Ebene fokussiert sich auf Risiken, die sich in der Kandidatin manifestieren. Zusammen machen sie den Wahlerfolg unwahrscheinlich. Wir beginnen mit der Kandidatin.
Baerbock ist mit 40 Jahren nicht nur die jüngste Kanzlerkandidatin in der Geschichte der Bundesrepublik. In nur 16 Jahren Mitgliedschaft gelang ihr der Aufstieg zur Vorsitzenden. Andere benötigen dafür ihr halbes Leben. Das führt zwangsläufig zu einer gewissen Unerfahrenheit.
Sowohl #Scholz als auch #Laschet sind gestählt durch jahrzehntelange Abnutzungskämpfe in ihren Parteien. Zudem verfügen sie über Regierungs- und aufgrund ihres höheren Alters auch über mehr Lebenserfahrung. Wenngleich dieser Faktor von Grünen kleingeredet wurde, er besteht.
Schon jetzt zeigt sich, dass es Baerbock an einer gewissen Abgeklärtheit fehlt. Wissenslücken im Bundestag, fehlende Moderationsfähigkeit bei Nebeneinkünften. Baerbock glänzt in ungewohnten Situationen nicht. Mit Dauer des Wahlkampfs wird dieser Faktor noch spürbarer.
Denn der Druck wird weiter zunehmen. Und das ist neu für die Grünen, die zwar schon immer Spitzenkandidaten aufgestellt haben. Jedoch hat eine Kanzlerkandidatur nochmals eine höhere Qualität. Damit können die Kandidaten der Volksparteien umgehen. Baerbock jedoch nicht.
Das hat viele Gründe. Trotz guter Umfragen und Regierungsbeteiligung in sogar zehn Bundesländern sind die Grünen eine Klientelpartei mit Schwerpunkt Umwelt. Ein Kanzler muss jedoch sattelfest in allen politischen Feldern sein. Hier zeigt sich ein deutlicher Nachteil bei Baerbock.
Abseits der Umweltpolitik wirkt sie nicht überzeugend. Die anderen Kandidaten reüssieren spielend in Fragen der Wirtschafts-, Steuer-, Sozial- und Innenpolitik. Weil es für Kandidaten aus Volksparteien selbstverständlich ist, möglichst viele Politikfelder zu bedienen.
Baerbock hingegen wurde in einer Ein-Themen-Partei politisch sozialisiert. Dieser Nachteil wird sich bis zum Wahltag nicht mehr korrigieren lassen. Zudem zeigt sie Schwächen in Feldern, in denen ihr eine persönliche Kompetenz zugeschrieben wird: Der Außen- und Sicherheitspolitik.
Das wurde anhand der verunglückten Kommunikation hinsichtlich der islamistischen Terrorangriffe auf #Israel deutlich. Während z.B. Laschet unmissverständlich die Hamas als Terrorgruppe bezeichnete, fabulierte Baerbock von Verhandlungen. Mit Terroristen verhandelt man nicht.
Das ist keine neue Haltungsmaxime für deutsche Politiker, denn diese Binse erkannte schon Sozialdemokrat Helmut Schmidt. Und auch in der überraschend von #Habeck aufgeworfenen Ukrainefrage, zeigt sich große Naivität und mangelnder Einfluss der Kandidatin.
Anstatt dieses insbesondere für Grüne kontroverse Thema vielschichtig und souverän abzumoderieren, entschied sich Baerbock für eine Notlüge. So erzählte sie in der TV-Sendung #Maischberger, dass Habeck mit seinem Statement falsch verstanden worden sei. Er läge auf Parteilinie.
Prompt diktierte dieser am Folgetag das Gegenteil in die Mikrophone der Journalisten und wagte den offenen Affront gegen Baerbock. Aus dem Zwischenfall ist nun ein Störfall geworden, was endgültig Zweifel an der immer bekundeten Harmonie der grünen Doppelspitze wachsen lässt.
An diese Harmonie und Einstimmigkeit glaubten ohnehin nur euphorisierte grünenaffine Journalisten. Sie ignorierten den offenbaren Frust v. Habeck, welchen er in einem ZEIT-Interview kurz nach der Kandidatenentscheidung zeigte. Dieser Habeck-Frust wird noch zu einem Faktor werden
Obgleich er professionell seine Aufgabe als Fürsprecher von Baerbock bei grünen Wahlkampfauftritten absolvieren wird, das Herz ist woanders. Und das werden die Menschen merken. Damit wechseln wir auf die Ebene der Partei, denn auch hier ist ein weiterer Burgfrieden brüchig.
Die grüne Basis ist seit jeher widerspenstig. Umso riskanter ist das Manöver des Bundesvorstands zu werten, ihnen einen staatstragenden Wahlprogramm-Entwurf vorzulegen. Diese Strategie droht zu scheitern, was die 3.200 eingereichten Änderungsanträge deutlich zeigen.
Zwei Dutzend Änderungsträge betreffen die Einleitung, zwei Anträge sogar schon den Titel des Wahlprogramms. Ganz gleich, wie die Debatten auf dem Parteitag ausgehen, eines kann man jetzt schon sagen: Davon wird kein Signal des Aufbruchs ausgehen, sondern der Zerstrittenheit.
Der Parteitag wird zum Lackmustest des offensichtlich brüchigen Burgfriedens zwischen einer rebellischen Basis und eines grünen Bundesvorstands, der auf Regierungsverantwortung fixiert ist. Und genau in diesem Zielkonflikt liegt die größte Schwäche der Grünen.
Denn anders als andere Parteien sind die Grünen eine zutiefst durchideologisierte Partei. Was häufig an der CDU kritisiert wird (Kanzlerwahlverein) ist eigentlich eine große Stärke: Inhaltliche Differenzen treten zurück. Was zählt ist die Unterstützung der Person an der Spitze.
Dies bedarf einer gewissen inhaltlichen Flexibilität, die die Grünen einfach nicht haben. Sie sind getrieben von ihrem sendungsbewussten Moralismus, der selbst kleinste Sachfragen zu zentralen Streitpunkten aufbläst. Echte Führung wird in einem solchen Umfeld unmöglich.
Möglicherweise ist den Parteistrategen schon jetzt klar, dass der Parteitag zu einem Hemmschuh auf dem Weg ins Kanzleramt werden wird. Bleibt also nur noch die zentrale Stärke der Grünen als Rettungsring: Ihre zugeschriebene Kompetenz beim Thema Umwelt- und Klimaschutz.
Aber wird dieses urgrüne Thema wirklich wahlentscheidend, so wie 2019 bei der Europawahl? Alles spricht dagegen. Deutschland kommt aus einer Pandemie mit schweren ökonomischen Folgen. Arbeitnehmer haben ihre Jobs verloren, Unternehmer kämpfen mit mangelnder Liquidität.
Auch für Deutschland gilt das 1992er Bonmot von Wahlkampfmanager Carville: "It's the economy, stupid!". So gewann Clinton die US-Präsidentschaft. Umweltschutz muss man sich leisten können. Andere Parteien haben das eher verstanden als die Grünen.
Und dies wird zu einer enormen Belastung für den Grünen-Wahlkampf. Schon der Wahlprogramm-Entwurf zeigt frappierend die Sprachlosigkeit der Grünen in diesem Politikfeld. Das wird nicht mehr aufzuholen sein, zumal der Kandidatin in diesem Bereich keine Kompetenz zugewiesen wird.
Und sind die anderen Parteien geschickt, verweisen sie auf die Leistungen der Grünen während ihrer einzigen Regierungsbeteiligung 1998-2005. Nichts zeigt deutlicher das traditionell klaffende Auseinanderfallen zwischen Programmatik und grünem Regierungshandeln auf.
Damit haben wir das Ende erreicht. Wir danken für das Lesen und hoffen, dass wir euch bisher unbekannte Zusammenhänge deutlich machen konnten. Noch ist für die Grünen nichts verloren, denn Wahlkampf ist ein Marathon. Wir glauben nicht daran, dass die Grünen die Puste dafür haben.
Vielen Dank auch für die klugen Anmerkungen in den DruKos. Wir werden nach dem grünen Parteitag ein noch verfeinerteres Update schreiben, in das eure richtigen Gedanken ebenfalls einfließen werden.🙏#FollowerPower

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