Schön, dass @zeitonline einen Vergleich der Wahlprogramme der Parteien zur Klimapolitik anbietet.

Schade, dass es dabei nicht viel mehr macht, als sie einmal laut vorzulesen. #btw2021 #klimawahl

zeit.de/politik/deutsc…
So als wäre es unmöglich, zu beurteilen, welche Vorschläge Substanz haben und welche nicht.

Wenn man sich diese Beurteilung persönlich nicht zutrauen sollte, könnte man das einfach mal recherchieren.

Und dann findet man z.B. das:
Oder auch eine Einschätzung dieser Berechnungen von dem Wissenschaftler, der das CO2-Budget für den SRU berechnet hat, auf das sich das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Klimaklage bezieht.
(Wenn man das nicht findet, kann man Wissenschaftler:innen und Expert:innen auch anrufen und fragen. Die sind meist echt nett.)
Man könnte die Wahlprogramme mit dem Maßnahmenkatalog von @_GermanZero vergleichen: germanzero.de/Erreichen/1-5-…
Oder mit der von @FridayForFuture in Auftrag gegebenen Studie des Wuppertal Instituts zur Machbarkeit von 1,5 Grad (die immerhin einmal erwähnt wird): fridaysforfuture.de/studie/
Oder mit den Empfehlungen des @BuergerratKlima: buergerrat-klima.de/die-ergebnisse
Alle drei wurden unter Beratung (oder direkt) von Wissenschaftler:innen entwickelt – anders als offenbar die meisten Wahlprogramme.
Aber all das muss man gar nicht unbedingt wissen. Es würde reichen das Versprechen, das 1,5-Grad-Limit einzuhalten, auf Plausibilität zu überprüfen. Dafür kann man es z.B. vergleichen, etwa mit der Ankündigung der Kandidat:innen in 4 Monaten einen Marathon laufen zu wollen.
Wenn 3 der 5 Antretenden für die kommenden 2 Monate keinen Trainingsplan haben und bisher keinen ernsthaften Willen gezeigt haben, vom Sofa aufzustehen und sich die Laufschuhe anzuziehen, sondern auf Rückenwind, eine Strecke, die v.a. bergab führt, ...
das Ausscheiden anderer Teilnehmer:innen und die Erfindung neuer innovativer Turnschuhe und aerodynamischer Laufsachen hoffen - dann würde ich sicherheitshalber auf die anderen beiden setzen.
Um die Klimaziele einzuhalten, ist es entscheidend, die Emissionen ab sofort bis 2030 drastisch zu reduzieren.

Wenn eine Partei heute keinen Plan hat, wie sie das in den kommenden 4 Jahren hinkriegen will, sind die Chancen gering, dass sie es magisch irgendwie schaffen wird.
Als Leserin will ich wissen, welche Partei ich wählen kann, wenn ich will, dass ich und meine Kinder eine möglichst sichere und stabile Zukunft haben.

Diese Einordnung erwarte ich von Journalist:innen. Und es ist absolut möglich, diese Einordnung fundiert vorzunehmen.
Im vorliegenden Text klingt es stattdessen mal wieder so, als hätte alle Parteien einfach unterschiedliche Wege zum Ziel. Wähler:innen könnten demnach nach eigener Präferenz entscheiden, ob sie selbst eher in Markt oder Staat vertrauen – und entsprechend wählen.
Dabei könnten sie eindeutig wissen, dass CDU, SPD und FDP keinerlei Anstalten machen, das 1,5-Grad-Limit ernsthaft einzuhalten, Grüne und Linke sich hingegen bemühen, aber noch nachbessern müssten. Das allerdings innerhalb einer Marge, die nicht komplett realitätsfern wirkt.
Bei #btw2021 entscheiden wir, ob wir überhaupt versuchen unseren Teil zu leisten, um das 1,5-Grad-Limit einzuhalten, oder nicht. Egal, ob wir bewusst dafür oder dagegen stimmen, oder unbewusst.

Aufgrund politischen & journalistischen Versagens werden es viele wohl unbewusst tun.
Die Aufgabe von Journalist:innen ist es, darüber aufzuklären, warum das so entscheidend ist, was das mit dem Leben der Wähler:innen zu tun hat & welche Parteien welche Aussicht haben, es zu erreichen.

Ich habe keine Ahnung, warum das viele Journalist:innen offenbar anders sehen.

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14 Sep
Ich schiebe es seit 16 Tagen vor mir her, was zum @hungerstreik21 zu schreiben.

16 Tage, in denen junge Protestierende nichts gegessen haben, um darauf aufmerksam zu machen, dass wir mitten im #ClimateEmergency stecken & bisher niemand ansatzweise angemessen darauf reagiert.
Einerseits weil ich ihre Interpretation des geleakten IPCC-Berichts nicht teile, dass nur 3 Jahre bleiben, um 2 Grad einzuhalten.

Andererseits weil ich nicht weiß, für wie strategisch klug ich ihre Forderung halte.

Eigentlich aber wegen etwas ganz anderem.
Ich hatte überlegt, sie zu besuchen. Aber ehrlich gesagt bin ich zu feige.

Es bricht mir das Herz, zu sehen, dass junge Menschen so verzweifelt sind, dass sie ihre Gesundheit heute gefährden, um der Chance auf eine halbwegs sichere Zukunft vielleicht doch noch näherzukommen.
Read 12 tweets
14 Sep
"Hoffen Sie auch, noch bis zum Jahr 2040, 2050 oder länger zu leben?

Dann sollten Sie sich vor der anstehenden Bundestagswahl sehr sorgfältig informieren & überlegen, mit welcher Wahlentscheidung Sie am wahrscheinlichsten dann noch ein sicheres Leben in Frieden genießen können."
"Was wir lange vorhergesagt haben, hat sich bewahrheitet. Ohne sofortige Maßnahmen wird es immer schlimmer werden, wir werden immer öfter völlig neue Extreme erleben. Auch hier bei uns. Auch in der Lebenszeit der heute 60- & 70-jährigen. Es trifft nicht nur die junge Generation."
"Wir verursachen selbst das Problem & können etwas dagegen tun. Um die Erwärmung bei 1,5 Grad anzuhalten, müssen wir laut IPCC weltweit bis 2030 die Emissionen halbieren. Wir haben also nur noch diese Legislaturperiode Zeit für den Aufbruch zu einer wirksamen Klimapolitik."
Read 12 tweets
14 Sep
Noch eine Nachbetrachtung zur Berichterstattung Autofirmen vs. Aktivist:innen bei der #IAA21:

Der Text hier ist ein gutes Beispiel für unterschiedliche gängige, aber nicht ganz so offensichtliche Probleme in der Klimaberichterstattung.

zeit.de/wirtschaft/202…
1. zeigt der Beitrag, warum die Vorstellung von Neutralität o. Objektivität auch in berichtenden Formaten oft problematisch ist.

Der Text beschreibt:

- erst die Neuerungen auf der IAA
- dann kurz die Kritik der Aktivist:innen
- & lässt dann die Hersteller:innen drauf reagieren.
Journalistisch ist das sauber, sogar fair & gute Praxis, Protagonist:innen die Möglichkeit zu geben, auf Kritik einzugehen.

Nur gibt das den Autohersteller:innen hier automatisch sehr viel mehr Gewicht im Beitrag. (Selbst wenn am Ende noch auf weitere Proteste verwiesen wird.) Screenshot aus Zeit-Online-Text: Verständnis für den Prote
Read 15 tweets
29 Aug
Beim #Triell haben wir das gleiche Problem gesehen, wie im gesamten Wahlkampf vorher & einem Großteil der Berichterstattung dazu:

Wir reden nicht über das Gleiche, wenn wir über die #Klimakrise sprechen.
Deswegen fragen die Moderator:innen nicht, warum keine Partei einen Plan fürs 1,5-Grad-Limit hat.

Deswegen wundert sich niemand, welche Zukunft Scholz herbeifantasiert, in der junge Menschen den Luxus haben, sich um ihre Rente in 50 Jahren Sorgen zu machen.
Deswegen ist ernsthaft die Rede von "Verzichtsideologie".

Deswegen fragt niemand, wie man innerhalb von 7 Jahren CO2-Restbudget völlig neue Lösungen erfinden (Innovation!!) UND global implementieren will.
Read 9 tweets
28 Aug
Ich halte es für nötig, dass sich deutsche Redaktionen Leitlinien für ihre Klimaberichterstattung geben.

Wenn @phoenix_de Guidelines hätte wie die @BBC, hätte es Fritz Vahrenholt wohl nicht in die Phoenix Runde mit @Luisamneubauer, @beyond_ideology & Sven Plöger geschafft:
Um die Position von Vahrenholt einschätzen zu können, reichen 3 Minuten Google-Recherche. Unter den ersten Treffern findet sich das:
de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Vah…
Read 7 tweets
27 Aug
Noch mal ein ausführlicherer und differenzierterer (und daher auch seeeeehr langer) Thread:

Die #Klimakrise ist eine unvorstellbare gesellschaftliche Kommunikationskrise. Daran beteiligt sind vor allem Politik, Wissenschaft und Medien. Und Lobbykräfte.

„Mitschuld“ war meinerseits eine zu starke Formulierung und nicht angemessen angesichts dessen, dass Wissenschaftler:innen natürlich vor allem aufklären & Fakten bereitstellen. Und das seit Jahrzehnten.

Besser wäre gewesen: „tragen (unbewusst & ungewollt) mit dazu bei“.
Wissenschaftskommunikation wird seit Jahren reflektiert & verbessert (spreche ich oben auch an). Es gibt da viel Großartiges & viele öffentlich weniger bekannte Wissenschaftler:innen, die sich gesellschaftlich engagieren und Probleme & Lösungen sehr klar artikulieren.
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