Ich schiebe es seit 16 Tagen vor mir her, was zum @hungerstreik21 zu schreiben.

16 Tage, in denen junge Protestierende nichts gegessen haben, um darauf aufmerksam zu machen, dass wir mitten im #ClimateEmergency stecken & bisher niemand ansatzweise angemessen darauf reagiert.
Einerseits weil ich ihre Interpretation des geleakten IPCC-Berichts nicht teile, dass nur 3 Jahre bleiben, um 2 Grad einzuhalten.

Andererseits weil ich nicht weiß, für wie strategisch klug ich ihre Forderung halte.

Eigentlich aber wegen etwas ganz anderem.
Ich hatte überlegt, sie zu besuchen. Aber ehrlich gesagt bin ich zu feige.

Es bricht mir das Herz, zu sehen, dass junge Menschen so verzweifelt sind, dass sie ihre Gesundheit heute gefährden, um der Chance auf eine halbwegs sichere Zukunft vielleicht doch noch näherzukommen.
Ich hatte Angst, vor ihnen zu stehen & in Tränen auszubrechen. Und es fällt mir extrem schwer, aus der Ferne angemessene Worte zu finden.

Das mag nicht die durchdachteste politische Protestaktion sein, die es je gab, aber das nimmt dem für mich nicht an Dramatik. Im Gegenteil.
Das sind einfach nur verzweifelte junge Menschen, die nach Jahren von Schulstreiks, Plakaten, Gesprächen & anderen Aktionen nicht wissen, was sie noch tun sollen, um klar zu machen:

Die Lage ist wirklich ernst.
Um begreifbar zu machen, wie wenig Zeit bleibt für effektives Handeln. Und zum Ausdruck zu bringen, wie absurd und verantwortungslos es ist, dass bisher keine politische Partei auch nur einen wirklich angemessenen Plan hat, um das nötige überhaupt zu versuchen.
Wenn Politiker:innen sagen, der Protest der Jungen habe sie "inspiriert", sie seien ihnen "dankbar", man höre, was sie sagen – dann zeigt das nur, dass sie die Botschaft der Jungen & der Wissenschaft nicht verstanden haben.
Ich bin Journalistin, habe mittlerweile einiges an Reichweite und kann darauf hoffen, durch Beharrlichkeit immer mehr Menschen zu erreichen, das Bewusstsein der Krise bei einigen nach und nach zu vertiefen.

Hoffentlich schnell genug, um einen substantiellen Beitrag zu leisten.
Was würde ich tun, wäre ich heute Studentin & würde mitansehen, wie sich Jugendliche seit mehr als 2 Jahren bis zur Erschöpfung dafür einsetzen, dass ihr Recht auf eine lebenswerte Zukunft wirklich ernst genommen, der Notfall anerkannt & gehandelt wird?

Ich weiß es nicht.
Die Welt steht auch diesen Sommer in Flammen & gleichzeitig vielerorts unter Wasser. Wortwörtlich.

Wissenschaftler:innen veröffentlichen seit Jahrzehnten Studie um Studie, schreiben seit Jahren Brandbrief nach Brandbrief, leakten kürzlich Teile des kommenden IPCC-Reports.
Protestierende besetzen Wälder & Kohlegruben, seilen sich von Autobahnen ab, blockieren Innenstädte & schwänzen seit 2+ Jahren die Schule.

Ganz ehrlich: Was sollen sie denn noch tun? Wie deutlich sollen sie noch werden?

Ich weiß es nicht.
Heute ist nach Angaben der Sprecher:innen der erste Teilnehmer vom #Hungerstreik ins Krankenhaus gekommen.

Ich verstehe eure Verzweiflung, aber bitte: Passt auf euch auf.

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29 Aug
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Wir reden nicht über das Gleiche, wenn wir über die #Klimakrise sprechen.
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Noch mal ein ausführlicherer und differenzierterer (und daher auch seeeeehr langer) Thread:

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