Thread by @JvondenBerken

Ausstattung im #Bevölkerungsschutz fehlt: 25 % des angestrebten Bestandes fehlen. Klingt beunruhigend? Ist es auch. Ein Thread zu Fahrzeugbeschaffung im Bevölkerungsschutz:

https://twitter.com/GSPSipo/status/1433344686874374146

Ich beginne mal mit dem offensichtlichem: Öffentliche Beschaffungen in dieser Größenordnung bedingen Ausschreibungen. Ausschreibungen erfordern ein sehr detailliertes Lastenheft und gute Vorbereitung. Der Gewinner der Ausschreibung wird v.A. über den Preis (oft >50%) ermittelt

Ein detailliertes Lastenheft kann nur erstellt werden, wenn eine gute Rahmenkonzeption vorhanden ist: was muss das Fahrzeug innerhalb eines Konzeptes leisten? Welche Aufgaben sollen geleistet werden können?

med. Hilfeleistung? Dekon? CBRN? Geländefähigkeit? Beladung? Der Reifegrad des Rahmenkonzeptes trägt entscheidend dazu bei, gute Fahrzeuge zu beschreiben. Der Reifegrad des Medizinische Taskforce (MTF) Konzeptes hat sich seit 2007 stetig verbessert.

Hier stößt man aber schnell auf ein Henne-Ei-Problem: da wir in DE leider kaum statistische Daten zu #MANV, #KatS Einsätzen erheben, können nur Planungsgrößen oder subjektive Erlebnisberichte herangezogen werden.

Um im Planungs- und Konzeptionsprozess alle beteiligten Behörden & Organisationen zu berücksichtigen, wird dies in Arbeitsgruppen durchgeführt. Alle Beteiligten bringen aber in diesen Prozess auch Partikularinteressen ein.

Das Ergebnis ist dann eine fertige Rahmenkonzeption und Fahrzeugkonzeption. Die Ergebnisse und die Begründung für die einzelnen Geräte daraus werden leider nicht mit dem Fahrzeug veröffentlicht.

D.h. ich kann als Einsatzkraft nicht nachvollziehen, warum z.B. auf einem EE-NRW Geräteanhänger Betreuungsdienst eine Kiste mit Wachsfackeln vorhanden ist. Der kluge Gedanke, der zu dieser Beladung an dieser Stelle führte, ist nicht über- und mitgeliefert.

Ist die Rahmen- und Fahrzeugkonzeption fertig (>2 Jahre, eher mehr), wird ausgeschrieben (>1 Jahr). Es werden auch nicht Einzelfahrzeuge geliefert, sondern immer Bauserien mit größerer, oft dreistelliger Stückzahl. Das ist beim Hersteller mit Vorlauf verbunden (min >1Jahr).

Es ist also erstmal per nicht beunruhigend, dass zunächst die Soll-Fahrzeuganzahl erhöht wird und diese Fahrzeuge dann im Laufe der Zeit zulaufen.

Beunruhigend ist allerdings die zeitliche Dimension: Das MTF-Konzept datiert aus 2007 - und 14 Jahre nach Start immer noch nicht fertig. Von den 61 aufzustellenden Einheiten sind 0 vollständig mit allen Fahrzeugen ausgestattet.

Fahrzeuge im Bevölkerungsschutz werden auf 15 -20 (Land NRW) oder 20-25 Jahre (Bund) Laufzeit ausgelegt. Beunruhigend ist also, dass 5 Jahre vor Laufzeitende der ersten Fahrzeuggenerationen die Einheiten noch nicht aufgestellt sind und noch keine vollständige Konzeption vorliegt.

Das betrifft aber auch die Betreuungskombi aus der Bundesbeschaffung 2005 oder BetreuungsLKW aus 2003 - wo am Horizont noch keine Ersatzbeschaffung aufzieht, aber eigentlich erkennbar sein müsste.

Beunruhigend ist auch, dass seit 2016 für die MTF kein Fahrzeug ausgeliefert wurde n-tv.de/politik/Katast…
und sich der Fehlbestand in dieser Zeit nicht verkleinern konnte.

Damit wird das Defizit in absehbarer Zeit, vor allem Mitte der 2020er Jahre, erwartbar größer - bei absehbar steigender Einsatzzahl und -intensität. Ich finde das beunruhigend.

Offtopic: eine Einsatzeinheit NRW ist vermutlich die einzige Katastrophenschutzeinheit in Deutschland, die jederzeit als ein Fackel-und-Gabel-Mob alarmierbar wäre 😅🤪