Neue Stellungnahme von @DGPIeV und DGKH:

❌ Keine Luftfilter
❌ Keine regelmäßigen Tests
❌ Keine Masken in Klassenräumen

Tendenziös und im Widerspruch zu den Positionen von anderen Wissenschaftler:innen. 🧵 1/
dgpi.de/wp-content/upl…
Ich kann die Stellungnahme zwar nicht mit eigener Expertise beurteilen. Sehr wohl kann ich aber feststellen, ob die Argumentation schlüssig ist und wie sie sich zu den Meinungen von anderen Expert:innen verhält. 2/
Dieses Framing ist grundlegend für die Stellungnahme: Wer #SichereBildung will, will #Kinderrechte einschränken und handelt den Interessen der Kinder zuwider. So als hätten Kinder kein Recht auf Gesundheit. So als läge Gesundheit nicht im ureigensten Interesse der Kinder. 3/
Die Autoren rechnen mit der Durchseuchung eines erheblichen Teils der Kinder in den nächsten Monaten. Damit geben sie indirekt zu, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht ausreichen, die Kinder hinreichend vor einer Infektion zu schützen. Das ist wohl auch nicht beabsichtigt. 4/
Denn die Autoren sehen keinen Grund für - wie sie sich ausdrücken - "schwerwiegende und schädliche Eingriffe in den Alltag der Kinder". Schwere Akutverläufe? PIMS? Long Covid? Alles nicht so schlimm. Nur wie die Grippe oder RSV. 5/
Man sollte jedoch weder die Grippe noch RSV verharmlosen. In anderen Ländern werden Kinder gegen Influenza geimpft. Derzeit bringt RSV mancherorts die Kinderintensivstationen an die Grenzen. Und nein, Covid ist auch für Kinder nicht wie die Grippe. 6/
kinderaerztliche-praxis.de/a/kinder-und-j…
Einen Nutzen von anlasslosen Tests sehen die Autoren nicht. Man kann über Antigentests trefflich streiten - doch was haben sie gegen PCT-Pooltests/Lollitests? Die werden von vielen Experten gefordert, doch es fehlt hier eine Argumentation dagegen. 7/
Warum sehen die Autoren keinen Nutzen von Tests? Werden dadurch nicht Infektionsketten unterbrochen? Verstehen lässt sich die Ablehnung von Tests wohl nur, wenn man bedenkt, dass die Autoren das Virus eh nicht für besonders gefährlich halten. 8/
Zudem glauben die Autoren, dass selbst bei Delta das Infektionsgeschehen an Schulen gering sei. Dieser Punkt nimmt viele Seiten in dem Dokument ein, doch ich spare das hier aus, da die Positionen dazu hinlänglich bekannt sind. Ich bin nach wie vor nicht überzeugt. 9/
Es gibt allerdings einen Fall, wo serielle Tests gutgeheißen werden: wenn dadurch Quarantänen verhindert werden können. Eine Verkürzung mag vielleicht vertretbar sein. 10/
Doch für die Behauptung, sie könnten durch Tests ersetzt werden, zitieren die Autoren eine schon vom Design her höchst dubiose Studie. Haben sie sich überhaupt mit der Kritik an dieser Studie befasst? 11/
Aber kommen wir zurück zur Krankheitslast, die Covid für Kinder darstellt. Die Zahl der Todesfälle und der schweren Verläufe ist in dieser Altersgruppe unbestrittenermaßen gering. Aber wie gering ist gering genug? Jedes tote Kind ist eine Tragödie. 12/
Das ist ein schwieriges ethisches Problem. Ist jeder nur denkbare Aufwand erforderlich, um Leben zu retten, oder muss das Überleben gegen andere Güter abgewogen werden? Und wie fände man das richtige Maß? Ich jedenfalls tue mich schwer damit. 13/
Bleibt Long Covid. Die Autoren zeigen sich bemüht, das Risiko einer ernsthaften Long Covid-Erkrankung bei Kindern als unbedeutend darzustellen. Die Auswahl der zitierten Studien ist dabei sehr selektiv. Zum Beispiel wird die methodisch gründliche Studie vom ONS nicht erwähnt. 14/
Dafür aber die methodisch zweifelhafte Dresdner Long Covid-Studie und die Züricher "Ciao Corona"-Studie. Letztere leidet offenbar unter so gravierenden Mängeln, dass sich eine Zitation verbieten sollte. 15/
Die Dresdner Studie wiederum konzentriert sich auf psychische Phänomene, die aber methodisch unzulänglich erfasst werden. Zudem wird das Vorliegen einer Infektion nur retrospektiv durch unzuverlässige Antikörper-Tests bestimmt. 16/
Ein ganzer Abschnitt wird der CLoCk-Studie gewidmet, welche zum Schluss kam, dass jedes siebte infizierte Kind Long Covid-Symptome zeigt. Die Autoren bemühen sich, die Limitationen dieser Studie herauszuarbeiten. Doch dabei wird deutlich, wie selektiv sie argumentieren. 17/
Z.B. ist die niedrige Response-Rate sicher ein Problem, doch könnte das Bias auch in die andere Richtung ausfallen. Und unerkannte Infizierte dürften bei der Dresdner und anderen zitierten Studien zum Infektionsgeschehen ein noch größeres Problem darstellen. 18/
Die Autoren neigen zu der Ansicht, dass viele Long Covid-Symptome in Wirklichkeit von den Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung stammen. Sie übernehmen sogar den von Schwurblern geprägten Begriff "Long Lockdown". 19/
Doch auch die Kaskade von Fußnoten kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Covid toes (die Fußverformungen), Atemnot und Brain Fog nicht als psychisch bedingte Folgen von Kontaktbeschränkungen gedeutet werden können. Ich empfinde das als verharmlosend. 20/
Haben sich die Autoren überhaupt mit den vielfältigen Erscheinungsbildern von Long Covid vertraut gemacht? Das erscheint mir wichtiger als die leicht müßige Frage nach der Häufigkeit von Long Covid. Die Antwort darauf hängt ja auch von der Liste der erfassten Symptome ab. 21/
Wieder ist die Frage, wieviel zu viel ist: Muss es, bei vollständiger Durchseuchung, ein Kind pro Klasse sein, dass nicht mehr am Unterricht teilnehmen kann, zwei, oder ein Kind in zwei Klassen? Ich halte das für wenig relevant in Bezug auf die zu ergreifenden Maßnahmen. 22/
Überhaupt interessieren sich die Autoren kein bisschen für mögliche Langzeitschäden. Wie viele Kinder erholen sich vollständig von Long Covid? Welche Schäden richtet das Virus an Organen an? Persistiert es gar im Gehirn? 23/
Bei Schutzmaßnahmen halten die Autoren erstaunlich viel von Maßnahmen zur Verhinderung von Kontaktinfektionen. FFP2-Masken - längst Teil unseres Alltags - gehörten jedoch nur in die Hände von Fachpersonal. Ich lass das mal so stehen. 24/
Und die Sorge wegen Co2-Retention: Basiert sie etwa auf der vielkritisierten Studie von Harald Walach, die zurückgezogen werden musste? 25/
jamanetwork.com/journals/jamap…
Luftfilter werden auch nicht gewünscht, u.a. weil ein relevantes Risiko von Ärosolübertragungen in Schulen nicht gesehen wird. Machen wir es kurz: Top-Experte Kähler (um im Bild-Jargon zu sprechen) empfiehlt Luftfilter. 26/
Und, bitte: Wo soll es Ärosolübertragungen geben, wenn nicht in engen Räumen mit vielen Menschen? Werden etwa Kontaktübertragungen für häufiger gehalten als Infektionen durch Ärosole? 27/
Zusammenfassung: Das Virus ist eher harmlos für Kinder, wird kaum in Schulen übertragen und Basishygiene reicht. Doch da die Autoren zugleich damit rechnen, dass viele Schüler in den nächsten Monaten infiziert werden wird, fragt man sich Folgendes. 28/
Wozu dienen überhaupt die wenigen empfohlenen Schutzmaßnahmen an Schulen? Warum nicht gleich alle Maßnahmen abschaffen, wie es jetzt Kinderärzte in Österreich und der Schweiz fordern? Vielleicht trauen sich die Autoren nur nicht, das offen zu sagen. 29/
Zuguterletzt möchte ich noch sagen, dass ich den Autoren keine schlechten Absichten unterstellen möchte. Sie glauben bestimmt, zum Wohl der Kinder zu handeln. Vielleicht denken sie gemäß Prinzipien, die außerhalb einer Pandemie nicht verkehrt sind. 30/
Nur fehlt mir in dieser Stellungnahme die wissenschaftliche Unvoreingenommenheit. Manches ist interessant und bedenkenswert, doch insgesamt ist die Argumentation tendenziös. Die Medien sollten das entsprechend einordnen und nicht unkritisch übernehmen. 31/

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13 Jul
Ein paar Gedanken dazu, warum ich es nicht überzeugend finde, eine Covid-Erkrankung als "allgemeines Lebensrisiko" zu betrachten. (Den Vergleich mit "Dreck essen lassen" lasse ich mal beiseite.) 1/
Als "allgemeines Lebensrisiko" werden Risiken bezeichnet, die mit gewöhnlichen Tätigkeiten des Alltags verbunden sind - etwa Verkehrsunfälle. Man kann sie als Einzelperson nur vermeiden, indem man enorme Beschränkungen auf sich nimmt, z.B., indem man ständig im Haus bleibt. 2/
Das unterscheidet allgemeine Lebensrisiken von Risiken, die mit leicht verzichtbaren Tätigkeiten wie Fallschirmspringen verbunden sind. Aber auch Risiken, die nicht mit bestimmten Tätigkeiten verbunden sind, stellen kein allgemeines Risiko dar, z.B. überhaupt zu sterben. 3/
Read 10 tweets
12 Jul
Eine sinnvolle Maßnahme. Wer krank oder pflegebedürftig ist, ist oft besonders gefährdet oder hat nur schwachen Immunschutz. Eine Impfverpflichtung ist unter diesen Umständen zumindest zumutbar.
Auch das halte ich für eine gute Maßnahme. Wer sich nicht impfen möchte, muss auf andere Weise sicherstellen, dass er andere nicht gefährdet. Die Kosten dafür können - wenn jeder ein Impfangebot gehabt hat - den Betreffenden in Rechnung gestellt werden.
Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten. Wäre das nicht eine Idee für Deutschland?
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11 Jun
Die #STIKO hat empfohlen, nur Kinder mit eng begrenzten Risikofaktoren - oder solche, die entsprechende Haushaltsmitglieder haben - zu impfen. Wenn man sich die Begründung durchliest, dann stößt man aber auf einige Probleme. Thread. 1/
rki.de/DE/Content/Inf…
Die #STIKO nimmt als Folge ihrer (Nicht-)Empfehlung die Durchseuchung der Kinder in Kauf. Wie ich darauf komme? Nun, der Vorsitzende spricht es aus. 2/
Ich will nichts gegen die Meinung der Stiko sagen, dass noch nicht genügend Daten zur Sicherheit der Impfstoffe vorlägen. Die Pendants zur Stiko in einigen Ländern haben anders entschieden, aber das ist immerhin eine vertretbare Meinung. 3/
Read 20 tweets
7 Jun
Der @Tagesspiegel hat offenbar einen Blick auf den "streng vertraulichen" Entwurf der #Stiko-Empfehlung zur Impfung von Kindern gegen SARS-CoV-2 erhaschen können.

tl;dr: Impfung von Kindern wird nur bei Vorliegen von Risikofaktoren empfehlen. 1/
tagesspiegel.de/politik/stiko-…
Wobei die Risikofaktoren eng begrenzt sind. Allein Adipositas dürfte häufiger vorkommen. 2/
Offenbar teilt man in der #Stiko die Auffassung der deutschen (!) pädiatrischen Fachverbände, dass das Coronavirus für Kinder im grunde harmlos sei. Ich spare mir diesmal den Verweis auf die internationale Forschung, die dagegen in der Regel #LongCovidKids und #PIMS anführt. 3/
Read 8 tweets
6 Jun
Schlechte Nachricht: In einem finnischen Krankenhaus hat die Delta-Variante selbst bei Geimpften zu schweren Verläufen und Todesfällen geführt.

Es gibt jedoch auch eine gute Nachricht: Impfungen helfen trotzdem gegen schwere Verläufe, auch bei Delta. 1/
Von den verstorbenen Patient:innen waren die meisten nur einfach geimpft (einige auch gar nicht), nur eine Person zweifach. Und bei einem Viertel der verstorbenen Infizierten wird die Coronainfektion nicht als primäre Todesursache angesehen. 2/
Bei der teilweise zweifach geimpften Belegschaft gab es keine schweren Verläufe. Etliche von denen waren ungeimpft, doch es scheint, dass die entweder jung oder nicht in der Patientenversorgung tätig sind. 3/
Read 9 tweets
30 May
Ich habe zu allen 18 Mitgliedern der #Stiko recherchiert, ob sie sich zur Impfung von Kindern gegen Sars-CoV-2 geäußert haben.

Es gibt offenbar kein einheitliches Meinungsbild. Doch einige Mitglieder wollen womöglich Infektionen von Kindern hinnehmen. 1/
rki.de/DE/Content/Kom…
Fünf #Stiko-Mitglieder sind eher gegen eine allgemeine Impfempfehlung, zwei eher dafür, zum Rest konnte ich nichts finden.

Konsens scheint hingegen zu sein, dass für Kinder mit Risikofaktoren eine Impfempfehlung ausgesprochen werden soll. 2/
Gehe ich zunächst die Gegner durch. Der Vorsitzende der #Stiko, Thomas Mertens, leugnet #LongCovidKids und hält es - fälschlich - für möglich, dass alle Kinder, die mit einer Coronainfektion starben, nur an ihren Vorerkrankungen starben. 3/
Read 21 tweets

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