Zum 1. Mal seit dem Wahlkampfende ist ein Thema, das in SoMe diskutiert wurde, in ganzer Breite auf die klassischen Medien übergesprungen. Und wie! Nun ist es ruhiger geworden, doch d. Fall #sarahleeheinrich sollte uns weiter beschäftigen. Wir wagen eine Einordnung. #Thread (1/n)
Dass die neuen GJ-Bundessprecher, insbesondere vor dem Hintergrund der anlaufenden Regierungsbildung, besondere Aufmerksamkeit erfahren werden, hätte den #Grünen eigentlich klar sein müssen. Dass man bei Heinrich Angriffspunkte fand, wäre durch ein Screening vermeidbar gewesen.
Natürlich wäre es am besten gewesen, die zahlreichen Tweets und die Video-Aussagen wären nie entstanden. So aber startet Heinrich mit einer großen Hypothek in ihre Amtszeit. Wir sind gespannt, inwiefern sich ihr öffentliches Auftreten ändern wird. Denn dieses wird sich ändern.
Die Massivität des Aufschreis hat nicht nur die Grünen überrascht. Auch wir haben das so nicht kommen sehen. Dass Grenzen eindeutig überschritten wurden, zeigte sich durch persönliche Anfeindungen und Morddrohungen. Diese verurteilen wir aufs Schärfste. Das muss echt nicht sein.
Zur unbequemen Wahrheit gehört aber auch: Die Grünen taten alles dafür, dass diese eigentlich wichtige Debatte um Identitätspolitik eskalierte. Und auch wenn jetzt mitlesende #Grüne aufschreien werden (sog. "Victim Blaming"), so wollen wir das an einigen Punkten deutlich machen.
Heinrichs Bitte um Entschuldigung war wenig glaubhaft. Zwar bedauerte sie ihre Aussagen der Vergangenheit, allerdings verknüpfte sie die heutige Kritik mit ihrer Person ("linke schwarze Frau"). Nein, die Kritik erfolgte, weil die Aussagen und nicht die Person kritikwürdig sind.
In der Folge wirkten sich unreflektierte u. einseitige "Solidaritätsbekundungen" aus der grünen Community kontraproduktiv aus. Sie verstärkten den Eindruck, dass Kritiker letztlich nicht ernstgenommen werden. Hinzu trat die Verschärfung der grünen Frontstellung: "Wir gegen die".
Denn wie so häufig vermittelten #Grüne den Eindruck, dass Kritik an ihnen nur von Rechtsextremen und Rassisten stammt. Es also eigentlich keine legitime Kritik an ihnen geben kann, weil alle anderen böse sind. Dass es auch in den eigenen Reihen brodelte, ignorierten viele Grüne.
Ein weiteres Mittel der grünen Kritikverweigerung war der Verweis auf das junge Alter von Heinrich. Diese Taktik kennen wir von Shitstorms gegen #FFF. Die Diskussionen darüber, dass die #Grünen eine Senkung des Wahlalters fordern, führt allerdings am wesentlichen Punkt vorbei.
Denn natürlich können an Aussagen von Kindern nicht die gleichen Maßstäbe wie an solche von Erwachsenen gerichtet werden. Das entscheidende ist jedoch die besondere Qualität von Heinrichs Gedanken und den klaren Worten, mit denen sie sie beschrieb. Das ging in der Debatte unter.
Denn es waren nicht die unschuldigen Gedanken einer 14/15-Jährigen. Es waren die Gedanken einer Ideologie, die insbesondere bei den Grünen und der Grünen Jugend zunehmend zum Common Sense wird und im weitesten Sinne mit intersektionaler Identitätspolitik beschrieben werden kann.
EINSCHUB zum Begriff "intersektionale Identitätspolitik": Wir gehen davon aus, dass die Mehrheit der Leser etwas mit diesem Terminus anfangen kann. Lasst aber bei Unklarheiten gerne ein DruKo da, wir antworten euch und präzisieren dieses aus unserer Sicht gefährliche Konzept.
Ganz im Sinne des Volksmunds "Kindermund tut Wahrheit kund" tat Heinrich lediglich genau das: Sie beschrieb das ideologische Konzept vieler Grüner in glasklaren Worten. Das erkannten sowohl Kritiker wie auch die Grünen, weshalb letztere die Reihen sofort und umfassend schlossen.
Grüne Profis kleiden diese Ideologie sonst in wohlfeile Worte, Heinrich tat das nicht. Sie betonte das spalterische Element, das dieser Ideologie innewohnt. Damit dies nicht so in Erscheinung trat, taten Grüne alles, um die Debatte an der Person Sarah-Lee Heinrich festzumachen.
Weil aber der eben beschriebene Elefant im Raum steht, weil sich kaum jemand traut ihn offen anzusprechen und weil in den neuen Bundestag viele Abgeordnete gewählt wurden, die Anhänger dieser Ideologie sind, wird der Streit darüber zunehmen und solange heftiger werden, bis...
..sich die Grünen auf eine offene u. auf Augenhöhe befindliche Debatte einlassen. Dass sie dazu noch nicht bereit sind, haben sie im Fall Sarah-Lee Heinrich bewiesen. Wir können nur sagen: Je eher diese Debatte stattfindet, desto besser wäre das für d. gesellschaftlichen Frieden.

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18 Oct
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10 Oct
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