"Das ist nicht kriegsentscheidend!"
- ob persönliche Ausrüstung, Schießausbildung oder Gliederung, die taktische Ebene der #Bundeswehr wird gerne belächelt und vernachlässigt.
Warum das nicht nur für die Nachwuchsgewinnung fatal, sondern imho auch kriegsentscheidend ist⬇️ #thread
Das Problem:
Wer die #Bundeswehr kennt, kennt auch ihre Dauerthemen. Einsatzbereitschaft Personal&Material, Sparmaßnahmen etc und auch die persönliche Ausrüstung der Soldaten. In Afghanistan noch auf einem fatal schlechten Niveau, hat sich hier mittlerweile viel verbessert.
Aber: immer noch schafft es die #Bundeswehr nicht, die Masse der Soldaten zeitgemäß auszurüsten, sei es nur mit einer angemessenen Winterjacke. Die #Lochkoppel ist auch 2022 Symbolbild, insb bei multinationalen Übungen und auch das Thema Rucksack bleibt uns. wohl noch erhalten
Wer sich etwas tiefer mit der Bundeswehr befasst, kennt dann auch andere "Dauerklagen": Dass die Mehrheit der Soldaten viel zu wenig Schießausbildung betreiben kann, Munition eig immer knapp ist, Standortschießanlagen wartungsbedingt geschlossen und Übungsplätze übervoll sind.
Wenn man sich dann noch weiter hineinschraubt, stellt man auch fest, dass vermeintliche "Nischenthemen" eigentlich gar nicht so unwichtig sind:
Ärztliche Versorgung, insb. Präventivmaßnahmen zur Vorbeugung von langwierigen Verletzungen, Sporteinrichtungen in Kasernen.
Mein neues Steckenpferd:
Taktische Verwundetenversorgung. Die querschnittlichen Kenntnisse gehen nicht über das Niveau eines Ersten-Hilfe-Kurs in der Fahrschule hinaus und auf Übungen sind Tourniquets anscheinend Allheilmittel für jedes Verwundungsmuster.
Aber warum ist das so? Warum geben wir Millionen für Flugzeuge, Panzer oder ein Schulschiff aus und investieren nicht zuerst in die Ausbildung/Ausrüstung der einzelnen Soldaten?
Die Antwort finden wir imho im Verhältnis von strategischer zu taktischer Ebene:
"Die Schlammzone"
Die taktische Ebene, von #miltwitter auch Schlammzone genannt, ist das, wo Soldaten noch "richtige" Soldatendinge tun. Ausbilden, Üben, Kämpfen. Für den einzelnen Soldaten erstreckt sich der Horizont vom linken zum rechten Nachbar und zu den Folgekräften.
Das passiert meistens auf Gruppen- und Zugebene, das "big picture" bleibt hier oft nebulös und nicht klar erkennbar. Deshalb wird die Schlammzone von höheren Führungsebenen (hier #StOffzTwitter - und @CarloMasala1🥰) gerne etwas belächelt.
Jeder weiß zwar, dass auf der taktischen Ebene die großen Pläne erstmal umgesetzt werden müssen, dass hier gekämpft und notfalls gestorben wird - aber es war und ist halt die Ebene der Befehlsempfänger.
Kriegsentscheidend wird eher die operative/strategische Ebene gesehen.
Hier, in Verbänden und Großverbänden, werden die "wichtigen" Entscheidungen getroffen, Operationen geplant und befohlen. Und dafür braucht man Mittel. Und wie überall gilt: Wert (eines Mittels) ist Nutzen + Seltenheit.
So - und dadurch entsteht die folgende Problematik:
Ein Eurofighter hat einen großen taktisch bis operativen Nutzen haben, je nach Auftrag. Und wir haben nicht so viele davon. Also = großer Wert.
Ähnliches gilt bei einem Leopard II oder einem UBoot.
Der einzelne Soldat hingegen? Gibt mehr davon und der Effekt im Gefecht ist gering
Noch vor gut 30 Jahren, zu Zeiten des Kalten Krieges, dachten deutsche Führungsstäbe noch in Größenordnungen von 500k Mann unter Waffen, im V-Fall aufwachsend. Ein Soldat bei 500k? Vernachlässigbar.
Bei einer InfDiv im Gefecht ist es nicht wichtig, wie gut Soldat A schießt.
Er muss ein Gewehr bedienen können, er muss grob in die richtige Richtung halten und im besten Fall was treffen können. Er sollte auch nicht zu sehr frieren, aber auch das ist nicht - kriegsentscheidend.
Wenn die Heimat direkt bedroht wird, muss der Einzelne halt zurückstecken.
Drei Faktoren haben sich seitdem geändert:
- die Heimat ist nicht mehr bedroht, Gefahren sind zunehmend abstrakt und ohne direkten Effekt auf Deutschland (-> "Wofür?")
- Die Bundeswehr wird immer kleiner und ist auch quasi nicht mehr aufwuchsfähig.
Und - imho am wichtigsten - die Verlusttoleranz der Gesellschaft geht gegen Null.
Das hat etwas mit dem "Wofür?" zu tun (Freiheit Ds am Hindukusch dies das) - aber auch mit unserer hochindividualisierten Gesellschaft, in dem der Einzelne das nebulöse "Gemeinwohl" kritisch sieht
Während wir also NATÜRLICH weiterhin unbedingt funktionierendes Großgerät brauchen, werden wir imho keine Kriege mehr gewinnen, wenn wir die neue Rolle der taktischen Ebene nicht endlich neu denken, durchdringen und die Folgerungen daraus ziehen.
Ja, Schütze Dosenkohl, 18 Jahre, Rekrut bei PzGren ist auf dem Gefechtsfeld leichter ersetzbar und - let's be honest - nutzloser als der Puma, in dem er fährt.
ABER: sein gesellschaftlicher Wert als Individuum hat sich vom 2.WK über den Kalten Krieg bis heute massiv gesteigert
Heißt: Wenn die russ. RPG in den Puma einschlägt und 5x Schütze Dosenkohl tot sind, wird Deutschland nicht den Puma vermissen. Selbst beim Bündnisfall im Baltikum wird die gesellschaftliche Debatte nach dem "Wofür" so stark sein, dass wir den Krieg vmtl nach 100 Toten einstellen.
Die Anzeichen dafür sehen wir sowohl in der Afg-Debatte, der Debatte während der Ukrainekrise gerade und unserer Aversion bzgl militärischer Operationen generell. Ein Anzeichen für gesell. Resilienz gegenüber der massiven Opferzahlen, die ein P2P-Konflikt bringt? Fehlanzeige
Heißt aber nicht, dass wir uns einigeln und außenpolitisch abkapseln sollten. Sondern dass es Aufgabe der Politik sein wird, notwendige Einsätze schlüßig zu begründen und Aufgabe der Bundeswehr, VERMEIDBARE Verluste durch bestmögliche Ausrüstung und Ausbildung zu verhindern.
"Binse" werden jetzt wieder einige sagen - ja, ist es! Aber a) der/die einzelne SoldatIn war IMMER das erste, was im Ernstfall anderen Prioritäten zuerst geopfert wurde, also braucht es diese Binse wohl und b) wir können hier einen wesentlich besseren Job machen als bisher.
Wie immer, nur meine Gedanken zum Thema #Einsatzbereitschaft und ggfs Anstoß auf Diskussion, ohne jegliche Hoffnung auf Veränderung.
Einiges davon habe ich bei @BundiTalk auch schon mal so formuliert, es bleibt der einzige #Schlammzonen-Podcast🥰
PS: Nein, ich glaube übrigens natürlich nicht, dass Stabsoffiziere "einfache" Soldaten für entbehrlich halte. Ich glaube, dass militärische Hierarchien und unser tradiertes Denken systemisch und strukturell zu dieser Denke führen UND
dass anders als früher immer weniger Truppe und somit weniger Dienstposten/Verwendungen in der Truppe bei wachsender Anzahl von Offzen unweigerlich zu einer Entfremdung führt.
Die Prozesse dahinter wunderbar nachzulesen, u.a. hier:
• • •
Missing some Tweet in this thread? You can try to
force a refresh
Ok, ich glaube, wir müssen mal über den Begriff "Einsatz militärischer Gewalt" reden. Es scheinen hier ganz wilde Konzepte und Bilder zu herrschen, was wir in einem bewaffneten Konflikt/Krieg machen würden. #Rant🔛
Vorweg:
Der Einsatz des Militärs ist die #UltimaRatio. Und warum dieser Satz keine Binse ist, werde ich gleich erläutern.
Wenn es IRGENDEINE Möglichkeit auf eine friedliche Lösung gibt, dann schickt keine Soldaten!
Wenn das Militär in einem Krieg/Konflikt eingesetzt wird, dann ist aber die gezielte Anwendung militärischer Gewalt - im Rahmen der vorgegebenen Rules of Engagement - das, WESWEGEN wir da sind. Sonst könnte es andere machen! Sonst könnte (sollte?) man lieber Polizei schicken!
Ein kurzer, persönlicher Nachtrag zu #Fackelgate - oder vielmehr zu der Kluft zwischen unserer #BundeswehrBlase und der zivilen Welt, die ich oft an mir und meiner Familie selbst bemerke.
Ich möchte so beginnen: der Dienst in der Bundeswehr verlangt einem vieles ab. Viele von uns sind nur an Wochenenden daheim, viele haben öfter Mitternacht im Wald als in der Disko verbracht und über all dem schwebt der Ernstfall: dass wir kämpfen und töten müssen.
Gerade in der Kampftruppe ist der Fokus enorm auf diese Extremsituation gerichtet. In der Ausbildung, auf Lehrgängen und Übung versuchen wir, mit modernen Mitteln sehr alten Prinzipien zu folgen. Den Feind binden. Den Feind werfen. Den Feind vernichten.
Nachdem gestern die Tandetzksche #Depesche eingeschlagen ist, hier Part II des #Leutnantsbriefwechsel:
Ich bleibe dabei, solange Kämpfen Teil des Soldatenberufs ist, wird es eine #WarriorCulture geben - let´s embrace it!
Vorweg: Wie @Kjell_Tan zurecht bemängelt hat, habe ich mich bzgl Uffz/Offz unklar ausgedrückt. Das #OffzKorps hat mehr als genug bewiesen, dass es perfectly capable ist, ebenfalls Kriegsverbrechen zu begehen.
Mir ging es hier um die Problematik, wenn das Untergebenen/Vorgesetztenverhältnis verkehrt und dadurch die Kontrollfunktion der übergeordneten Führung nicht mehr oder nur noch eingeschränkt wahrgenommen werden kann.
Was mir beim Lesen aufgefallen ist: Eine toxische #WarriorCulture wird mehrfach erwähnt, als ein treibender Faktor hinter den Kriegsverbrechen gesehen. Allerdings wird weder definiert noch darauf eingegangen, wie diese #Krieger-Kultur im Dienst- oder Einsatzalltag ausgesehen hat.
"A warrior is a professional fighter trained since childhood whose class or caste holds power. Warriors feel they own the exclusive right to apply violence or bear arms." - Mit dieser Definition hatte der Artikel mich verloren.
Ich kann es einfach nicht mehr hören, wie sehr uns #Gendergaga, #Transsexuelle oder #Frauen die "Einsatzbereitschaft" angeblich kaputt machen. Sexualität (d.h. ALLE außer Hetero-) hätte im Dienst nicht verloren, warum können DIE nicht einfach privat "so sein".. #RantLieutenant🔛
1️⃣ Hintergrund: Das Thema verfolgt mich seit Tag 1 in der #Bundeswehr und ich bin nicht mal "persönlich betroffen"!
Aber es führte zum schlimmsten Moment meiner Dienstzeit, als ich mich am meisten geschämt habe, die Uniform zu tragen, für das Verhalten meiner Kameraden und mir..
Wir sollten im OL1 an der #OSH von einer offen transsexuell lebenden Frau OTL einen Vortrag zum Umgang mit Sexualität im Dienstalltag hören. Im ehrwürdigen Scharnhorst-Saal. Ich war rot vor Scham, dass im ganzen Saal ein ununterbrochenes Grundgemurmel und Gelächter herrschte..
Warum haben wir denn zu wenig Ausrüstung, warum fliegt nix? WEIL. ES. EUCH. NICHT. INTERESSIERT! Alle paar Monate trendet #Bundeswehr wegen irgendeinem #skandal, #gate oder #gaga....und sonst stehen wir völlig allein mit unseren Soldaten im Wald und machen Dinge irgendwie möglich