Update #Ukraine .
Diesmal soll´s nicht um die Lage an der Front gehen, sondern detaillierter um zwei Fragen:
- Warum die Ergebnisse der russ.-ukr. Verhandlungen kaum Hoffnung machen;
- Wie sich Russland in den eroberten Gebieten scheinbar langfristig einnistet.
Thread👇
(1/25)
Zunächst zur Erinnerung.
Am Dienstag ist in #Istanbul die nächste Runde der russ.-ukr. Verhandlungen gelaufen.
Erst gab es keine Details zu den Verhandlungsergebnissen, später wurden sie aber doch recht detailliert von den Verhandlungsdelegationen bekanntgegeben.
(2/25)
Zusammengefasst beinhaltet der neue Friedensplan, dass die #Ukraine auf einen NATO-Beitritt und jegliche Atomwaffenambitionen verzichten muss.
Das Land darf zudem keine ausländischen Militärstützpunkte, Waffensysteme oder Kontingente auf ihrem Territorium stationieren.
(3/25)
Generell muss das Land einen "dauerhaft neutralen Status" ausrufen, darf also überhaupt keinen Militärblöcken beitreten.
Des weiteren verzichtet Kiew auf jegliche Arten von militärischen Rückeroberungsambitionen hinsichtlich des #Donbass oder der #Krim .
(4/25)
Stattdessen bekommt das Land Sicherheitsgarantien, die von einer Reihe von Staaten gewährleistet werden.
Zudem behalte das Land das Recht, der EU beizutreten.
Schließlich müssen russische Truppen aus allen besetzten Gebieten abziehen, außer Krim und #Donbass .
(5/25)
Der Friedensplan beinhaltet damit Punkte, die theoretisch beide Seite zufriedenstellen sollen .
Für Moskau, weil ukr. Neutralität und de-facto Verzicht auf Donbass und Krim zugesichert werden.
Für Kiew, weil russische Truppen wieder abziehen und die Invasion vorbei ist.
(6/25)
Und dennoch waren die Reaktionen darauf sowohl in RUS als auch in UKR extrem skeptisch.
Der Plan scheint weitegehend chancenlos zu sein.
Auf der ukr. Seite erklärte Kiew, dass eine solche Entscheidung wie eine dauerhafte Neutralität nur per Referendum angenommen werden kann.
(7/)
Und genau dies erscheint im Moment recht utopisch.
Der mediale Raum in der #Ukraine ist gefüllt mit Siegesmeldungen.
Zur Erinnerung.
93% der ukr. Bevölkerung rechnen mit einem militärischen Sieg.
Ein Referendum wird da vermutlich kaum Chancen haben.
(8/25)
Anders ausgedrückt:
Eine Bevölkerung, die zu 93% sicher ist, den Konflikt militärisch zu gewinnen, wird wohl kaum zustimmen, auf Dieses, Jenes, Drittes, Viertes zu verzichten.
Derart umfangreiche Zugeständnisse passen da einfach nicht ins aufgebaute Sieges-Narrativ.
(9/25)
Auch in großen Teilen der russ. Bevölkerung wurde der Friedensplan fast schon empört zurückgewiesen.
Kaum hatte der Chef der russ.Delegation Medinski den Plan vorgestellt, wurde ihm "Verrat" vorgeworfen - Verrat an "nationalen Sicherheitsinteressen" sowie an den Gefallenen.
10/25
So viele Opfer und sich dann aus all den, wie es in Russland formuliert wird, "befreiten Gebieten" einfach zurückziehen? Undenkbar, so der Grundtenor in weiten Teilen der russischen Bevölkerung.
Unter diesen Umständen ist es schwer vorstellbar, dass der Plan angenommen wird.
(11/
Auch einige andere Momente sprechen dagegen.
Moskau sicherte zwar zu, dass es seine militärischen Aktivitäten im Großraum #Kiew und #Chernihiv zurückfährt, um seine Verhandlungsbereitschaft zu demonstrieren.
Die Waffen werden aber nicht schweigen. Im Gegenteil,...
(12/25)
Die Truppen werden derzeit massiv in den #Donbass verlegt, wo bald die nächste "Generaloffensive" erwartet wird.
Bereits jetzt heißt es, dass die russische Artillerie im #Donbas im Dauerfeuermodus ist.
Vermutlich, um den Boden für ein Vorrücken der Infanterie vorzubereiten.
(13/)
Es ist also schwer vorstellbar, dass Moskau einerseits diese "Generaloffensive" vorbereitet, und andererseits dann aber den vorgeschlagenen Friedensplan unterzeichnet.
Eher scheinen es polit-diplomatische Manöver zu sein, die die zweite Offensivwelle flankieren sollen.
(14/25)
Des Weiteren zeigen auch die Aktivitäten vor Ort ein ganz anderes Bild.
Nach dem Plan müssten sich russische Truppen sofort zurückziehen...das passt aber überhaupt nicht damit zusammen, dass Moskau dort derzeit verwaltungstechnische Strukturen aufbaut.
#Ukraine #Russia
(15/25)
So werden in den besetzten südlichen Gebieten der #Ukraine rasant sogenannte "militär-zivile Administrationen" aufgebaut, die das Alltagsleben neu ordnen und verwaltungstechnisch binden sollen.
Seit Mitte März hat Moskau damit begonnen, Löhne und Renten auszuzahlen.
(16/25)
Ab April soll in der Provinz #Herson offiziell der Rubel eingeführt werden.
#Rubel und die ukrainische #Hrywna werden dann parallel im Umlauf sein. Da aber die Renten und Löhne eben in Rubeln ausgezahlt werden, soll die Hrywna nach und nach aus dem Umlauf verdrängt werden
(17/25)
Alle ukrainischen Beamten, insb. die Polizei, wurden aufgerufen, ihre Posten zu belegen und ihre Amtstätigkeit regulär wieder aufzunehmen.
Lokale Ackerbauern wurden aufgerufen, sich bei russ. Anbietern zu innerruss. Preisen Düngermittel zu holen, um die Erntesaison durchzuführen.
Da weite Ackerflächen derzeit vermint oder von Verteidigungslinien durchzogen sind, haben Minenräummannschaften damit begonnen, diese Flächen zu entminen und die Befestigungsanlagen abzubauen, um sie für die Erntesaison vorzubereiten.
#UkraineRussiaConflict #Herson
(19/25)
All diese Schritte wären komplett unlogisch, wenn Moskau tatsächlich einen baldigen Abzug planen würde.
Ganz im Gegenteil, all diese Schritte sprechen dafür, dass Moskau sich langfristig auf diesen Gebieten einnistet und es verwaltungstechnisch einbindet.
#UkraineKrieg
(20/25)
Schließlich dürfte auch die Wasserversorgung der Krim einen essentiellen Punkt für den Kreml darstellen.
Nachdem ukr. Behörden im Jahr 2014 den Nord-Krim-Kanal kappten, der das Süßwasser des Dnjepr auf die Krim leitet, trocknete die Halbinsel massiv aus.
#Crimea #Russia
(21/25)
Als die Invasion begann, ging der erste taktische Vorstoß der russ. Truppen in Richtung des Kanals.
Nachdem er eingenommen wurde, wurde der Kanal sofort wieder geöffnet und Wasser in Richtung der Krim gelassen.
Erstmals seit 2014 sie die Stauanlagen der Krim nun voll.
(22/25)
Es ist kaum vorstellbar, dass Moskau diesen Kanal einfach räumt, und die Wasserversorgung der Krim in die Hände der ukr. Behörden wieder abgibt.
Ob über direkte militärische Kontrolle oder über irgendeine Art Pufferzone oder Protektorat, wird der Kreml da bleiben wollen.
(23/25)
Dazu passen auch die vielen ukr. Meldungen, dass Moskau ein Referendum in der besetzten Region #Herson plant, um eine HVR - also die "Hersoner Volksrepublik"- auszurufen, ähnlich zu den "Lugansker und Donezker Volksrepubliken" LVR und DVR.
So wären die Grenzen der HVR👇
(24/25)
Generell kann ein regelrechter Domino-Effekt nicht ausgeschlossen werden.
In wenigen Tagen kündigten gleich drei selbst erklärte Republiken "Referenden" über einen Beitritt zu Russland an:
- "Lugansker Volksrepublik",
- "Donezker Volksrepublik"
- "Republik Südossetien".
(25/25)

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Mar 29
Update #Ukraine .
Im Überblick:
- russ.-ukr. Verhandlungen in #Istanbul gelaufen;
- ukr. Truppen melden Gebietsgewinne;
- #Marioupol wehrt sich weiterhin erbittert;
- schwere Raketenangriffe in mehreren ukr. Städten;
- Moskau verlagert Truppen in den #Donbass .
Thread👇
(1/25)
Heute fand die nächste Runde der russ.-ukr. Friedensverhandlungen statt.
Türkei positionierte sich wieder als Vermittlungsmacht, da es gute Beziehungen sowohl nach Moskau als auch nach #Kiew unterhält.
Screenshot:
Delegationen kommen in #Istanbul an.
#Ukraine #Russia
(2/25)
Die Verhandlungen fanden im geschlossenen Format statt.
Einige Fotos waren vor dem Beginn der Verhandlungen dennoch entstanden.
Details über den Verhandlungserfolg oder -misserfolg wurden nicht genannt.
#Istanbul #UkraineRussia
(3/25)
Read 25 tweets
Mar 28
Meine Lieben.
Ich bin zurück, nun kann´s mit Twitter-News weiter gehen.
Ich habe wieder unglaublich viel Material zum #UkraineKrieg , das ich erstmal sortieren muss. Ein Thread dazu kommt daher vsl MORGEN.
Heute ein Thread zu zwei anderen Konflikten: Jemen und Karabach👇
(1/19)
In den letzten Tagen ist der Konflikt zwischen dem #Yemen und #SaudiArabia deutlich eskaliert.
Die #Houthis haben saudische Ölanlagen mit Dutzenden Drohnen attackiert.
Teile der Anlagen sind komplett niedergebrannt.
#Saudis flogen Luftangriffe als Vergeltung.
(2/19)
Die saudische Flugabwehr präsentierte sich wieder mal als recht löchrig.
Einige der Drohnen konnten wohl abgeschossen werden, etwa zwei Dutzend kamen dennoch durch.
Das Ganze ist durchaus erstaunlich, da Riad eigentlich über moderne Flugabwehrsysteme aus den USA verfügt.
(3/19)
Read 19 tweets
Mar 24
Meine Lieben.
Ich bin ab heute auf einer Reise.
In den nächsten Tagen kommt von mir hier also nichts Größeres.
Wenn alles glatt läuft, soll´s nächste Woche dann mit Threads weitergehen.
Bis dahin passt auf euch auf und bleibt gesund😉💪
Eine Meldung mache ich aber noch...
(1/7)
...weil sie praktisch genau jetzt reinkam und es keinen Sinn macht, sie um eine Woche zu verschieben.
Ukrainische Truppen haben offenbar einen schweren Raketenangriff auf russ.Positionen im Hafen von #Berdyansk ausgeführt.
Eine "Totschka" traf russ. Verladeschiffe im Hafen.
(2/7)
Kurz darauf detonierte das dort gelagerte Arsenal und Sprit.
Mind. ein Landungsschiff wurde laut Medienberichten so schwer beschädigt, dass es auf Grund im Hafenwasser aufsetzte.
Vermutlich ist es unwiderruflich verloren.
#Berdiansk #UkraineWar
(3/7)
Read 7 tweets
Mar 24
Update #Ukraine .
Im Überblick:
- ukr. Truppen starten Gegenoffensive;
- zwei Runden von Gefangenenaustausch gelaufen;
- Moskau verkauft Gas nur noch für Rubel;
- China lehnt Ausschluss von Russland aus G20 ab;
- Lawrow warnt Polen vor einem Eingriff in der Ukraine.
Thread👇
1/21
Nach übereinstimmenden Angaben starteten ukr.Truppen "erfolgreiche Gegenangriffe" im Großraum #Kiew .
Nach Angaben aus UK sind einige Ortschaften bei #Kiev zurückerobert worden sowie rus. Versorgungslinien erheblich beeinträchtigt.
Einkesselung sei "realistisch".
#Ukraine
(2/21)
Nach amerikanischen Angaben zogen sich rus.Truppen je nach Richtung 30 bis 55 km zurück.
Wie signifikant der ukr.Vorstoß weiterentwickelt werden kann, wird je nach Quelle allerdings sehr unterschiedlich aufgefasst.
Ukr.Quellen feiern bereits die Vernichtung all der Verbände
(3/21
Read 22 tweets
Mar 23
Update #Ukraine .
Im Überblick:
- schwere Luftangriffe in #Kramatorsk ;
- Tschetschenen schicken Verstärkung;
- heftige Kämpfe um #Mariupol ;
- USA befürchten Eintritt von #Belarus in die Kampfhandlungen;
- Polen will NATO-Mission für die Ukraine vorschlagen.
Thread👇
(1/19)
Russische Truppen fliegen wieder schwere Luftangriffe in #Kramatorsk .
Es wird erwartet, dass in der nächsten Zeit eine großangelegte russische Offensive in Richtung dieser Stadt losgehen könnte.
Hier ein Screenshot. Das Video findet ihr wie gehabt bei mir auf Telegram.
(2/19)
Zur Erinnerung.
#Kramatorsk ist strategisch wichtig.
Dort befinden sich ukr. Befehlsstäbe sowie liegt es im Rücken der Armeegruppierungen.
Russ. Truppen versuchen seit Wochen auf diese Stadt vorzustoßen, um einen Kessel zu bilden.
Bisher waren alle Versuche gescheitert.
(3/19)
Read 19 tweets
Mar 22
Update #Ukraine .
Heute soll es keine Übersicht über die Lage an der Front werden, sondern ein etwas tieferer Blick auf zwei Begleiterscheinungen des Ukrainekrieges:
1. die zunehmende Selbstjustiz und die Radikalisierung;
2. Erster-Weltkrieg-Waffen im Einsatz.
Thread👇
(1/19)
Laut übereinstimmenden Medienberichten nehmen Fälle von Selbstjustiz in ukr. Städten dramatisch zu.
Vor allem die sog. "Territorialverteidigung" und Kämpfer der "Freiwilligen-Bataillone" fassen Zivilisten, die sie der Plünderei bezichtigen und fesseln sie an Straßenlaternen.
(2/
Für zusätzliche Demütigung werden den Männern auch oftmals die Hosen runtergelassen.
Selbstverständlich gibt es da keine Art von "Gerichtsverhandlung" oder Ähnliches.
Die Menschen werden gefasst, per Selbstjustiz der Plünderei schuldig gesprochen und an die Laternen gebunden.
(3/
Read 19 tweets

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