Thread by @theotherphilipp

Ob der Wissenschaftstausendsassa des #ÖRR, Herr #Hirschhausen, ein guter Arzt ist, entzieht sich meinem Urteil. Als Journalist ist er jedenfalls eine Niete & stellt das auf erschütternde Weise mit seiner neuesten #LongCovid Dokumentation unter Beweis. Ein 🧵

1/ In 45 Minuten vollbringt er das Kunststück, gleich gegen mehrere Ziffern des Pressekodex zu verstoßen. In dem gefühligen Stück über #LongCovid, in das sich dann irgendwie auch #MECFS Patienten einfügen, die gar kein Corona hatten, erzählt er in einer…

daserste.de/information/ra…

2/ tumben Aneinanderreihung von schweren Schicksalen, das Leiden der Protagonisten. Verknüpft wird das ganze mit einer arbiträren Auswahl von Behandlungsmethoden, die allesamt, so der Tenor, "vielversprechend" aber leider klinisch noch nicht erprobt sind.

3/ Die Schicksale sind der rote Faden, an den die frohe Kunde kühner Forscher geknüpft wird, die selbstlos dem Menetekel #LongCovid zu Leibe rücken. Das Ganze gipfelt dann in einer Selbstbehandlung Herrn Hirschhausens mit einer Blutwaschung, für die normale…

4/ Patienten einige Tausend Euro aufbringen müssen, weil die Kassen mangels Studienlage nicht zahlen, die Herr Hirschhausen aber mal "ausprobieren" will, weil bei ihm diagnostizierte winzige Blutgerinnsel angeblich ein potentielles LongCovid Risiko indizierten,…

5/ das er dann, dank Blutwaschung (?) doch nicht bekommt. Oder sie wären von allein verschwunden. So genau weiß er das auch nicht. Egal. Wieviele Sitzungen er genossen hat erfährt man ebenso wenig, wie herauszufinden ist, wer das bezahlt hat. Sicher ist nur: Hirschhausens…

6/ Geldbörse dürfte das – dank üppiger #ÖRR-Gage – nicht sonderlich belastet haben.

Am Ende gewährt sogar Herr #Lauterbach, der Pandemie-Zampano, persönlich Audienz & versteht großmeisterlich, die als Mahnung fehlender Forschung entsendeten Worthülsen in eine flammende PR…

7/ für den Behandlungsbedarf von Millionen #LongCovid Patienten umzumünzen. Hirschhausen legt vor, Lauterbach verwandelt den Elfmeter. Was als Kritik inszeniert ist, wirkt wie eine abgeschmackte Good-Cop-Bad-Cop-Szene aus einer zweitklassigen Gaunerkomödie.

8/ Über die seltsame Auswahl der Protagonisten (viele findet man bei einer Twittersuche nach LongCovid) & die ethisch/moralisch an der Grenze des erträglichen operierende Szene der TAZ-Journalistin mit ihrer Tochter Olivia, wurde an anderer Stelle ausführlich diskutiert.

9/ Herr Hirschhausen habe auf seine erste LongCovid-Sendung hin so viele Zuschriften bekommen, er sei förmlich überrannt worden, erklärt er über seine Motive. Das habe ihn sehr nachdenklich gemacht. Freilich, die Schicksale mögen ihn sehr berührt haben,…

10/ das ist nur allzu menschlich, doch er hätte gut daran getan, ja es wäre seine Pflicht gewesen, seine persönlichen Empfindungen gegen seine journalistische Sorgfalt hintanzustellen.

11/ Nicht nur unterlässt er eine Einordnung zur Häufigkeit (oder besser Seltenheit) solch schwerer Fälle, er versäumt auch aufzuklären, dass bei so gut wie keinem der vorgestellten Fälle, #PostVac (die gleiche Symptomatik als Nebenwirkung der Impfung) ausgeschlossen werden kann.

12/ Zwar webt er auch die Geschichte eines schwer #PostVac-Geschädigten ein, beeilt sich dann aber mit dem äußerst seltenen Auftreten dieser Nebenwirkung zu beruhigen. Alibi-Journalismus, der nicht Gefahr läuft, seine Geschichte von der "Pandemie der Unbehandelten" zu stören.

13/ Mehrfach lässt er schlicht falsche oder zumindest unbelegte Behauptungen der Protagonisten unwidersprochen stehen.

Fast schon wie ein PR-Stunt wirken hingegen die Aussagen der TAZ-Journalistin, gleich zu Beginn der Dokumentation.

14/ Noch keine 4 Minuten sind vergangen – wir befinden uns in der Prime-Time einer Dokumentation, weil das geneigte Publikum noch nicht vorm Fernseher eingeschlafen ist – und die Mutter darf ohne jegliche Korrektur oder Richtigstellung vom Wundermedikament BC007 berichten,…

15/ das es schon gebe, #LongCovid praktisch heilt, aber nur noch nicht am Markt ist, weil es an läppischen 30 Mio. € für eine Zulassungsstudie mangele. Das lässt einen natürlich aufhorchen. Erwiese sich das als wahr & könnte damit Patienten geholfen werden,

16/ wäre das natürlich ein veritabler Skandal!

Doch woher kommt das Wundermittel BC007 und wer stellt es her?

17/ BC007 ist ein sogenanntes DNA-Aptamer, ein synthetisch hergestelltes Oligonukleotid (eine Kette von Nukleinsäuren), das durch Bindung an Proteinstrukturen von Autoantikörpern, die schädliche Wirkung gegen den eigenen Körper beeinflussen kann. So die Theorie.

18/ Derzeit existiert in DE kein einziges zugelassenes Medikament, dessen Wirkprinzip auf Aptameren beruht. Erfinder von BC007 ist das kleine BioTech Start-Up Berlin Cures, ein 2014 gegründetes Spin-Off der Charité Berlin & des Max Delbrück Centrum für molekulare Medizin.

19/ Die Berlin Cures GmbH ist eine Tochter d. Berlin Cures Holding AG, mit Sitz im Steuerparadies Zug, in d. Schweiz. "Interessant", würde mein Steuerberater dazu sagen. Ein Blick in d. Bundesanzeiger offenbart, dass d. Unternehmen bis 2019 ca. 10 Mio. € Verlust eingefahren hat.

20/ Zum 31.12.2020 wies es ~14 Mio. € Verbindlichkeiten gegen seine Gesellschafter aus.

Zu den Assets des Unternehmens gehören im wesentlichen 4 Patente, alle zielen darauf ab, Aptamere als Blocker für so genannte Autoantikörper einzusetzen.

21/ Autoantikörper sind Antikörper, die eine wesentliche Rolle bei einer Reihe von Autoimmunerkankungen spielen & die auch im Verdacht stehen, bei einigen Fällen von MECFS bzw. LongCovid ursächlich für die Erkrankung zu sein.

22/ Ursprünglich hatte Berlin Cures geplant, ein Medikament gegen bestimmte Typen von Kardiomyopathien zu entwickeln & verkündete 2018 den erfolgreichen Abschluss einer Phase-1 Studie, auf die rasch die Phase-2 folgen sollte. ots.at/presseaussendu…

23/ Daraus wurde dann offenbar nichts.

Mit der aufkommenden #Corona Hysterie schien Berlin Cures jedenfalls einen neuen Markt zu wittern. Bereits Anfang Juli 2020 verkündet das Unternehmen vollmundig, ein wirksames Medikament gegen Corona zu besitzen.

24/ Sogar Karoline Preisler, die FDP-Politikerin, die mit ihrem #Corona-Tagebuch & der befremdlichen Hausisolation ihrer #Corona-positiven Tochter bekannt wurde, rührt im August die Werbetrommel für das kleine Start-Up.

25/ Man wolle rasch in eine klinische Phase II/III Studie eintreten. Das scheitert dann aber scheinbar an den nötigen finanziellen Mitteln.
Die Twitter-Posts des Unternehmens wirken zeitweise verzweifelt. Niemand will dem kleinen Unternehmen bei der Finanzierung…

26/ der "paar" Millionen Euro helfen, die für eine entsprechende Studie erforderlich sind. Man muss sich fragen, warum kein einziger Pharmakonzern Interesse an einem so potenten, vielversprechenden Mittel hat. Entweder, es handelt sich hierbei extremes…

27/ Marktversagen, eine Verschwörung der Impf-Pharmariesen gegen einen smarten Zwerg, der schnell der Pandemie hätte den Schrecken nehmen können oder die PR der Firma war weitaus vollmundiger, als die dahinter stehende Anwendung.
Man weiß es nicht.

28/ Seltsam auch, dass die Charité, aus der das Unternehmen ja hervorgegangen war, nicht einen Teil der 150 Mio. € hierfür verwendet hat, die das BMBF ihr in einem bizarren Akt in 2020 zur klinischen Erforschung von Corona zur Verfügung gestellt hatte.
bmbf.de/bmbf/shareddoc…

29/ Wäre das nicht genau der Anwendungsfall, für den das Geld – mit dem die Charité bis heute erstaunlich wenig Zählbares produziert hat – gedacht war? Was sagt Herr #Drosten dazu, der ja sonst in allen Frage zu #Corona stets auf dem allerneusten Stand zu sein vorgibt?

30/ Die nötige Finanzierung jedenfalls bekommt Berlin Cures nicht zusammen. Wieder einmal zieht eine gute Gelegenheit, ihr Produkt zu platzieren, an ihnen vorbei. Das Geschäft machen andere, an der pfälzischen Goldgrube klingelt die Kasse.

31/ Nun also #LongCovid. Nachdem es zwischenzeitlich etwas ruhiger um BC geworden war, ist BC007, seit der Ankündigung möglicher Wirksamkeit gegen diese, in weiten Teilen immer noch unverstandene, Krankheit, wieder in aller Munde. Man vermutet vorsichtig einen positiven Effekt.

32/ Auf Social Media überschlagen sich bald die Forderungen nach finanzkräftiger Unterstützung der Firma & rascher Zulassung von BC007. Selbst Ralph Ruthe, wortstarker Vertreter aus dem #TeamVorsicht, macht sich für eine entsprechende Petition stark.

33/ Mittlerweile knüpfen selbst viele #MECFS Patienten all ihre Hoffnung an das Medikament, das jetzt nur noch ein paar Millionen benötigt, um in einer Zulassungsstudie die Wirksamkeit unter Beweis zu stellen.

34/ Inzwischen, so erklärt Berlin Cures im Juni auf Twitter, sei die Planung & Durchführung zweier Studien (einer internationalen und der in Erlangen) weit fortschritten. Qualitätskontrollen würden noch bis Herbst andauern. Danach ginge es weiter.

35/ Auch das BMBF fördert nun die Erlanger reCOVer Studie, nachdem die dortige Forschungsgruppe um Frau Dr. Hohberger mit verheißungsvollen Nachrichten der wirksamen Therapie an 4 LongCovid Patienten mit BC007…

augenklinik.uk-erlangen.de/forschung/ag-l…

fau.de/2021/07/news/m…

36/ neue Hoffnung schürt. Indes, belastbare Belege fehlen & auch die Erlanger Forscher scheinen noch nicht ganz zu verstehen, wie das Medikament wirkt, wie Dr. Hohberger in einem Focus Interview freimütig erklärt.

Auch von Heilung kann keine Rede sein.

focus.de/gesundheit/cor…

37/ Da Autoantikörper vom körpereigenen Immunsystem produziert werden, BC007 aber nicht gegen die Produktion sondern nur gegen die Antikörper selbst wirkt, könnte der Einsatz des Medikaments eine lebenslange Therapie bedeuten. Sehr viele Fragezeichen, die Hirschhausen…

38/ aber nicht für erwähnenswert hält.

Indes, in Erlangen scheint die Euphorie inzwischen etwas abgekühlt. Offenbar gibt es eine unterschiedliche Auffassung zwischen dem Klinikum & Berlin Cures in Bezug auf die Forschung zum Einsatz des Medikaments auch für…

39/ klassische MECFS Patienten. Eine dahingehende Studie will oder kann Berlin Cures dem Vernehmen nach nicht mit der Lieferung ihres Medikamentes unterstützen.

40/ Es bleibt er Eindruck eines Unternehmens, dass seit Jahren verzweifelt nach einer Anwendung für sein Produkt sucht. In wie vielen #LongCovid Fällen Autoantikörper überhaupt eine Rolle spielen ist unklar & in welchen dann der Einsatz von BC007 Besserung bringt, erst recht.

41/ Natürlich ist Patienten, die an einer solch selten schweren Form von #MECFS leiden, Heilung zu wünschen. Die Krankheit ist nicht neu & Forschung in einem Feld mit so kleinem Absatzmarkt, komplizierter Diagnostik & vielfältiger Symptomatik, bedarf staatlicher Förderung.

42/ Bloß, haltlose Heilsversprechen haben vielen der hilflos der Krankheit gegenüberstehenden Patienten schon genug Leid zugefügt. Journalistisches Arbeiten in einem solchen Minenfeld erfordert außerordentliches Taktgefühl & eine enge Bindung an den Pressekodex.

43/ All das ficht Hirschhausen jedoch nicht an.

Am Ende lässt sich der Informationsgehalt seiner Dokumentation auf schale Pharma-PR für unerprobte Verfahren & Pharmazeutika reduzieren.

Das Fatale dabei ist, dass er Hoffnung für Tausende Patienten weckt, die sich…

44/ vielleicht niemals erfüllen wird & dabei einen völlig verzerrten Eindruck der Gefährlichkeit von Covid-19 hinterlässt.

Unterm Strich bleiben nur Verlierer & journalistisches Totalversagen. 🔚