Thread by @MsOeming

Wenn ihr, wie ich, #Akademikerkind seid, hat niemand euch eure Abschlüsse, Titel oder Leistungen geschenkt...

aber WIR HATTEN ES VERDAMMT NOCHMAL LEICHTER!

Dieses Privileg anzuerkennen tut gar nicht mal so weh... – ein paar Gedanken über #oben & #unten & warum #classmatters

Mein Vater ist Theologie-Professor. Ich (wie so viele Kinder) empfinde kaum etwas mehr als meine Lebensaufgabe als das Distanzieren und Emanzipieren von ihm und seinen Denkweisen...ich hasse es, mir einzugestehen wie er meinen Weg geprägt hat ABER

er hat mir ein gewisses Vokabular & Ausdrucksvermögen mitgegeben (wenn zu seiner Enttäuschung auch kein lateinisches, hebräisches oder altgriechisches), mit dem ich mich in akademischen Kreisen unauffällig einfügen und somit wohlfühlen konnte #classmatters

er hat mich von Kindesbeinen mit etablierten (oft alten, immer männlichen) Professoren an einen Tisch gesetzt, zu Besuch bei uns, bei ihnen... Es waren nervige Kollegen oder Freunde. Ehemänner, die schlürften. Aber keine einschüchternden Halbgottheiten #classmatters

er hat mich mit in die Uni genommen.. ich hab gemalt während seiner Sprechstunde, hab Kekse von der Sekretärin bekommen, bin später mit in seine Vorlesung gegangen. Alles war Papas Büro. Keine heiligen Hallen, über deren Schwelle ich mich nicht traute #classmatters

er hat mir Postkarten von seinen Forschungsreisen geschickt.. es lagen zu korrigierende Hausarbeiten & zu begutachtende Doktorarbeiten herum.. und immer war er zu spät dran mit dem Schreiben. ich hatte ein wirres Verständnis, was alles zu diesem Beruf gehört #classmatters

Kolloquium, Konferenz, Symposium, Manuskript, Monographie, Doktorand, Dekan, Exmatrikulation, Plagiat, summa cum laude.. ich wusste mit 12 was das alles ist. Nicht weil ich besonders schlau, sondern weil es Alltag war #classmatters

er hat gelesen. Immer und überall. Die Regale überfüllt und trotzdem an keinem Antiquariat vorbei gegangen. Nie kein Buch unterm Weihnachtsbaum. Das höchste Gut, die größte Freude: Lesen. #classmatters

und vor allem: er hat es denkbar, wenn nicht selbstverständlich, gemacht, zu studieren. Wenn wir etwas vorgelebt bekommen, trauen wir es uns auch selbst eher zu. Ob Marathon oder Hochschule. #classmatters

Der Grad, zu dem es sich für mich nach Rebellion angefühlt hat, nach dem Abi eine AUSBILDUNG zu machen, sagt alles darüber, wie klar meine Weichen schon gestellt waren #classmatters

Und als ich danach doch zur Uni ging, hatte ich ganz ohne es zu merken schon etliche Hürden übersprungen, die viele andere aktiv überwinden mussten. Darauf kann ich nicht stolz sein & dafür muss ich mich nicht schämen. Aber BEWUSST sein sollte es mir. #classprivilege #Klassismus

Und wenn ich das im akademischen Kontext anspreche, führt es immer zu einer Abwehrhaltung. Als wollte ich jemandem etwas absprechen. exakt der gleiche Mechanismus wie bei white / male privilege! es geht nur darum, Machtstrukturen anzuerkennen & die eigene Verortung darin

Ich habe mittlerweile einfach SO viele Gespräche mit Studierenden, SHKs oder Kolleg*innen geführt, die sich wegen ihrer „fehlenden“ akademischen Sozialisierung ständig unwohl fühlen.. und manchmal sogar aktiv dafür gemobbt, ausgegrenzt werden. Und das macht mich sauer 😡

...und bei alle dem haben wir noch nicht mal angefangen, über GELD zu sprechen!! #unten

wurde EIN Mal als Akademikerkind gebasht: Mein Berufsschullehrer sagte „wir haben ja nicht alle zu Hause Geigenunterricht bekommen wie Frau Oeming“. Alle haben gelacht. Mir war nach heulen. Kann mir vorstellen, wie solche Spitzen sich auf der andern Seite erst anfühlen müssen..

würd ja vorschlagen Akademikerkind-Shaming zu etablieren.. würde @larsweisbrod bezahlen, #leichtgehabt zum Trenden zu bringen.. aber machen wa uns nix vor:
einen Tag später wär‘s von #ItsOkayToBeAkademikerkind und #NotAllAkademikerkinder überholt 🙄