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#Bibliotheksgeschichte Anfang der 1980er beschliesst die #Bertelsmann-Stiftung, sich im deutschen Bibliothekswesen zu engagieren. 1984 wird der Neubau (und die Neuausrichtung) der Stadtbibliothek #Gütersloh unterstützt und es findet ein "Bibliotheks-Kolloquium" statt. 1/15
Dieses Kolloquium - bzw. die Publikation dazu - ist ein Lehrstück in Ideologie. Die Stiftung bestimmt einfach, dass sie bestimmte Themen - Ausrichtung an "unternehmerischem Denken", Änderung des Bibliotheksmanagements - etablieren möchte und macht das dann. 2/15
Empfehle die Publikation (unironisch) allen, die einmal direkt sehen wollen, wie so eine Beeinflussung funktionieren kann. (Was sie dann ja auch lange tat, bis 2006 hat die Stiftung kontinuierlich Geld, Zeit und Publikationen in das Bibliothekswesen investiert.) 3/15
Ziel war immer, unternehmerisches Denken im Bibliothekswesen zu etablieren - weil die Überzeugung war, dass dies sinnvoll wäre. (Nicht in Verschwörungstheorien verfallen, im Sinne von "Stiftung schafft Markt für Konzern". Es steht Ideologie, d.h. Überzeugung dahinter.) 4/15
Im Kolloquium werden einfach Fragen aufgeworfen und damit Themen bestimmt.

Themen waren: Ziele von Bibliotheken (was sollen sie) und Planung (in Richtung unternehmerischer Planung), Marketing (im Sinne von Angebot und Nachfrage zusammenbringen),... 5/15
... Neue Medien (EDV, Bildschirmtext, Bildplatten, Video, immer in der Annahme, dass die jetzt kommen würden), Management, Kosten-Leistungsrechung, alternative Finanzierung.

Die ganze Zeit wurde "Handlungsdruck erzeugt" bzw. Angst gemacht: (1) Postuliert, dass es jetzt... 6/15
eine Zeit der Sparrunden und des "Null-Wachstums" (nicht im Sinn von Nachhaltigkeit, sondern... nicht mehr Geld) gäbe und man daran nichts ändern könne. (2) Schnelle technische Entwicklung, die Bibliotheken nur überholen würden. (3) Ständig behauptet, dass das,... 7/15
... was bislang gemacht würde, jetzt nicht mehr funktionieren würde.

Daraus wurde abgeleitet, dass sich Dinge ändern müssen - und zwar in die unternehmerische Richtung. (1) Bibliotheken müssten planen. (2) Bibliotheken müssten aktives Marketing betreiben (hier:... 8/15
... herausfinden, was Nutzende benötigen, daraufhin Angebote orientieren. (3) Effektiver werden.

Dazu - und hier zeigt sich m.E. Ideologie - wird viel darüber behauptet, wie es bislang sei und das alles diskreditiert. Z.B. wird "soziale Bibliotheksarbeit" als Versuch... 9/15
...benannt (mehrfach), die "alten Angebote" weiter aufrecht zu erhalten. Es wird behauptet, bislang hätten Bibliotheken Angebote nicht auf Ziele und Bedürfnisse der Nutzenden ausgerichtet (was Unsinn ist), das würde erst jetzt mit unternehmerischen Methoden funktionieren. 10/15
Es wird behauptet, bislang hätte es immer mehr Geld für Bibliotheken gegeben, die damit Angebote ausgebaut, aber nie überprüft hätte (auch Unsinn).

Es wird das Bild von Sorglosigkeit gezeichnet, welche das Bibliothekswesen gekennzeichnet hätte. Jetzt wäre das vorbei. 11/15
Und dann werden diskursive Angebote gemacht, Lösungen, aber selbstverständlich "nur" vorgeschlagen: Planung, Marketing, Kosten-Nutzen-Rechnung, Gemeinwesenanalyse (regelmässiges Pflegen von Dokumenten über die Gemeinde, Basis zum Treffen von strategischen Entscheidungen.) 12/15
Es ist eine erstaunlich konzise Darstellung der Grundlage dessen, was die Bertelsmann-Stiftung in den dann folgenden Jahren im Bibliothekswesen zu erreichen versucht. (Nochmal: M.E. aus Überzeugung, dass es besser wäre. Aber das wird nie nachgewiesen, sondern behauptet.) 13/15
[Horst Ernestus; Hans-Dieter Weger (Hg.). 'Öffentliche Bibliotheken heute und morgen - Neue Ansätze für Zielsetzung und Management. Internationales Bibliotheks-Kolloquium der Bertelsmann-Stiftung.' Verlag Bertelsmann Stiftung: Gütersloh, 1985] 14/15
PS.: Ist das neoliberal? Ja, dass ist bei der Stiftung nicht anders zu erwarten. Schon die Idee, das "Null-Wachstum" bei staatlichen Einnahmen eine Naturkonstante sei und nicht von politischen Entscheidungen abhängig, ist bezeichnend. Aber: Das ist keine Überraschung. 15/15
PS.: Die Behauptung, Bibliotheken hätten bisher "alles für alle" bieten wollen, aber das ginge jetzt nicht mehr, scheint mir auch in diesem Buch geprägt worden zu sein. (Ist natürlich nie wahr gewesen. Interessant ist, dass sie auch Jahrzehnte später oft wiederholt wird.)
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