(1)Hi, meine Name ist Sabine, ich bin fast 35 Jahre alt und habe soeben mein #BAföG Darlehen abgezahlt. Ein kurzer Beitrag aus gegebenem Anlass und entgegen der Norm: Über Geld spricht man nicht. #academicworkingclass #firstgenerationacademic #class #Nachwuchs #arbeiterkinder
(2) Ich habe in der Zwischenzeit einen Dr. Titel und Nachwuchs angesammelt, aber es fehlen auch noch typische Dinge, die ich nur aus der peer group kenne: private Altersvorsorge, BU, Lebensversicherungen, Wohneigentum, mehr als 2 Monatsgehälter Rücklagen...
(3) oder einen entfristeten Arbeitsvertrag (gut den kenne ich nicht aus der peer group. ;) Von denen habe ich nur mal so gehört. @KriKoWi @NachwuchsDGPuK @Junge_Akademie
(4) Während meines gesamten Studiums hat mich der Staat mit insgesamt 25.765€ unterstützt. Für #BAföG Fremde: Von dieser Summe sind 50% zinsloses Darlehen und 50% staatliche Förderung. Die Darlehenssumme ist bei 10.000€ gedeckelt.
(5) Rückzahlungsbeginn ist 5 Jahre nach Förderende (Erstförderung). Für BA/MA Studierende bedeutet das: 5 post BA-Abschluss. Im besten Fall also 3 Jahre im Beruf. Wer auf wundersame Weise in diesen 3 Jahren die Darlehenssumme anhäuft, kann einen satten Rabatt von 33,5% erhalten.
(6) Leistungsbezogene Rabatte erhalten die, die zu den oberen 30% der Jahrgangsabsolvent_innen gehören und innerhalb der Regelstudienzeit (Förderungshöchstdauer) abschließen (25%). Einziges Manko: Alle Rabatte werden vom Gesamtdarlehen abgezogen.
(7) Meine leistungsbezogenen Rabatte waren etwa 2500€, meine Darlehenssumme belief sich auf 12.882,50€, ergo wurden alle Rabatte aufgefressen, da sie sich überhalb des 10.000€ Deckels abspielten. Aber das ist nur ein kleiner Wermutstropfen.
(8) Ich habe die ersten drei Jahre meines Studiums von 330€ BAföG gelebt und gewohnt und diverse Nebenjobs gehabt. Bars und Kneipen, alles was regelmäßig ein kleines Nebeneinkommen generiert. Praxisrelevant oder gar studienrelevant war nichts davon.
(9) Ich habe jeden 10h-Hiwi Vertrag angenommen für etwas Forschungsbezug. Es gab wenige praxisrelevante Nebenjobs oder Hiwijobs an meinem Studienort. Den Luxus unbezahlter Praktika in irgendwelchen Metropolen hatte ich nicht. Nicht dramatisch.
(10) Sidenote: Mein einziges ernsthaftes Praktikum war in Berlin, mäßig vergütet und in einem netten PR-Unternehmen. Wohnhaft war ich kostenlos bei den nächstgelegenen Bekannten, BVG Tarifgebiet C ;)
(11) Mein Chef hat mir damals als Dankeschön meinen ersten eigenen Laptop geschenkt und mir dringend von einer Promotion abgeraten für eine PR Karriere. Frauen und Doktortitel und so... ihr wisst schon. Kommt nicht gut an bei den Männern. Sorry Herr K.
(12) Und damit wären wir beim Fazit: Was hilft und was hilft nicht im Umgang mit Arbeiterkindern/erste Generation-Studierende, neben dem kritischen Hinterfragen unserer normativen Erwartungen an Hochschulen?
(13) Hilfreiche Alltagstipps aus meiner Sicht: Stipendien, Stipendien, Stipendien, Aufmerksame und unterstützende Mentor_innen/Vorgesetzte, Zulassungskriterien abseits des NCs, Teilzeitstudienangebote (where did they all go?),
(14) später Verträge über 50% TVL E13, Konferenz- und Forschungsunterstützung, Vorschussregelungen für große Dienstreisen, Dienstrechner, Solidarität und Diversität innerhalb der Statusgruppen, Diversität bei den höheren Statusgruppen einer Universität!
(15) Was hilft nicht: "Eliten"förderung, Befristungspraxis, Verzögerungen bei DR-Abrechnungen, Lohnabrechnungen oder Lohnersatzzahlungen, teure Konferenzen & socializing events, generell "so haben wir das immer gemacht"-Mentalität, "ich habs ja auch geschafft"-Mentalität und
(16) die härteste Erkenntnis für viele: Harte Arbeit allein hat noch nie gereicht. Glück und Privilegien sind besonders in der neoliberalisierten akademischen Welt einflussreiche Faktoren. #wissenschaftlichernachwuchs #earlycareerresearchers #over
