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Wir besprechen in loser Folge die Amazon Prime-Serie #Hunters als WRKSHPkritik in progress.

Überkompensation ist das Generalthema der Serie. Überkompensation kommt gewissermaßen nach der Kompensation als Disbalance, die ja eigentlich ausgeglichen werden
sollte (Rache, ein Tot dem Mörder als Ausgleich für den Mord, den Massenmord und den Genozid). Weil das Terrain von Film nicht vorn vornherein der Mythos ist, muss Filmbild erst wie ein Mythos aufgebaut werden.
Die imaginäre Kompensation, Film, wird zu einem Diskurs ohne Verifikationsinstrumentarium. Für Roland Barthes ist der Mythos zunächts eine leere Form ohne jedes Zeichensystem, das zu ihm gehören würde. Die leere Form ist schwer zu verstehen, weil sie ja selbst Qualitäten
aufweist und symbolisch nie nur leer ist. Nach Barthes ist die Form aber kein Symbol und Zeichenvorgänge ohenhin Verhältnisse von Konzepten und Medien.
Verdeutlichen kann das ein Beispiel im Zusammenhang mit der "Story" von Hunters (Thema und Story sind unterscheidbar in das was der Film "sagt" und in das was er "zeigt") - der Shoa. In einer Produktion zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz sitzt der Moderator
Hugo Egon Balder 2016 inmitten von virtuellen Beton-Stelen des Denkmals für die ermordeten Juden Europas. Das Denkmal ist dafür per Bildetechnik "ins Studio" geholt worden. Mit Tricktechnik (wie es im alten Fernseh-Jargon hieß) erscheinen auf den Stelen Bewegtbilder und
Fotos wie direkt auf den Beton projiziert. Die Debatten um das "abstrakte Gedenken" bei der Eröffnung des "Holocaust-Mahnmals" 2005 hätten solchen "Kitsch" vielleicht noch nicht für möglich gehalten. Das Interessante hieran ist, wie die leeren Stelen und ihre Anordnung in
Wellen, im Studio rekonstruiert (nebenbei: vom "Zentrum für politische Schönheit" nahe des Hauses des Faschisten Björn Höcke in Thüringen ebenso wiederholt bzw. rekonstruiert) und "an sich" leer aber bereits symbolisch besetzt als Denkmalort nun ein zweites mal "gefüllt" werden.
Die Stelen können als Mythen, als leere Form vestanden werden, die ohne jedes Attribut beliebig mit einem Topic (einer Story) assoziiert werden können. Im Fernsehstudio sind Betonstelen glatte Flächen, die sich für Projektionen eignen, Flächen die keinen Ort haben, außer
der ihnen zugewiesen wird. Die zweite Ebene: Ach der Ort des Denkmals in Berlin "hat" keinen Ort. Zwar stehen die Betonplatten in Berlin, Europa, in der historischen Mitte der Stadt, und Berlin/Deutschland ist der historische Ort der geplanten Judenvernichtung.
Der Ort aber wird erst durch die historische Schreibung zum Ort des (zentralen) Denkmals für die Shoa. Der spezifische Grund am Ort als Stück ist ohne Gehalt, ohne Substanz. Er ist für das Denkmal "leere Form".
Signifikant und Signifikat, aus der Sprachissenschaft bekannte Termini für Bezeichner und Bezeichnetes gelten im Mythos nicht. Im Schema Signifikant und Signifikat wäre der Ort, beziehungsweise wären die Stelen Signifikant (Bezeichner) und das Denken an die
Shoa Signifikat (Bezeichnetes). Zusammen ergeben sie erst im Prozess, das Denkmal zu besuchen, ein Zeichen - das Denkmal selber. Das steht zwar dort, aber nur in der Anschauung wird es Denkmal.
Das ist ein ganz anderer Entwurf für die Erscheinungsweise vom Objekt der Anschaung. Dieses muss erst erarbeitet werden. Auch sinnlich. Der Mythos bewegt sich zunächst aber "traszendent" zum Vorgang Bezeichner-Bezeichnetes-Zeichen. Er hat weder Bezeichner noch Bezeichnetes,
also kein Ding zum Assoziieren mit einem mentalen Modell von etwas. Zur Erinnerung: Bezeichner/Ding war die Betonstele, Bezeichnetes/Mentalmodell war die Shoa, zusammen ergeben sie (schematisch) als Form das Denkmal. Aber der Mythos "hat" nur diese Form.
Der Vorgang kehrt sich quasi um: Die Form "sucht" erst (so, als wäre sie eigenständig, meinen Linguisten) nach Bezeichner und Bezeichnetem. Hunters Form kommt dieser Diskussion von Mythos nahe, weil die Serie (der Film in mehreren Teilen) eine Tendenz hat, zu zeigen, dass er
keinen Bezeichner (Szenen, Bilder) und kein Bezeichnetes (Rache für die Shoa) von sich aus vorweisen kann. Er kann kein Material vorweisen, das die Shoa "zeigt". Und das ist ein Problem, das wiederum auf die Zeigbarkeit der Shoa, auf das Auschwitz-Album mit Fotos der Ermordung
und die nicht weiter zu begründende Ungeheuerlichkeit (Adorno) Shoa verweist.
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